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MADRUGADA
 
Freischwimmer mit Madrugada
Madrugada
"Was, es gibt Bands, die auf dänisch singen?", scherzt Sivert Hoyem als anlässlich des Interviews zur neuen Madrugada-CD "The Deep End" das Thema auf Scheiben in Landessprache und damit beispielsweise auf Under Byen kommt. "Das wundert mich fast. Dänisch ist doch gar keine richtige Sprache. Das ist doch bloß eine Aneinanderreihung umständlicher Vokale." Soviel zum Thema "skandinavische Solidarität". Nun, mit dem Singen in Landessprache haben es Norweger ja eh nicht so. Ganz im Gegenteil: Zu den Aufnahmen des neuen Albums zog es Madrugada ins sonnige Kalifornien - hin zu den inspirierenden Vorbildern, die Robert Buras, der Gitarrist und neben Sivert andere kreative Kopf der Band voller Begeisterung aufzählt. "Es ist schon toll, wenn du da all diese Orte aufsuchen kannst, wie z.B. das Whisky A Gogo, wo deine Vorbilder gespielt haben. Die Doors zum Beispiel sind eine meiner absoluten Lieblingsbands. Dann gibt es diese Bukowski Ecken oder die Erinnerungen an The Gun Club und die ganze 80er Szene. Die ganze Gegend vibriert mit solchen Vibes."
Die Aufnahmen zum neuen Werk zogen sich ein wenig hin, oder? "Das scheint vielleicht so", schränkt Sivert ein, "es ist vielmehr so, dass wir dieses Mal sehr viel Zeit mit der Vorbereitung verbrachten. Wir hatten unsere Songs gut geübt, bevor wir ins Studio gingen. Die Aufnahmen waren dann eine ziemlich intensive Angelegenheit und gingen in zwei Monaten vonstatten." Nun, zwei Monate Studio-Aufnahmen sind für Musiker, die jeden Cent zwei Mal umdrehen, immer noch eine lange Zeit. Woraus zu schließen ist, dass Madrugada nicht mehr unbedingt zu dieser Spezies zählen. Zum Beispiel konnten sie sich dieses Mal die Produzentenlegende George Drakoulias leisten. "Das war ein sehr natürlicher Prozess", erklärt Sivert, "und ich denke, es war in dem Fall auch gut so, dass wir gut vorbereitet waren. Denn andererseits wäre die Arbeit mit einem Produzenten schwieriger gewesen, weil wir nicht gewusst hätten, was wir wollten. George brauchte uns in dieser Richtung nicht mehr zu helfen. Wir hatten unser Material und die Arrangements ja schon fertig. George war so etwas wie ein 'Vibe-Maker'. Das war genau das, was wir dieses Mal brauchten. Wir wollten eine düstere Scheibe machen mit ein paar mitreißenden Elementen. Melodien, Rhythmen und Tonartenwechsel waren uns sehr wichtig. Wir wollten unsere Musik für sich sprechen lassen." Nun ist George Drakoulias (Lone Justice, Tom Petty, etc.) ja ein typischer Americana-Vertreter. Die letzte Madrugada-Scheibe war ja ein ziemliches Rock Brett und Siverts Solo-CD eher eine Folk-Rock-Angelegenheit. Entstand aus dieser Mischung dann quasi "die beste aller Welten"? "Also für mich auf jeden Fall", meint Sivert. "für mich ist es die Scheibe, die wir immer machen wollten." Nun erzählte uns Robert beim letzten Interview aber, dass die letzte Scheibe, "Grit", die Scheibe gewesen sei, die ER immer gerne hatte