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CORALIE CLÉMENT
 
Man spricht, wie man spricht
Coralie Clément
"Coralie ist in Japan sehr erfolgreich", berichtet der Mensch von der Plattenfirma, der dafür gesorgt hat, dass die Scheibe von Coralie Clément nun auch in unseren Landen veröffentlicht wird, "wenn sie wollte, könnte sie dort 18 Monate im Jahr touren. Ich weiß auch woran das liegt - sie hat nämlich sehr große Augen..." Was für Japaner ja immer besonders reizvoll ist. Außerdem spinnen Japaner ja bekanntermaßen. Was uns aber alles nicht stören soll, denn Coralie Clément kommt ja letztlich aus Frankreich und reitet dort momentan ganz oben auf der "Nouvelle Vague" des Chansons. Diese neue Welle wurde maßgeblich ausgelöst von ihrem Bruder, dem Songwriter, Musiker, Arrangeur und Produzent Benjamin Biolay, der in Frankreich momentan als Gottvater des Genres gilt. Hierbei geht es übrigens nicht um staubtrockene Konservierungsversuche des französischen Savoir Vivre in Form altmodisch verklebter und idealisierter Formalismen (womöglich noch in mono), sondern um nicht mehr oder weniger als die Neubelebung des französischen Chansons.
Alleine, mit seiner Partnerin Keren Ann Zeidel oder als treibende Kraft hinter dem überraschenden Comeback des Altmeisters Henri Salvador (ein Coup der nur zu vergleichen wäre mit dem was Ry Cooder mit dem Buena Vista Social Club angestellt hat), sorgt Biolay seit einiger Zeit für Schlagzeilen im Land der Käseliebhaber - und für unglaubliche Umsatzahlen obendrein. Dass er nun auch noch seine Schwester da mit reinzieht, war hingegen überhaupt nicht geplant. Obwohl es eigentlich auf der Hand gelegen hätte, denn in der Familie ist man eh ziemlich musikalisch. Vater Biolay war ein Klarinettist und der Trommler auf einem französischen Kreuzfahrschiff. Coralie selber spielt zumindest Geige und ihr Bruder alles, was ihm in die Hände kommt: Gitarre, Klavier, Trompete, auch Geige, Posaune, Tuba - und sogar die Streichersätze arrangiert er selber.
Coralie Clément
"Die Entstehung der Scheibe war aber dennoch eher ein Zufall", erzählt uns die charmante Coralie die Geschichte des Werkes, "die Stücke hatte Benjamin nämlich eigentlich für ein anderes Projekt geschrieben, was jedoch durchfiel. Als er dann ein Mal bei uns zu Hause war und auf der Gitarre vor sich hinspielte, sang ich einfach dazu, wie das so meine Art ist. Irgendwann kam er dann auf die Idee, dass ich doch eigentlich ganz gut geeignet wäre, diese Songs zu singen. Es wurden dann noch ein paar Stücke dazugeschrieben und dann gingen wir einfach ins Studio und haben die Sachen aufgenommen. Das war ein ganz natürlicher Vorgang, was auch daran lag, dass ich meinen Bruder ja ziemlich gut kenne. Er hat mir dann auch ein paar Sachen auf den Leib geschrieben." Das heißt also, dass diese Scheibe eher in heiterer Gelassenheit entstand, ganz ohne Vorbelastung oder Hintergedanken? "Wie gesagt, es war ein ganz natürlicher Prozess. Vorher habe ich zunächst Theater und dann an der Uni Geschichte studiert und überhaupt nicht daran gedacht, als Sängerin zu arbeiten. Ich muss aber sagen, dass mir das sehr gut gefällt und ich auf jeden Fall auch weitere Platten machen möchte. Ich habe ja keinerlei Gesangsausbildung oder so was. Ich singe also einfach so, wie ich spreche." Das stimmt: Sehr laut spricht Coralie tatsächlich nicht. Und singen tut sie eigentlich auch weniger: Es wird alles eher dahingehaucht - ganz so, wie es in 60s auch üblich war. Wir erinnern uns an Francoise Hardy oder Jane Birkin - das sind ja auch alles keine Sängerinnen in dem Sinne. Zuletzt hat übrigens Isobel Campbell auf ihrer Scheibe "Amorino" mit diesem Ansatz überzeugt. "Ich möchte mich nicht gerne vergleichen", beschreibt Coralie diese Art des Vortrages, "weil das nun mal ganz einfach meine Art zu singen ist, aber für mich ist das sogar ein Vorteil. Ich versuche jedenfalls nicht, wie jemand anderes zu klingen. Man versucht ja auch nicht, wie jemand anderes zu sprechen, nicht? Man spricht, wie man spricht."

