Heather: So lange war das doch gar nicht (aufmuckendes Murren in der Runde). Nun, ich habe ja fast zwei Jahre getourt. Dann war ich natürlich ziemlich müde. Ich habe ein wenig frei genommen und einen Segeltörn mit meiner Familie gemacht, auf dem Boot, auf dem ich aufgewachsen bin.
Wir erinnern uns: Heather hatte das Glück, auf den Bermudas aufzuwachsen. Sie selbst sieht sich immer noch als Inselmensch, obwohl sie in London wohnt. Aus dieser Konstellation ergeben sich ganz witzige Umstände. Ihre erste Single heißt "London Rain" und enthält die Zeile "Nothing Falls Like London Rain." Was denn an Regen so toll sei, fragte ich sie. Worauf sie antwortete, daß, wenn man auf einer sonnigen Insel lebe, Londoner Regen schon eine tolle Abwechslung sei. (Davon abgesehen geht es in dem Song um eine Long-Term Relationship und handelt davon, wie knuddelig es doch ist, wenn du mit jemanden lange genug zusammenlebst, daß er dich wirklich gut kennt - vielleicht noch besser als deine Eltern.)
H: Insel-Leute sind schon ein ganz eigener Schlag. Ich fühle mich immer auf Inseln viel wohler. Vielleicht liegt es daran, daß du immer den Horizont sehen kannst. Du hast dieses Gefühl der Freiheit, der Möglichkeiten. Insel-Leute sind z.B. auch ständig auf Reisen. Ich denke, daß das Inseldasein einen gewaltigen Einfluß auf meine Musik hat, aber ich versuche immer noch herauszubekommen in welcher Weise. Es passiert unbewußt. Es ist eine Art Magie.
Deshalb auch der Segeltörn?
H: Wenn Du auf Tour immer mit einer großen Anzahl Leute zusammen bist, ist es wichtig, einen gewissen Abstand zu gewinnen. Der Törn war irgendwie entgiftend. Wir haben ziemlich einfach gelebt. Es ist schön auch mal was zu machen, was dich mit den Elementen in Berührung bringt und ein gewisses Risiko beinhaltet.
Ah ja, das erinnerte mich an den viktorianischen Schriftsteller Thomas Hardy (Tess), dessen vergleichsweise realitätsbezogenes Frauenbild weiland für gehörig Aufruhr sorgte. Kern seiner Weltanschauung war, daß Frauen per se eine engere Beziehung zur Natur haben als Männer. Das paßt zufällig ganz gut hierher. Es sollte jedoch wesentlich dicker kommen. Nach allgemeinen Ausführungen darüber, daß sie immer und überall Stücke schriebe und natürlich auch solche Trips als Inspirationsquelle hernehme, frug einer der Kollegen nach der Stimmung des Albums, die zugegebenermaßen ziemlich sommerlich ist.
H: Da hat mich schon mal jemand drauf angesprochen. Aber lustigerweise habe ich das meiste Zeug im Winter geschrieben. Ich denke aber, daß unsere Psyche ziemlich vom Wetter, der Umgebung und den Elementen beeinflußt wird. Wir sind doch im Grunde genommen alle Tiere und wir werden davon beinflußt.
Dann ging's los: Eine Kollegin fragte Heather, warum sie das Album "Siren" genannt habe.
H: Weißt Du, das ist ganz interessant. Singen ist so eine ursprüngliche Sache. Weil es physisch von tief in dir kommt. Manchmal fühlt es sich aber auch so an, als käme es aus vergangenen Zeiten. Es ist wie die Stimme von vielen Leuten. Es ist schwierig zu beschreiben. Meine Interpretation von "Sirene" entspricht nicht der klassischen, von Männern geprägten, mythologischen Vorstellung von jemandem, der Seefahrer verführt und in den Tod lockt. Ich habe mir immer vorgestellt, daß Sirenen Wesen sind, die einfach herumhängen und gerne singen.
Auf eine Frage, warum sie denn nicht über politische Sachen schriebe, antwortete sie:
H: Es geht nicht darum, daß ich mich sowas nicht traue, aber es ist eine ganz andere Art Songs zu schreiben. Mehr eine Kopf-Sache. Was mich wirklich dazu treibt, Songs zu schreiben, ist wenn du etwas fühlst, was du anders nicht beschreiben kannst und das dann irgendwie musikalisch auszudrücken.
Ganz schön widersprüchlich - andererseits aber auch nicht. Musik ist für Heather Teil eines spirituellen Weltbildes. Chinesische Heilkunde fasziniert sie zum Beispiel, da diese versuche, die Ursachen der Krankheiten herauszufinden, und nicht an den Symptomen herumzudoktern. Institutionalisierte Religion lehnt sie ab, weil diese ja immer vorgibt, Antworten zu haben auf alle Fragen.
Skeptisch sähe ich aus, meint sie, ob ich denn nicht so von dem überzeugt sei, was sie sage? Beflissentlich beeile ich mich, ihr zuzustimmen, gehe noch einen Schritt weiter und behaupte gar, daß viele unserer Probleme generell darauf zurückzuführen seien, daß zu viele Leute glauben, daß sie wüßten, was sie täten, weil sie Antworten auf Fragen haben, die keiner gestellt habe - was aber zugegebenerweise nicht der Punkt war.