machen wollen - und das war ja ein reines Rock-Brett. "Nun, ich fühle mich jetzt mit dieser Scheibe sehr, sehr gut", führt Robert aus, "ich habe mich noch nie so sicher gefühlt, was das Material betrifft. Es ist für jeden etwas dabei - die neue Scheibe hat alles. Wir haben jetzt für unsere Konzerte immerhin vier Alben, aus denen wir auswählen können." Und dabei finden sich dann auch Tracks wie "Ramona", die vollkommen aus dem Rahmen fallen. ("Ramona" hört sich an wie ein Outtake von einer frühen Bad Seeds-Scheibe.) "Das ist ein Teil des Konzeptes", meint Sivert, "es geht darum, die Balance etwas aus den Fugen zu bringen. 'Ramona' musste auf dieser Scheibe sein, um sie ein wenig aufzumischen. Die Leute sollen sich fragen, was zum Teufel wir da gemacht haben. Das ist ein Stück, das man richtig hassen kann, wenn man das Album zum ersten Mal hört. Das mag ich an Alben. Wenn sie zu glatt runtergehen, ist das auch nix. Dann verliert man ja das Interesse daran." Das andere Extrem sind dann Songs wie "Hold On To You", zu dem sich Madrugada vom gemeinsamen musikalischen Helden Angelo Badalamenti ein Streicher-Arrangement auf den Leib schneidern ließen oder "Running Out Of Time", das sich an der Gospel-Musik orientiert. "Ja, aber das ist nur eine Referenz", erklärt Robert, "in etwa an die Idee von Mahalia Jackson. Es hätte aber auch genauso gut ein Jimi Hendrix-Stück sein können. Irgendwo muss man sich ja dran orientieren. Es ist jetzt jedenfalls ein Rock-Stück." "Und was Angelo Badalamenti betrifft: Den haben wir einfach kontaktiert, weil wir dachten, dass er der richtige für den Job sei", erinnert sich Sivert, "wir dachten ernsthaft gar nicht daran, dass er diesen Auftrag in Erwägung ziehen würde, aber dann stellte sich heraus, dass er 'Grit' kannte und er hat dann den Song auch sehr gemocht. Es war jedenfalls toll ihn dann auf dem Album zu haben." War es denn Angelo Badalamentis Arbeit als Filmkomponist (z.B. für David Lynch), die Madrugada bewog, diesen Weg zu gehen? "Nicht wirklich", schränkt Sivert ein, "wir mögen einfach seine Arbeit - obwohl wir auf Film-Fans sind." "Die ganze Idee Filmmusik zu machen ist sehr spannend", gibt Robert zu bedenken, "es müsste aber schon ein wirklich guter Film sein. Wir haben noch nicht allzu viel in diese Richtung nachgedacht. Wenn wir das Medium Film beim Songwriting verwenden, dann vielleicht als Inspiration."
Hat der Titel der neuen Scheibe "The Deep End" vielleicht auch mit einem Film zu tun? "Nein, es hat meiner Meinung nach eher mit dem tiefen Ende vom Swimming Pool zu tun, dort, wo du schwimmen kannst - oder ertrinken", meint Sivert, "es geht um dieses 'sinking feeling', das dort herrscht und das ist auch als Metapher zu sehen." "Und es gibt eine Zeile aus einem Song, der es leider nicht auf das Album geschafft hat", ergänzt Robert, "und die hieß 'welcome back to the deep end' - daraus haben wir dann den Titel extrahiert. Und ich finde, es klingt auch ganz gut." Wenn man mal bei der Zeile "welcome back to the deep end" bliebe: