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APPLETON
 
We're no Divas!
Appleton
Also, wie soll man das jetzt erklären? Normalerweise scheuen wir ja auf Gaesteliste.de davor zurück, allzu mainstreamige und kommerzielle Themen zu bedienen. Aber andererseits sind wir uns hier alle einig: Von all den synthetischen Kunstprodukten, mit denen die Industrie herumhantiert, waren die All Saints immer diejenigen, bei denen man eben nicht nur hinsehen, sondern auch hinhören konnte. Spätestens nachdem William Orbit "Pure Shores" adelte, spürte man, dass da doch ein gewisses kreatives Potential vorhanden schien. Dass dem tatsächlich so ist, zeigen nun - nach dem Auseinanderbrechen der All Saints - die Appleton Sisters mit ihrem Projekt "Everything's Eventual", das sich als so etwas entpuppt wie eine universelle, moderne Pop-Scheibe - die auch gar nicht mehr sein möchte. Auf "Everything's Eventual" haben die Schwestern - was das künstlerische Konzept betrifft - "die Hosen an". Vereinzelt wurde den Appletons quasi vorgeworfen, dass sie es wagten, ihr Projekt herauszubringen, ohne vorher irgendwelche Songwriting-Credits vorzuweisen zu haben. Doch ganz so einfach ist das nicht, denn sowohl Nicole, wie auch Natalie schrieben auch schon bei den All Saints an Texten herum - die jedoch nie veröffentlicht wurden.
"Ich weiß nicht wie ich es formulieren soll", sagt Natalie Appleton auf dieses Thema angesprochen, "aber wir hatten keine sehr große kreative Kontrolle bei den All Saints. Ich meine, es war gut, wir mochten die Saints und die Songs waren in Ordnung - aber zu sagen hatten wir nicht viel. Deswegen ist es auch wichtig, dass dieses Projekt unser Ding ist und wir es auf die Art machen konnten, wie wir wollten. Das ist auch der größte Unterschied zu den All Saints." Und das ist auch das, was Natalie offensichtlich am meisten am Herzen liegt, denn alle Fragen, die sich z.B. auf den kreativen Prozess beziehen, beantwortet sie ziemlich defensiv - vermutlich deshalb, weil Appleton diesbezüglich mit den größten Ressentiments zu kämpfen haben. Auf die Frage z.B., wie denn die Songs für das neue Album ausgewählt wurden, reagiert sie geradezu allergisch. "Es ging nicht darum, irgendwelche Songs auszuwählen. Es ging nur darum, es zu tun! Wir haben mit verschiedenen Produzenten zusammengearbeitet und uns von diesen inspirieren lassen. Wir haben geschrieben, was wir gefühlt haben und was uns gefallen hat, wir haben experimentiert und es gab keine Regeln. Es ging nur darum, Musik zu schreiben, die wir selber mochten und ein möglichst gutes Album zu erstellen. Das ist im wesentlichen das, was passiert ist. Noch mal: Es ging nicht darum, etwas auszusuchen, sondern etwas zu erschaffen!" Wie lief denn der Prozess ab? "Wir bekamen alle mögliche Musik von allen möglichen Leuten zugeschickt. Wir haben dann nach den interessantesten Sounds gesucht - denn das war das, was uns dann inspiriert hat. Wir haben dann Musiker über eine Audition zusammengestellt um eine Band zu haben, mit der wir Gigs spielen können."
Die Texte - die ziemlich genau zur Hälfte von Natalie und Nicole geschrieben wurden, könnte man als typische Pop-Lyrics bezeichnen. Es sind einfache Geschichten in simplen Worten, die aber am Ende doch etwas zu sagen haben. Wie entstanden diese? "Es ging dabei mehr um Gefühle als etwa bestimmte Situationen. Die Situationen entwickelten sich später. Aber zunächst einmal ging es - zumindest bei mir - darum, wie ich mich fühlte, als ich den Song schrieb. Das war ein befreiendes Gefühl und ich wurde auch stärker durch diesen Prozess. Einige Texte basieren schlicht auf Fakten, einige sind einfach ausgedrückte Gefühle. Es sind einfach Erfahrungen." Und wie kommen die Texte und die Musik zusammen? "Das kommt drauf an. Manchmal hat man ja keine Musik zur Hand, wenn dir etwas einfällt - z.B. abends im Bett - dann habe ich einfach zu meinem Aufnahmegerät gegriffen und da reingesungen. Andererseits kann es aber auch von Vorteil sein, wenn die Musik bereits da ist, weil Musik Gefühle hervorrufen kann und man darauf reagieren kann. Man kann also auf beide Arten arbeiten." Auch wenn die Musik des Albums vorwiegend von anderen geschrieben wurde - die wichtigen Entscheidungen wurden wohl von Nicole und Natalie getroffen. "Wir waren in jedem Schritt der Produktion involviert", erklärt Natalie, "wir waren z.B. dabei, als die Scheibe gemastered wurde. Wir sind ja nicht wirklich Musikerinnen, aber du brauchst keine Musikerin zu sein, um den Klang von irgendetwas beurteilen zu können. Ich z.B. wusste ganz genau, wie es klingen sollte, ich kenne mich mit Beats aus. Du brauchst nicht zu wissen, wie man eine Gitarre spielt, du brauchst nicht mit einem Computer umgehen zu können. Wir haben eben mit dem Mixern und Engineers zusammengearbeitet und ihnen gesagt, wie es klingen soll. Wir hatten die absolute Kontrolle." Beinahe klingt das nach einer Entschuldigung - was aber gar nicht nötig erscheint, denn die Scheibe hat viele schöne Details, die definitiv Appleton-spezifisch sind. Z.B. die vielschichtigen und dennoch - im Vergleich zu amerikanischen R'n'B'-Produktionen überschaubaren Vokal-Arrangements. "Ach, das sind einfach wir", spielt Natalie das runter, "wir sind keine Divas, wir sind nicht Whitney Houston oder so. Wir fühlen, was wir singen. Ich sage nicht, dass wir die besten Stimmen haben, aber es kommt alles von Herzen." Was war denn am schwierigsten bei diesem Prozess? "Am schwierigsten? Hm. Die Scheibe wegzugeben und sie andere Leute hören zu lassen und zu erfahren, was sie dazu zu sagen hätten. Das Schönste auf der anderen Seite war einfach es zu tun. Abends aus dem Studio zu kommen und zu sagen: 'Schau, was wir geschafft haben' - der ganze kreative Prozess. Das war fast wie eine Geburt."
Appleton
Bleiben wir mal bei dem Thema: Wie bringt man denn das Familienleben mit der Karriere unter einen Hut (Beide Appletons sind ja jeweils mit einem Liam liiert - der von Nicole ist ein gewisser Gallagher - und haben Kinder)? "Wir können uns den Luxus erlauben, unsere Familien mitzunehmen wenn wir arbeiten", erklärt Natalie, "diese Möglichkeit hat ja nicht jeder, deswegen schätzen wir uns auch sehr glücklich. Es ist also für uns recht einfach. Das härteste an diesem Job ist das Fliegen. Ich hasse es nämlich zu fliegen. Das ist es dann aber auch schon. Alles andere ist wirklich großartig." Nicole und Natalie spielten ja - zusammen mit Melanie Blatt von den All Saints - in der charmanten englischen Gaunerkomödie "Honest" die Hauptrollen. Käme so etwas denn noch einmal für die Mädels in Frage? "Oh ja, absolut, warum denn nicht?", meint Natalie begeistert, "das hat so viel Spaß gemacht. Das war die beste Zeit in meinem Leben, das war großartig. Das schöne daran war, dass man es nicht ernst nehmen musste. Der Film war ja eine Komödie. Dieses Erlebnis ist eine großartige Erinnerung für mich und ich würde es jederzeit wieder machen." Mit wem würden denn die Appletons mal gerne musikalisch zusammenarbeiten? "Der erste, der mir da in den Sinn käme, wäre Dr. Dre", meint Natalie spontan, "ich denke, er ist ein Genie. Alles, was er anfasst, verwandelt sich in Gold, es wäre das Größte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nun ja: Träum weiter, Natalie!" Als jemand, der schon länger im Geschäft ist: Welchen Ratschlag hätten denn die Appletons für junge Talente, die es in dem Business zu etwas bringen wollen? "Es ist schwer, einen Ratschlag zu geben", schränkt Natalie ein, "ich denke aber, es muss jeder auf seine Weise lernen. Ich bin diejenige, die ich bin, weil ich es auf die harte Tour lernen musste. Ich denke, dass es dich manchmal stärker machen, wenn du quasi blind an die Sache herangehst. Lerne es auf deine eigene Art!"

