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TWEAKER
 
Late Night Show
Tweaker
"Ich weiß, dass bis zum Tage meines Todes hinter meinen Namen immer in Klammern 'früher bei...' stehen wird, dabei mache ich jetzt so viele verschiedene Dinge". Acht Jahre ist es her, dass Chris Vrenna als Drummer bei Nine Inch Nails ausstieg, trotzdem assoziieren ihn immer noch mehr Menschen mit seiner alten Band als beispielsweise mit seinem neuen Project Tweaker. "Als ich die Band damals verließ, konzentrierte ich mich zuerst auf das Produzieren und Remixen, das führte dann später zu einigen Soundtracks, und Tweaker war das Ergebnis aller vorgenannten Tätigkeiten, denn ich schrieb eine Menge Songs, die allerdings nicht immer für die Projekte geeignet waren, mit denen ich gerade beschäftigt war. All diese Ideen finden sich auf dem ersten Tweaker-Album wieder, das vor drei Jahren erschienen ist."
Die Tatsache, dass "The Attraction To All Things Uncertain" am 11. September 2001 erschien, sorgte dafür, dass die Platte leider ziemlich unterging und in Europa erst gar nicht veröffentlicht wurde. Das ist beim neuen Tweaker-Werk, auf dem sich namhafte Gäste wie Will Oldham, Robert Smith, David Sylvian oder Johnny Marr wiederfinden, anders. Aufgenommen wurde das neue Album größtenteils in nächtlichen Sessions in Chris' Domizil in Los Angeles. Seine Frau litt einige Zeit unter Schlaflosigkeit und wachte jeden Tag um genau zwei Uhr morgens auf. Dieser seltsam anmutende Umstand gab dem neuen Tweaker-Album "2 A.M. Wakeup Call" seinen Titel und sorgt auch musikalisch für eine ziemlich düstere Atmosphäre, obwohl die Platte für einen Mann mit Chris' Vergangenheit ungewöhnlich songorientiert und bodenständig ist. "Die Songs entstanden, indem wir zu zweit im Wohnzimmer saßen und einfach herumklimperten", erklärt Chris. "Dazu kamen dann Piano, Drums, Mellotron oder ein Glockenspiel - alles ziemlich traurig klingende Instrumente, schließlich wollten wir diesen einsamen Late-Night-Sound einfangen." Chris bezeichnet Tweaker als Herzensangelegenheit. Bedeutet das, dass ihm die Band wichtiger ist als seine anderen Projekte? "Nein, das würde ich nicht sagen. Allerdings ist es so, dass all diese Dinge relativ wenig miteinander zu tun haben, was ich aber sehr mag, denn so wird immer ein anderer Teil meines Gehirns beansprucht und ich kann verschiedene Fähigkeiten einbringen. Wenn ich an der Platte von jemand anders arbeite, sind die Songs natürlich schon fertig, und meine Aufgabe ist es, alles zusammenzusetzen. Das hat fast etwas von einem regulären Job, weil man Zeitpläne und Budgets im Auge behalten muss und sicherstellen muss, dass Band und Label zufrieden sind. Wenn man an einem Film, einer TV-Show oder einem Game arbeitet, muss man so vielen Leuten gerecht werden und es ist echte Teamarbeit. Tweaker dagegen bin ich ganz alleine und bin niemandem Rechenschaft schuldig!" Das stimmt inzwischen nicht mehr ganz. Nachdem Tweaker als Ein-Mann-Band gestartet war, hat sich Chris inzwischen mit dem früheren Jack Off Jill-Gitarristen Clint Walsh einen verlässlichen Partner in Crime gesucht, der gleichberechtigt zusammen mit Chris alle Entscheidungen fällt und sich auch soundtechnisch hörbar in die Arbeit einbringt. "Mein Background ist ausschließlich Elektronik und Industrial-Zeug aus den 80ern, Clint kommt dagegen vom Classic Rock: Led Zeppelin, Pink Floyd, all solche Sachen. Also trafen wir uns in der Mitte. Unser Ziel war, eine Platte mit emotionalem Tiefgang zu machen, und ich glaube, dass man die Leute eher mit einer Instrumentierung packen kann, mit der sie vertraut ist und bei der nicht schon die Sounds, die sie hören, eine Herausforderung darstellen."

