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CLEM SNIDE
 
Weich in der Birne?
Clem Snide
"Soft Spot" heißt das neue Album von Clem Snide aus New York - d.h. genauer aus Brooklyn. Denn, so sagt Eef Barzelay, Chefautor und Motor des Ensembles: "Das letzte Album 'The Ghost Of Fashion' war eine Manhattan-Scheibe und diese enthält Brooklyn-Songs." Solch feine Nuancen kann nur jemand goutieren, der die feinen Unterschiede (für die Betroffenen sind es natürlich große Unterschiede) kennt, die die Zentral-Insulaner von den Festlands-New Yorkern unterscheiden. "Soft Spot" - was aber nun keineswegs bedeutet, dass es um die Schwächen von Eef & Co. geht - so könnte eine Übersetzung des Begriffs lauten. Eher handelt es davon, weich in der Birne zu sein, wie uns Eef erläutert, als wir ihn unwissend fragen, was denn seine Schwächen sind...
"Was meine Schwächen sind? Das ist eine gute Frage. Ich bin mir nicht sicher. Es sind vielleicht meine Frau und mein Baby. Der Titel kommt daher. Kennst du den Begriff 'Fontanelle'? Das ist der Titel eines Songs auf der neuen Scheibe. Es ist außerdem diese weiche Stelle am Kopf eines neugeborenen Kindes, wo die Schädelplatten noch nicht zusammengewachsen sind. Als wir uns das letzte Mal zu 'Ghost Of Fashion' unterhielten, erzählte ich dir ja, dass ich die meisten der Songs auf dem neuen Album bereits geschrieben hatte. Ich hatte beschlossen, die Songs, die ich damals hatte, in zwei Gruppen zu unterteilen. Die schlechten - also die über Eitelkeit, Liebe aus falschen Gründen und Enttäuschungen kamen auf die letzte Scheibe, die guten - die eher selbstlos und großzügig erschienen - kamen auf diese Scheibe. Diese Songs wurden offensichtlich davon inspiriert, dass ich heiratete und ein Baby bekam. Und der besagte 'Soft Spot' ist eine schöne Metapher dafür, offen, verletzlich und unschuldig zu sein." Wenn "Ghost" nun eine sehr dezidierte Manhattan-Scheibe ist, was ist dann "Soft Spot" mit seiner am unverbindlichen grenzenden, heitern, sommerlichen Stimmung? "Ich weiß nicht. Vermutlich hängt das mit dem Produzenten, Joe Chicarelli [Frank Zappa, Elton John], zusammen. Das war das erste Mal, dass wir mit einem erfahrenen Produzenten der alten Schule zusammenarbeiteten. Das war spannend, weil wir uns viel über alte Soul-Sachen unterhalten hatten. Er schlug dann vor, ein wenig davon in unsere Musik einzubringen. Wir haben auch einen neuen Bassisten, Brendan, er ist ein eher souliger Bassist. Ich habe das nicht geplant, dass die Scheibe so klingt." Moment mal: Eef Barzelay, als Songwriter, gibt zu, dass ein Bassist wichtig für den Sound einer Band ist? Das ist ja recht ungewöhnlich. "Aber ja doch. Es ist doch unfair zu sagen, dass ein Bassist unwichtig ist. Ich arbeite ja so, dass ich Songs alleine auf der akustischen Gitarre schreibe. Das bedeutet, dass alle Songs anfangs auch ziemlich ähnlich klingen. Ich arbeite mit meinen Musikern ja schon sehr lange zusammen und ich traue ihnen auch. Also lasse ich sie tun, was immer sie möchten, und erst so entstehen die fertigen Songs. Das ist für mich auch sehr spannend zu sehen, wie ein Song auseinandergenommen wird und etwas Neues entsteht, was ich nicht erwartet habe. Es ist nämlich so, dass, wenn immer ich versuche, etwas zu kontrollieren, es am Ende nicht funktioniert. Ich muss immer loslassen."
