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THE DELGADOS
 
Das (Chemikal) Underground Orchester
The Delgados
"Wir haben auf unserem neuen Album mit dem Produzenten Dave Friedman gearbeitet, weil wir einen fetten Sound wollten", erklärt Sängerin/Gitarristin Emma beim Gaesteliste.de-Interview in Köln. "Wir hatten die Platte mit Tony Doogan [Belle & Sebastian] in Glasgow aufgenommen, aber danach waren wir alle so fertig, dass wir uns die Songs nicht einmal mehr anhören wollten. Also sind Paul und Stewart nach New York geflogen, und dort hat Dave Friedman, der ein großer Fan von uns (und umgekehrt) ist, dann das Mixing besorgt. Er arbeitet lieber alleine, also haben Paul und Stewart die meiste Zeit irgendwelche Spielchen gespielt, bis Dave sie wieder zum Probehören gebeten hat."
Ein Aufwand, der sich bezahlt gemacht hat. Hört man die Platte erst einmal, sind die anfänglichen Zweifel schnell verfolgen. Noch ambitionierter als auf dem wunderschönen Vorgänger "Peloton" gehen die Schotten hier zu Werke. Und trotz Starproducer Friedman (Mercury Rev, Mogwai, Flaming Lips) setzen sie gerade nicht auf Bombast-Sound, sondern haben ihre - stets gut durchdachten - Arrangements eigentlich sogar noch etwas abgespeckt, nur um die in ihre Einzelteile zerlegten Songs nachher wieder neu zusammenzusetzen. Zum Beispiel für die Shows des Delgado Orchestra, ihrer zehnköpfigen Tourband - Streichquartett, Flötistin und Pianist inklusive. Gibt's ein Geheimnis dahinter, Emma? "Wir haben gerade erst eine England-Tour gespielt, einen exzellenten Mischer mit auf Tour und gerade ein neues Mikro für die Basstrommel gekauft. Daran wird's wohl liegen, haha. Im Ernst: Wir hoffen einfach, dass sich der Aufwand lohnt, indem die Leute, die uns jetzt sehen, das Konzert sehr viel bewegender finden, als wenn wir nur zu viert gespielt hätten, und hoffentlich macht das dann die Runde."
The Delgados
Dass die Delgados keine Kompromisse machen, wenn es um (ihre) Musik geht, ist ja auch schon lange kein Geheimnis mehr. Immerhin waren die Schotten so konsequent, gleich ihre erste Single "Monica Webster" auf ihrem eigenen Label zu veröffentlichen, um so völlige künstlerische Freiheit zu genießen. Inzwischen ist Chemikal Underground nicht nur für den neuen "Sound Of Glasgow" stilprägend geworden, sondern weltweit ein gutklingender Name für innovativen Independent-Sound. Eigentlich stand hinter dem Label zunächst nur die Idee, eine Plattform für die erste Delgados 7" zu finden. Das war Anfang 1995. Auch die Veröffentlichung der ersten Single von Bis war mehr oder weniger ein Freundschaftsdienst, aber als mit der zweiten Single der drei Teenager, "The Secret Vampire Soundtrack", plötzlich die ganze Insel Bis zu Füßen lag, begannen sich die Dinge zu ändern. Auf einmal war Chemikal Underground als Institution wichtiger als ihre Initiatoren. "Manchmal ist das schon ein Problem", gestand Emma bereits vor zwei Jahren, "denn dadurch haben die Delgados wesentlich weniger Freiheiten. Wenn wir uns allerdings auch auf dem europäischen Festland eine Stellung wie in Großbritannien erarbeiten könnten, hätten wir etwas geschafft, was sehr, sehr selten ist in diesem Jahrzehnt." Nämlich als Indie-Label, das als Schlafzimmer-Operation begann, den Major-Companies den Rang abzulaufen. "Die Industrie ist heute sooo Major-orientiert, da ist es fast schon verwunderlich, dass etwas vom anderen Ende des Spektrums so viel Unterstützung und Raum zur Entwicklung bekommt", wundert sich Emma und freut sich natürlich über den Erfolg.

