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Interview-Archiv

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JONATHAN RICHMAN
 
Aus der Hüfte
Jonathan Richman
"Not So Much To Be Loved As To Love" heißt die neue Langspielplatte von Jonathan Richman, die er - wie es scheint - en passant mit seinem langjährigen Kollegen, Drummer Tommy Larkins und einigen Gästen (darunter ex-Modern Lovers-Bassist Curly Keranen) einspielte. Es ist wieder mal ein typisches Richman-Werk mit einer Reihe schräg-skurriler Song-Kleinode geworden, die dieses Mal sogar in drei Sprachen (englisch, italienisch und französisch) vorgetragen werden. So weit so gut, nur warum hat die Scheibe diesen komplexen, philosophischen, aber auch zungenbrecherischen Titel?
"Das ist eine ausgezeichnete Frage", meint Jonathan, "der Titel ist nämlich immer das, was ich als allerletztes mache. Lass' mich mal drüber nachdenken, ob es einen besonderen Grund gibt, warum die Scheibe so heißt. Ich glaube nicht. Ich dachte einfach, das sei ein netter Titel." Nun ja, die gleiche Unbekümmertheit, die Jonathan Richmans Oeuvre ausstrahlt, wohnt offensichtlich auch dem Manne selbst inne. Wenn jemand über so etwas wichtiges wie einen Titel so gar nicht nachdenkt, muss schon sehr abgeklärt sein. Dabei würfe ebenjener Titel doch interessante philosophische Fragen auf. "Das ist ja interessant, dass du das sagst", findet Jonathan, "das habe ich so noch gar nicht gesehen. Wie meinst du das denn?" Nun, wäre denn nicht die offensichtlichere Formulierung des Titels die, dass man zunächst eher geliebt werden möchte, als selber zu lieben? "Ach so - nun ja, vielleicht gilt das für jüngere Leute", überlegt Jonathan, der ja mittlerweile auch schon 53 ist, "denn so fängt ja alles an. Das ist das, was man als erstes möchte, geliebt zu werden. Später kommt dann das Bedürfnis hinzu, selber auch Liebe zu geben. Glaube ich." Was hat ihm denn eigentlich die Idee für den von ihm vertretenen Standpunkt vermittelt? "Keine Ahnung, das ist einfach das was ich fühle", verrät er, "das ist bei all meinen Songs so. Es gibt keinen speziellen Grund dafür, dass ich sie schreibe." Gilt das denn auch für politische Songs, wie z.B. "Abu Jamal"? "Siehst du, das ist ein perfektes Beispiel", macht Jonathan deutlich, "das ist gar kein politischer Song. Er ist einfach so, wie ich fühle. Ich habe Abu Jamals Stimme mal im Radio gehört und das hat mich angesprochen. Ich habe mich dann ein wenig damit beschäftigt und herausgefunden, dass der Mann wohl unschuldig im Gefängnis sitzt und dass sogar ausländische Regierungen sich für seine Freilassung einsetzen. Aber darum ging es mir nicht. Ich wollte einfach einen Song über einen Mann im Gefängnis machen und das Gefühl, was das mit sich bringt." Das ist dann also doch nicht Jonathans "Hurricane", sondern eher so was wie seine "Künsterportraits" (auf dieser Scheibe ist es z.B. Vincent Van Gogh (in einer Neuauflage) und Salvador Dali)? Man darf also nichts in Jonathans Songs hineininterpretieren, nicht? "Ja, das stimmt", pflichtet er bei, "da gibt's keine versteckten Botschaften. Aber hat man dir eigentlich nicht gesagt, dass ich Schwierigkeiten habe, über meine Songs zu sprechen?" Nein, es hieß ja nur mal global, dass Jonathan überhaupt keine Lust mehr habe, Interviews zu geben. "Ich sage ja auch gar nix", meint Jonathan, "bislang geht's ja auch noch. Aber lass' uns jetzt man über was anderes sprechen." Nun gut - in einigen Rezensionen zur neuen Scheibe, die im Web einzusehen sind, werden wieder Vergleiche der neuen Scheibe zu Velvet Underground gezogen. "Ach ja?", fragt Jonathan, "inwiefern denn?" Nun, da gibt es z.B. den Verweis auf das Harmonium, das Jonathan z.B. in "Abu Jamal" verwendet. "Aber die Velvets haben doch gar kein Harmonium verwendet?", fragt er. Das nicht, aber Nico zum Beispiel - und das wäre dann die Querverbindung. "Ich verwende aber gar kein Harmonium. Das war - glaube ich - eine Gebläse-Orgel." Die Frage sollte ja auch eher dahingehen, wie man sich denn fühlt, wenn man nach all den Jahren immer wieder an denselben Vorbildern gemessen wird? "Ach weißt du, die Velvets waren eine Band, von der ich sagen kann, dass ich die Ehre hatte, von ihnen gelernt haben zu dürfen", räumt er schließlich ein, "und das ist dann schon okay mit ihnen verglichen zu werden. Was aber die Orgel betrifft - oder auch die Flöte oder die Trompete, die du auf der Scheibe hörst. Das sind immer Dinge, die sich für den jeweiligen Song richtig anfühlten. Manche Songs verlangen einfach so etwas. Das ist der Grund, warum diese Instrumente dann da zu finden sind."