Chris will seinem Publikum also ein Stück weit entgegenkommen, ohne in seichte Gewässer abzudriften. "Die Musik hier in den USA ist in den letzten Jahren nur Fließbandware gewesen - gemacht von Menschen, die noch nicht einmal Künstler sind. Schau dir doch nur die Leute bei 'American Idol' und all diesen Shows an: Sie verkaufen alle 'ne Million Platten, und alles, was sie dafür tun, ist zuzuhören, wenn ihnen jemand sagt, was sie wie zu singen haben. Ich sage immer: Wenn 'American Idol' schon damals der Maßstab für alles gewesen wäre, hätten es Nirvana nie geschafft. Kurt hätten sie schon in der ersten Woche abgewählt, weil er nicht singen kann. Dafür ist er ein unglaublicher Songwriter gewesen! Das war einer der Gründe für uns, unserer neuen Platte einen eher organischen Sound zu geben. Außerdem wollte ich wieder Schlagzeug spielen." Um seine Visionen zu verwirklichen, hielt sich Chris strikt an die vorher ausgemachte Herangehensweise. "Es war mir wichtig, den Songwriting-Prozess und die eigentliche Produktion der Platte strickt zu trennen. Häufig ist es so, dass jemand beim Songwriting sagt: 'Hier könnte gut ein bestimmter Synth-Bass-Sound passen', und dann hole ich eines meiner zwanzig Keyboards heraus und man verbringt die ganze Nacht damit, nach der richtigen Klangfarbe zu suchen und vergisst darüber den Song an sich. Also haben wir uns ganz zu Beginn gesagt, dass wir nur auf eine begrenzte Auswahl an Sounds zurückgreifen, mit denen wir alle Songs schreiben. Erst als wir dann aus den 20 Stücken, die wir hatten, die richtigen zwölf für die Platte ausgewählt hatten, haben wir uns Gedanken gemacht, wie sie letztendlich klingen sollten. Einige sind dabei eher in die elektronische Richtung gegangen, einige sind sehr organisch geblieben."

Heißt das, Chris ist heute weniger an technischen Neuerungen interessiert und weniger scharf darauf, beim Equipment stets auf der Höhe zu sein als vielleicht früher? "Hm, du stellst wirklich gute Fragen! Ich würde sagen, es spielt heute eine weniger große Rolle, aber ab und zu kommt irgendetwas neu auf den Markt, für das ich mich wirklich begeistern kann. Allerdings ist es so, dass es heute einfach weniger gibt, dem ich meine Aufmerksamkeit widmen will. Heute sind alle so sehr auf die Software fokussiert, dass ich häufig, wenn ich Musik im Fernsehen höre, haargenau weiß, mit welcher Software, sogar mit welchem Preset der Software die Sounds gemacht wurden. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die moderne Technik zur Faulheit verleitet, weil man ohne große Anstrengung schnell etwas raushauen kann. Ich dagegen versuche heute eher darauf zu achten, was mir ein Song bedeutet. Vielleicht verweichliche ich einfach auch nur auf meine alten Tage! Ich mag zum Beispiel auch ganz simple Sachen wie The White Stripes. Klanglich hat die Band unglaublich viel zu bieten - trotz der strikten Beschränkungen. Schließlich nehmen sie alles auf einer analogen Achtspurmaschine auf, und du kannst die verzerrten Höhen bei jedem einzelnen Stück hören, und trotzdem fasziniert mich die Band. Das andere Extrem wären Radiohead, die zwischen den schrägsten Nummern und völlig normalen Songs wechseln, und trotzdem funktioniert es, weil ihre Songs einfach gut sind. Radiohead sind für mich das leuchtende Beispiel einer Band, die klanglich wild experimentieren kann, aber dann auch wieder wunderbar anzuhörende Songs schreibt, die den Leuten etwas sagen. Das zusammenzubringen und das Publikum dennoch immer zu überraschen, weil man nie weiß, wie die nächste Platte klingen wird, ist großartig."

Aber nicht nur Chris selbst, sondern auch die Künstler, die er als Gäste zum Mitspielen einlud, lieben die Abwechslung. "Deshalb hat sich ein Folkie wie Will Oldham auch die heftigste Nummer auf der Platte ausgesucht", glaubt Chris. "Sonst hat er ja nicht die Chance, ein Heavy-Metal-Star zu sein!" Einen Ausblick auf kommende Tweaker-Pläne zu wagen, fällt Chris dennoch schwer. Fest steht, dass Chris ab Juni das aktuelle Album mit einer fünfköpfigen Band als echte Liveperformance ("Es wird keine Computer, keine Sequencer, keine Tapedecks geben! Nichts, was eine 'Play'-Taste hat, ist auf der Bühne erlaubt", sagte Vrenna dazu an anderer Stelle) auf Tour präsentieren wird und dass er hofft, dass nicht wieder drei Jahre zwischen zwei Albumveröffentlichungen vergehen werden. Sicher ist ebenso, dass auch das dritte Tweaker-Werk einen konzeptionellen Rahmen haben wird. "Die Konzepte entstehen zufällig. Sie schleichen sich ein, es ist nicht so, dass ich mich hinsetze und bewusst auf etwas hinarbeite. Irgendwann kommt völlig unerwartet der Moment, in dem mir die Zusammenhänge klar werden! Ich bin mir sicher, so wird es auch wieder sein, wenn wir das dritte Album schreiben!"
Weitere Infos:
www.tweaker.net
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigaben-
Tweaker
Aktueller Tonträger:
2 A.M. Wakeup Call
(iMusic/Pias/Rough Trade)

 
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