Immens erfolgreiche Platten von Arab Strap und Magoo folgten den ersten Achtungserfolgen, aber nachdem das Label gerade nach dem weltweiten Triumphzug von "Come On Die Young", dem 1999er Mogwai-Werk, in aller Munde war, wurden die Veröffentlichungen plötzlich immer sporadischer. "Ja, das stimmt. Unsere eigene Platte war dieses Jahr die mit Abstand wichtigste Veröffentlichung, aber dafür wird es nächstes Jahr eine große Offensive geben. Es wird die erste Platte von unserem neuesten Signing aus Glasgow, Aereogramm, geben und neue Alben von Suckle und Arab Strap." Letztere waren eine der ersten Chemikal-Bands, die dem als Garagenoperation gestarteten Label den Rücken kehrten und bei einem Major unterschrieben. Allerdings mit so minimalem Erfolg, dass sie jetzt wieder in den Schoß der Chemikal-Underground-Familie zurückkehrten. Mogwai dagegen haben dem Label gerade den Rücken gekehrt und sind dem Ruf des Geldes gefolgt. Emma ist merklich traurig darüber: "Sie haben uns verlassen... aber was soll man machen? Wenn jemand nicht mehr bei dir bleiben will, kann man ihn nicht zwingen, oder? Mogwai haben viel bewegt, weil sie sich getraut haben, sich über bestehende Konventionen hinwegzusetzen. Weil ihre Musik größtenteils instrumental ist, haben sie dem Publikum auch das Gefühl gegeben, dass sie keinerlei Kompromisse machen. Und die Tatsache, dass sie eine sehr gute Liveband sind, hat natürlich auch geholfen."

The Delgados
Die Radar Brothers, die mit "The Signing Hatchet" eine wunderschön leise, oft überhörte Platte auf Chemikal Underground veröffentlicht haben, waren eine Ausnahme von der Regel in vielerlei Hinsicht. Zum einen kamen sie nicht wie eigentlich alle anderen Bands des Labels aus Glasgow, sondern aus Amerika, zum anderen waren sie keine wirkliche Neuentdeckung der Delgados, die bis heute jede Band für das Label selbstpersönlich aussuchen, da sie bereits vor einigen Jahren ein Album in den Staaten veröffentlicht hatten. "Genau das war eines der größten Probleme", erklärt Emma das Dilemma der Radar Brothers. "In England ist es so, dass man mit der ersten Platte auf sich aufmerksam machen muss, sonst hören sich viele Journalisten die zweite gar nicht mehr an. Und das ist so falsch, denn so bekommen sie oft nicht mit, dass Bands sich verbessern und weiterentwickeln. Das ist ein sehr, sehr harter Fight."

Ein Kampf, den die vier Delgados der nach wie vor maßgebenden Do-It-Yourself-Haltung zum Trotz inzwischen nicht mehr ganz alleine kämpfen. Graeme und Andrew heißen die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter, die das Chemikal-Underground-Tagesgeschäft erledigen und, wie Emma einräumt, inzwischen mehr in der Firma drinstecken als die vier Gründer. "Wenn wir heute im Büro sind, erledigen wir vor allem sehr viele langweilige Tätigkeiten. Ich kümmere mich beispielsweise in erster Linie um die Verwaltung, Stewart macht die Buchführung und Alun kümmert sich um's internationale Geschäft. Das ist alles in allem sterbenslangweilig, aber jemand muss es ja machen! Paul hält sich mit dem Bürokram ziemlich zurück. Wir lassen ihn Etiketten auswechseln und so. Wir nennen ihn den Hausmeister", lacht Emma. "Er ist in erster Linie als Tontechniker ein As, hat viele der frühen Singles aufgenommen und hat jetzt auch an der Aereogramm-Platte mitgearbeitet." Und das sogar größtenteils im labeleigenen Studio, denn um für noch mehr Unabhängigkeit zu sorgen, haben die Delgados das Tonstudio in Hamilton übernommen, in dem eh schon die meisten Chemikal-Underground-Platten entstanden waren. Und ganz in der Tradition großer britischer Labels wie Factory haben sie ihr Studio auch mit einer eigenen Katalognummer, CHEM 019, belohnt. Damit dürfte garantiert sein, dass nicht nur die Delgados mit ihren eigenen Platten auf Chemikal Underground auch in Zukunft für jede Menge Überraschungen sorgen werden. "Ich bin mir sicher, dass wir auch weiterhin qualitativ hochwertige Bands unter Vertrag nehmen werden", ist sich Emma sicher. Warum? Ganz einfach: "Was unseren Musikgeschmack angeht, sind wir sehr, sehr pingelig."

Weitere Infos:
www.chemikal.co.uk
Interview: -Carsten Wohlfeld & Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer / Chemikal Underground-
The Delgados
Aktueller Tonträger:
The Great Eastern
(Chemikal Underground/Connected)
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