Wäre das vielleicht ein Hinweis darauf, dass Madrugada mit dieser vierten Scheibe jetzt so etwas wie einen Bogen geschlagen haben? "Das fühlt sich für uns auf jeden Fall so an", räumt Robert ein, "obwohl dies natürlich noch keine Retrospektive ist", "Es ist aber schon so, dass sich der Kreis damit irgendwie schließt", fügt Sivert hinzu, "was mich ja z.B. bei 'Grit' am meisten überrascht hat, war, dass unsere Fans das Album ohne weiteres akzeptiert haben. Das bedeutet, dass wir von nun an vermutlich alles mögliche machen können." "Ja uns, stehen nun alle Türen offen", pflichtet Robert bei, "es ist für uns wichtig, dass wir uns alle Möglichkeiten erhalten." Auf dem neuen Album gibt es auch wieder verschiedene Richtungen die verfolgt werden. Es gibt Roberts Rock-Stücke, es gibt Balladen verschiedener Couleur, die Siverts Rolle als Sänger besonders betonen, es gibt sogar eine Prise Soul und Gospel - vielleicht angestoßen durch George Drakoulias und den Einsatz von (echten) Keyboards. Wie war denn das Konzept? "Wir haben einfach härter gearbeitet, bevor wir ins Studio gegangen sind", erklärt Robert, "an einigen der Songs haben wir z.B. bereits vor drei Jahren zu arbeiten begonnen. Die Single, 'The Kids Are On The High Street' hat ewig gebraucht, bis wir sie richtig hinbekommen haben. Uns war dieses Mal von vorne herein klar, dass wir die besten Songs haben wollten - unabhängig von einem bestimmten Format. Es ging uns darum, die Dinge zu betonen, die uns jeweils nach vorne brächten. Wir haben auch die Sachen vorher live gespielt." "Wir haben das gemacht, um vorher ausprobieren zu können, ob die Stücke gut live funktionieren", ergänzt Sivert, "zumindest was die Hälfte der Tracks betrifft. Und die anderen werden wir dann wohl auch hinbekommen, denke ich. Jedenfalls stimmten die Atmosphäre." Warum ist denn das Album überhaupt in Los Angeles aufgenommen worden? "Das war wegen George Drakoulias", erklärt Sivert, "er lebt dort und hat dort auch sein ganzes Equipment und er kennt alle Studios. Es wäre etwas zu aufwendig gewesen, das alles nach Norwegen zu transportieren. Wir hatten ja nur ein paar Monate, das ganze durchzuziehen." Und hat sich die Umgebung irgendwie auf den Sound des Albums ausgewirkt? "Ja klar", stimmt Robert zu, "erstmal kommst du von zu Hause weg. Dann ist die Umgebung ja sehr schön - du hast da Palmen, den Ozean, Strand, Wüste, schönes Wetter - das war so etwas wie Bandurlaub und hat uns näher zusammen gebracht. Und dann gab's ja, wie gesagt, diese musikalischen Referenzen an die Doors und so. Das ist so ähnlich wie beim Mississippi-Delta - wo ich unbedingt auch mal hin möchte, um mich inspirieren zu lassen. Ich gebe dir mal ein Bespiel: Wir sind in die Wüste nach Joshua Tree gefahren, wo Gram Parsons verstarb. Das Gefühl, das wir dabei hatten, kann man gar nicht beschreiben. Das ist unbezahlbar und ein sehr spezielles Ding. Das hilft sicher auch beim Songwriting - z.B. für neue Sachen - weil man ja doch immer wieder Dinge wahr- und aufnimmt."