Schreibt Coralie denn auch selber Stücke? "Ein wenig, ja", erläutert sie, "auf der nächsten Scheibe wird ein Stück von mir sein, das uns auch sehr gut gefällt. Ich betrachte das als eine Art Verpflichtung, jetzt auch verstärkt selber Songs zu schreiben." Neben der Veröffentlichung der eigenen Scheibe (die bereits aus dem Jahre 2001 stammt) hat Coralie auch einige Stücke in Soundtracks plazieren können. "Ja, da gibt es Verschiedenes", stimmt sie zu, "'Samba Du Mon Coeur Qui Bat' von meiner CD in dem neuen Film mit Jack Nicholson 'Something's Gotta Give' - das wurde aber einfach so ausgesucht. Ich habe aber auch neue Aufnahmen eingespielt für den Film 'L'Idole' von Samantha Lang mit Lelee Sobieski. Da hat Gabriel Yared die Musik gemacht und wir haben dann einen Song in verschiedenen Versionen aufgenommen." Eine in Englisch, nicht wahr? Wird es denn - ähnlich wie im Falle von Keren Ann (oder Julie Delpy, um beim Thema zu bleiben) - auch mal eine ganze Scheibe in Englisch geben? "Nein", lächelt sie, "ich verstehe Englisch nicht sehr gut und spreche es kaum. Das frustriert mich schon sehr. Aber deswegen kann ich keine ganze Scheibe auf Englisch aufnehmen - das wäre unehrlich. Aber das eine oder andere Stück ist schon drin." Wonach sich auch die Frage nach Coralies Gast-Auftritt bei Nada Surf relativiert. Das kam auch über ihren Bruder zustande, der bei dem Track "L'Aventurier" (einer Cover-Version eines Songs der französischen Band Indochine, den Nada Surf in Frankreich als Single herausbrachten) Keyboards spielte und sie dann für den Harmonie-Gesang mitnahm.

Coralie Clément
Wer ist denn "Lou"? Auf verschiedenen Songs der Scheibe taucht dieser Charakter auf. Der Titeltrack ist z.B. ein Brief besagter Lou, während der gleichnamige Song sie selber - Lou - zu zelebrieren scheint. "Lou ist die Person, um die es in den Songs geht", erklärt Coralie, "das Ganze ist nämlich ein Konzeptalbum. Lou ist eine fiktive Figur. Eine junge Frau, die zwar in der Gegenwart lebt, die aber sehr romantisch ist, die Liebe entdeckt usw..." Auf der Scheibe kommen ja einige Tracks im beschwingten Bossa-Nova bzw. Samba Flair daher. Was bedeutet der Samba denn für Coralie? "Nun ja, besonders wichtig ist das nicht", überlegt sie, "es ist eine Welt, die ich auf diesem Album erst für mich entdeckte. Ich habe das vorher gar nicht gekannt. Mein Bruder ist - glaube ich - durch Astrud Gilbert darauf gekommen. Es ist eine schöne Sache - sehr entspannt, sehr fröhlich. Das gibt einen schönen Kontrast zu den Texten, die eher traurig - oder besser - melancholisch sind. Das finde ich sehr interessant." Wenn jetzt der Samba nicht so wichtig ist, was ist denn wichtig? "Ich denke, dass alles wichtig ist", sagt Coralie doch recht bestimmt, "ein gutes Lied, gute Texte und eine schöne Melodie. Ich denke es ist wichtig, dass alles gut anzuhören ist. Denn wenn etwa die Musik verabscheuungswürdig ist, dann hört auch niemand mehr auf die Texte." Was macht denn ein gutes Lied aus? "Ich definiere das für mich immer so, dass für mich ein schönes Lied eines ist, das sich beim ersten Hören festsetzt. Mein Bruder schreibt zum Beispiel Musik und Texte zusammen - was ziemlich selten vorkommt. Und das ist für mich ein gutes Lied: Wenn alles gleichzeitig zusammenkommt und stimmig ist. Da gibt's noch andere Sachen, die dazugehören, aber das ist dann technischer Kram." Was stellt sich denn die Interpretin Coralie Clément beim singen vor? Immer eingedenk, dass die Songs ja ursprünglich nicht für sie geschrieben wurden. "Das ist schwierig zu sagen", überlegt sie, "normalerweise versuche ich durch die Interpretation des Textes die Person zu werden, die da singt." Und diese Texte sind ziemlich einfach gehalten - obwohl die zugrundeliegenden Bilder durchaus recht blumig erscheinen und gewisse Assoziationen hervorrufen: "L'ombre Et La Lumière" - "Der Schatten und das Licht", "Ca Valait La Peine" - "Da geht der Schmerz", "A L'occasion Tu Souris" - "Manchmal lächelst du sogar", "Ces Matins D'été" - "Die Morgen eines Sommers"... Ist das ein Teil des Konzeptes? "Ja, ja, das ist sehr wichtig", stimmt sie zu, "einfach weil ich denke, dass, weil die Texte eben so einfach geschrieben sind, sich jede junge Frau darin wiederfinden kann." Ist das auch der Grund, warum dann eine gewisse Art von Humor in den Texten zu finden ist? "Ja, irgendwie wird ja auch alles mit einem bisschen Humor erzählt, weil es ansonsten doch ziemlich - pffffft - melancholisch wäre. Und Benjamin, der ja die Texte geschrieben hat, hat auch irgendwie eine cineastische Ader, die das dann noch betont." Das wird ja auch noch durch die Spezifika verstärkt, nicht wahr? Es tauchen eine ganze Menge Orte, Szenarien und Namen in den Texten auf, so dass man sich immer gleich ein Bild machen kann. "Ja, das ist wie in einem Film gemacht", stimmt sie zu, "Paris ist ja eine sehr schöne Stadt und diese gibt dann praktisch das Szenario ab. In den 60s gab es ja diese Filme von Truffaut und Godard, die auch das Ambiente zu einem Teil des Ganzen gemacht haben. In unserem Fall ist das das Viertel um den Bahnhof 'Gare de Saint Lazard'."