Clem Snide
Das heißt, dass die eher überraschenden kleinen Zutaten auf der Scheibe von der Band kommen? "Ja, es hilft, dass Jason Glasser an den Keyboards - oder besser Samplers - dabei ist. Er und Pete, der Gitarrist, sind wahre Meister darin, atmosphärische Sounds zu schaffen. Ich ermutige das sogar." Es gibt sogar Bläser auf "Soft Spot" - ist das eine Referenz an die Soul-Sachen? "Ja, aber die Bläser funktionierten nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Es sind nur ein paar Leute, weil wir nicht das Budget hatten, eine ganze Bläsertruppe zu engagieren. Das ist aber ein großer Bestandteil von Clem Snide: Wir müssen dann irgendwie sehen, wie wir das Gewünschte auf andere, ungewöhnliche Weise hinbekommen. Das finde ich schon sehr wichtig und spannend. Jeder soll das, was er kann, zum Song beitragen. Die Stücke, die ich schreibe, sind ja relativ simpel - da gibt's jede Menge Raum, diese auf alle möglichen Arten auszubauen." Nun, Eefs Songs mögen ja simpel sein, letztlich haben sie aber doch so viele Schichten und Ebenen, dass man das gewiss nicht bemerkt. Das gilt auch für seine fast philosophischen Texte, die sich, sofern es nicht (wie bei "Ghost") mit der Beobachtung und Beschreibung von mehr oder minder interessanten Charakteren beschäftigen, mit Fragen allerart auseinandersetzen. Der Song "Strong Enough" handelt z.B. von dem Thema "Zweifel" - es geht um eine Liebe, die stark genug ist, auch Zweifel zu vertragen. "Das ist einer meiner Lieblingssongs. Es gibt Momente, wenn dir Zweifel daran kommen, ob du die Person, mit der du zusammen bist, wirklich liebst. Die Aussage des Songs ist nun die, dass es um eine Liebe geht, die genau diese Zweifel aushält. Ich glaube, ich habe es von Dostojewski gestohlen, der gesagt hat, dass ein Glaube ohne Zweifel ein toter Glaube sei. Man sollte also immer zweifeln! Eines der Themen auf dieser Scheibe ist definitiv wie die Liebe den Lauf der Zeiten übersteht. Das ist übrigens auch der Grund für dieses Motiv auf dem Cover: Ein altes Foto, das eine gewisse Würde ausstrahlt und zeigt, dass es auch früher schon Menschen gegeben hat, die geliebt haben."
Clem Snide
Auf "Ghost" war es ja - wie angedeutet - so, dass Eef ÜBER Leute sang. Auf "Soft Spot" scheint er hingegen ZU jemandem zu singen (etwa als Teil einer Konversation). "Diese Scheibe ist definitiv eher aus der ersten Person geschrieben - es gibt nicht so viele Charaktere und sie ist intimer. Es war jetzt nicht direkt eine bewusste Entscheidung, denn ich denke, dass auch wenn ich über irgendwelche Typen singe, es immer noch recht persönliche Dinge sind, um die es geht." Das heißt, Eef plant sein Songwriting nicht im voraus? "Es ist so, dass ich alle zwei drei Monate einen Rappel kriege, seltsame Träume bekomme und ein paar Songs auf einmal schreibe - und dann lange Zeit gar nicht. Wenn du mir aber 10 000 Dollar gibst und sagst, ich solle einen Song dieser oder jener Art schreiben, bin ich sicher, dass ich das könnte." Und wenn's kein Geld gäbe? "Dann würde es etwas länger dauern." Geht es Eef darum, möglichst zeitloses Material zu schaffen? "Ja, was ich mir letztlich gerne anhöre sind Sachen wie Little Jimmy Scott, Chet Baker, Richie Valens, Buddy Holly - diese prä-Bob-Dylan Songwriter, die dazu tendierten, ein wenig einfacher und naiver und unschuldiger zu schreiben. Meine Inspiration kommt eher daher. Je einfacher, desto besser. Auch Bob Dylan-Songs sind ja einfach - wenn auch die Texte komplex sein mögen. Dieses Mal wollte ich jedenfalls die Sache so einfach wie möglich halten. Ich wollte mal sehen, ob ich ein klassisches, zeitloses Album mit Liebesliedern machen kann. Nachdem ich das gesagt habe, muss ich gleich anfügen, dass das nächste Album wieder ganz anders klingen wird. Ich habe die Songs praktisch schon fertig und glaube, dass das nächste Album sich mit dem Thema 'Tod' beschäftigen wird. Mit 'Tod' und 'Gott'. Ich möchte jedenfalls jedes Album einzigartig machen und mich nicht wiederholen."
Weitere Infos:
www.clemsnide.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Clem Snide
Aktueller Tonträger:
Soft Spot
(Fargo/Zomba)
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