Angesichts des Umstandes, dass auf 22 CDs ja einige hundert Songs zu finden sind: Wonach sucht Jonathan denn heutzutage, wenn er Stücke schreibt? "Weißt du, ich schreibe meine Songs weniger als dass sie mich finden", erklärt er, "ich plane dabei nichts, sondern warte, bis mich ein Song findet. Wonach ich aber immer suche, ist das Gefühl - wie ich mich dabei fühle. Das kann ganz spontan sein." Gilt das eigentlich auch für die Geschichten, die Jonathan bei Live-Auftritten zwischen seinen Stücken erzählt. "Ja", gibt er zu, "obwohl es mir manchmal gar nicht klar ist, dass ich Geschichten erzähle. Ich tue es jedenfalls nicht bewusst." Spricht Jonathan eigentlich die ganzen Sprachen, in denen er singt? "Nun, ich kann mich verständlich machen", erklärt er, "es gibt manchmal eben Sachverhalte, die man im englischen nicht so ausdrucken kann - zum Beispiel 'In Che Mondo Viviamo' ("diese Welt, in der wir leben"), das habe ich mal irgendwo gehört und das klingt nur auf italienisch gut. Natürlich lasse ich manchmal die Grammatik von einem französischen Freund überprüfen, es ist aber nicht so, dass ich die Stücke auf englisch schreibe und dann übersetze." Worauf muss man denn achten, wenn man in einer anderen Sprache singt, als der eigenen? "Oh, da darfst du dir keine Gedanken drum machen", erklärt Jonathan, "es muss einfach von Herzen kommen und du musst drauflos singen. Als ich anfing, live in spanisch zu singen, war mir klar, dass die spanisch sprechenden Leute zunächst lachen würden. Darum geht es aber gar nicht." Wir raten mal: Es geht bloß um's Gefühl, gell? "Ja. Die Sache ist nämlich die: Ich plane nie etwas, schon gar keine Konzerte. Auch keine CDs. Für mich ist eine CD immer bloß eine Sammlung von Songs. Wenn immer ich 14 Songs beisammen habe, rufe ich bei Vapor [dem Label] an und sage, dass ich eine Scheibe aufnehmen möchte. Dann gehen wir ins Studio und legen los. Es ist aber so, dass sich hier ständig alles verändert. Auch die neue Scheibe klingt überhaupt nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe. Die Sache kann sich immer noch bis zum letzten Moment ändern." War das zum Beispiel der Fall bei den vier spanisch gesungenen Tracks auf der letzten Scheibe, die wie ein Nachgedanke wirkten? "Ganz genau, das letzte Stück zum Beispiel [singt es vor] haben wir erst aufgenommen, als alles andere schon längst fertig war - einfach deswegen, weil noch ein wenig Band frei war. Es ist auch das erste Mal, dass wir das Stück aufgenommen haben und - ich glaube - auch der erste Take." Jonathan liebt wohl Überraschungen? "Genau, das ist mir sehr wichtig", räumt er ein. Das hört sich ja ganz so an, als entstünden Jonathans CDs quasi aus der Hüfte heraus. "Nun ja, das ist sicher nicht ganz falsch", bestätigt Jonathan, "manchmal machen wir nichts anderes, als einfach das Bandgerät einzuschalten und mitzuschneiden. Du könntest also sagen, unsere CDs entstehen 'aus der Hüfte'. Und ich finde das auch gar nicht negativ, denn so bleibt immer die Spontaneität erhalten und ich bin auch mit dem Sound der jetzigen CD, die ich ja selber produziert habe, so richtig zufrieden."
Jonathan Richman
In der Info zur CD wurde Jonathan so zitiert, dass er gesagt haben solle, er sei deswegen zufrieden, weil er heute wüsste, was er wollte. Heißt das, dass er das früher nicht wusste? "Nun, man darf das nicht so sehen, dass ich niemals gewusst habe, was ich wollte", schränkt er ein, "das galt wohl eher für die frühen Scheiben. Heutzutage geht es mir darum, eine gewisse Stimmung einzufangen und ich denke, das ist uns auf der neuen Scheibe recht gut gelungen." Und diese kommt dem Live-Sound Jonathans sehr nahe. Und wenn man bedenkt, dass sich Jonathan zunächst immer zuerst als Live-Performer gesehen hat, dann macht das ja auch Sinn. Auf eine neue Tour müssen wir indes leider bis zum Frühjahr warten, da der ursprünglich angepeilte Oktober-Termin aufgrund anderer Verpflichtungen leider nicht zustande kommen konnte. Letztlich bleibt noch die Frage, ob wir Jonathan demnächst denn vielleicht noch einmal in einer Filmrolle bewundern dürfen? "Gut, dass du das ansprichst", meint er, "die Farelly Brothers, die ja auch 'Something About Mary' gemacht haben, werden jetzt einen Dokumentarfilm machen - also einen ganz ernsthaften - und dafür werden wir die Musik machen. Da freue ich mich schon sehr drauf." Und wie sieht's mit Jonathan dem Schauspieler aus? "Nun, ich bin ja kein Schauspieler", meint er dann lachend, "aber ich bin jederzeit offen dafür. Und ich denke, dass ich den Erwartungen, die man aufgrund meiner ersten Rolle an mich richten würde, durchaus gerecht werden könnte." Nun gut: In "Something About Mary" wurde Jonathan ja am Ende erschossen. Das sollte machbar sein.
Weitere Infos:
www.sjrp.org
www.base.com/jonathan/jonathan.html
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Jonathan Richman
Aktueller Tonträger:
Not So Much To Be Loved As To Love
(Vapor/Sanctuary/Rough Trade)

 
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