Wer sind denn Coralies Idole oder Vorbilder? "Ich habe keine Idole", meint sie keck, "es gibt Leute, die ich sehr gerne mag - Serge Gainsbourg, Francoise Hardy oder auch jüngere französische Sänger. Das hängt immer davon ab, ob mich deren Musik berührt, wie sie denken, oder ob mich deren Geschichte interessiert. Als ich zum Beispiel klein war, habe ich Serge Gainsbourg für mich entdeckt und habe mich ein wenig in ihn verliebt..." Was haben Benjamin und Coralie denn gemacht, um die Sache nicht in eine süßliche Verklärung und bloße Reminiszenz an die 60er ausarten zu lassen? "Nun ich denke, dass die Art, die Instrumente zu spielen, heutzutage eine ganz andere ist", überlegt Coralie. Geht es vielleicht um die Streicher, für die ja auch ihr Bruder die Arrangements schrieb? "Ja, unter anderem - obwohl Gainsbourg hat auch schon so was gemacht. Ich denke aber, dass sich Benjamin eher an der Klassik orientiert hat. Ach ja: Und letztlich sind die Worte auch moderner. Man hat mir erzählt, dass nicht jeder in Deutschland französisch spricht, deswegen hoffe ich, dass sich die Leute hierzulande am ehesten durch die Musik angezogen fühlen werden." Wie geht es denn jetzt weiter? Die Aufnahmen zu "Salle Des Pas Perdus" liegen ja bereits zwei Jahre zurück? "Ich arbeite gerade an einem neuen Album. Es ist ein wenig verschieden, aber ich möchte mir auch treu bleiben. Danach möchte ich ein wenig im Kino arbeiten - als Schauspielerin in einem französischen Autorenfilm. Ich habe das bislang noch nicht gemacht, aber ich habe eine Zeit lang Theater gespielt und das hat mir sehr gefallen. Es gibt bestimmte Filme, die ich verehre - ich liebe, liebe, liebe 'Jules & Jim', ich mag 'A Bout Du Souffle' ('Außer Atem'), und 'Swimming Pool' von Francois Ozon und überhaupt neue französische Filme, die psychologisch sehr anspruchsvoll sind. Jemanden vollkommen anderes zu spielen ist sehr interessant und das reizt mich sehr... Und ich hoffe, demnächst auch auf Tour kommen zu können. Ich bin in Japan mit einem Quintett auf Tour gewesen, aber ich denke, dass es hier mit einem Trio sein wird - Piano, Gitarre, Stimme." Das letzte Stück der CD, "Mes Fenêtres Donnent Sur La Cour" - "Meine Fenster weisen auf den Hof" - ist vielleicht das musikalisch schönste Stück, fällt aber ein wenig aus dem Rahmen, weil es doch düsterer ist, als die anderen. Warum ist dieses gerade dieser der letzte Titel auf der CD? "Es ist das letzte Lied, weil auch ich finde, dass es das schönste ist", pflichtet Coralie bei, "es ist zwar ein wenig düsterer - oder vielleicht besser 'melancholischer' - als die anderen, aber es gibt auch gleichzeitig einen Hoffnungsschimmer. Deswegen ist es ein versöhnlicher Schlusspunkt, wie ich denke. Ich habe mir dabei eine verlassene Tanzschule vorgestellt, wie ich das gesungen habe. Das hat mich dann so traurig gestimmt, dass ich dabei in Tränen ausgebrochen bin." Sagt sie und deutet dabei auf ihre - zugegebenermaßen - großen Augen. Was ja wohl bedeutet, dass das dann - nach Coralies Definition - ein gutes Stück sein muss. Coralie Clément, so scheint es, verkörpert in idealer Weise die neue Generation französischer Sängerinnen, die sich ohne Berührungsängste und vor allen Dingen unverklärt dem Metier nähern und so frischen Wind in das Genre hauchen. Wer sich für das, was Künstlerinnen wie Julie Delpy, Francoiz Breut, letztlich auch Jane Birkin - oder auch Isobel Cambell - machen, begeistern kann, der darf an Coralie Clément nicht vorbeigehen...

Weitere Infos:
coralieclement.free.fr
www.uwe-kerkau-promotion.de/coralie_clement.shtml
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Coralie Clément
Aktueller Tonträger:
Salle des pas perdus
(Capitol/EMI)
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