Madrugada
Okay - das bringt uns zu einer grundsätzlichen Frage: Da haben wir also eine Band, die eine ganz bestimmte Vorstellung von ihrem Sound hat, die die Songs bis ins Detail ausgearbeitet hatte, bevor es zu den Aufnahmen kam, und die generell genau wusste, was sie wollte: Warum suchte man sich hier ausgerechnet einen Produzenten, der gewissermaßen detailversessen ist, der sein eigenes Equipment verwendet (z.B. Gitarren und Keyboards) und der selber ganz bestimmte Vorstellungen hat? "Nun, das ist das erste Mal, das wir mit einem Produzenten arbeiteten", erklärt Robert, "vorher haben wir nur mit einem Tontechniker gearbeitet. Wir wollten uns jetzt mal produzieren lassen, weil wir mal eine Meinung von außerhalb der Band brauchten. Jemanden, der uns zum Kern dessen lenkte, was wir eigentlich taten. Er sollte die bestem Performances und die besten Momente aus uns herauskitzeln. Weißt du, diese kleinen Dinge, die ein Album lohnenswert machen. George ist nun ein sehr erfahrener Produzent, der mit vielen großen Namen zusammengearbeitet hat. Ihm gelang es sehr gut, die verschiedenen Charaktere, die es nun mal in einer Band gibt, unter einen Hut zu bringen. Es ist wichtig dann auch noch jemanden zu haben, dem du vertrauen kannst, dem du alles erzählen kannst, was in deinem Kopf vorgeht, wie du dir etwas vorstellst, mit dem du über musikalische Bezugspunkte fachsimpeln kannst und der dann daraus das Beste machen kann, indem er dich inspiriert. Es geht nämlich immer um Inspiration und das Einfangen der richtigen Momente. Und da ist George der richtige Mann." Gab es denn irgendetwas, das George Drakoulias an Madrugada entdeckte, das sie selber noch nicht bemerkt hatten? "Ja, speziell, was den Rhythmus und den Drumsound betrifft", erzählt Robert, "er ist sehr gut mit solchen Dingen und er leitete uns da in eine ganz neue Richtung. Er hat dieses rhythmische Ding gut drauf und hat uns sehr geholfen. Manchmal sind das ganz kleine Sachen - wie z.B. den Sound einer Tom- oder Snare-Drum. Es war ganz erstaunlich." Und dann gibt es ja noch die Background-Sängerinnen, nicht wahr? "Ja, ich habe zwar die Harmonie-Vocals selber gemacht und jeder, der da war, war zu irgendeinem Zeitpunkt auch mal im Studio und hat mitgesungen - auch George", führt Sivert aus, "und dann hatten wir diese wunderbaren ca. 50 Jahre alten Gospel-Sängerinnen - Julia und Maxine - die waren fantastisch. Was die hingekommen haben, war schon sehr beeindruckend." "Wir suchen ja immer nach diesen Gospel- und Soul-Verweisen", kommt Robert noch mal auf den Punkt, "und es ist - besonders hierzulande - schwer, entsprechende Sängerinnen zu finden und diese Frauen konnten diesen Stil sehr perfekt. Sie sind auf jedem Soul-Album der letzten zehn Jahre zu finden und touren jetzt mit Neil Diamond - nur um dir mal eine Vorstellung zu vermitteln. Solche Sängerinnen findest du in Berlin oder Norwegen nicht." Gibt es denn darüberhinaus noch irgendwelche musikalischen Ideen, die Madrugada gerne einmal verwirklichen möchten? "Ja, die gibt es", erklärt Robert, "wir haben - unabhängig von den Songs für's jeweils nächste Album - einen ganzen Stapel Stücke angesammelt, die wir noch nicht verwendet haben. Es wäre interessant, diese einmal in einem orchestralen Umfeld umzusetzen - also mit einem richtigen Orchester, aber einem kleinen, wo du die einzelnen Instrumente noch unterscheiden kannst." "Und wo du das Schrammeln der Bögen auf den Saiten noch spüren kannst", ergänzt Sivert, "ansonsten wäre es ja zu langweilig..." Schon klar: Madrugada haben auch mit dieser vierten CD mal wieder gezeigt, dass sie eben keine Band sind, die der Kontinuität alles unterordnen und vorhersehbare - und somit langweilige - Scheiben machen. Ganz im Gegenteil: Man darf immer gespannt sein, was einen auf der nächsten Madrugada-Scheibe oder bei der nächsten Madrugada-Show erwartet. Übrigens versprachen Robert und Sivert, dass man auf der nächsten Tour die Band auch wieder sehen können wird. Das Beleuchtungskonzept (oder eher: Das "Nicht-Beleuchtungskonzept") des Licht-Designers auf der letzten Tour solle man bitte als "künstlerisches Experiment" verbuchen.
Weitere Infos:
www.madrugada.net
www.madrugada.de
www.virginmusic.de/xml/5/3250847/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Autumn de Wilde-
Madrugada
Aktueller Tonträger:
The Deep End
(Virgin/EMI)
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