Wie sieht's denn aus mit den gerade populären Casting Shows à la "Deutschland sucht den Superstar"? "Das ist sehr gute Fernsehunterhaltung", meint Nicole, "ich mag immer die ersten Auditions, wo jeder mal ran darf - das ist immer toll. Du musst dir natürlich immer bewusst sein, dass es eine Fernsehsendung ist. Aber das Fernsehen ist ja auch eine globale Macht." Wie soll denn die nächste Scheibe werden? "Das kann ich noch nicht sagen", überlegt Natalie, "aber ich bin sicher, es wird etwas komplett anderes sein." Ist es wichtig, seinen Stil weiterzuentwickeln? "Ich denke noch nicht, dass wir einen richtigen Stil haben. Aber was immer du machst, baut auf dem auf, was du vorher getan hast. Ich z.B. möchte mehr glückliche Liebeslieder schreiben. Alle meine Songs sind immer so düster. Und es gibt nichts Schwierigeres, als ein fröhlichen Liebeslied zu schreiben..." Gemessen an dem, was die Appletons bislang im Leben und im Business erreicht haben, erscheinen die Damen vergleichsweise bodenständig. Zumindest scheinen sie den Kontakt zur Realität noch nicht verloren zu haben. Und das Ergebnis - "Everything's Eventual" ist eine der wenigen kontemporären Mainstream-Pop-Scheiben, deren sich niemand zu schämen braucht. Insofern hat uns also der redaktionsinterne Instinkt scheinbar wirklich nicht getäuscht.

Weitere Infos:
www.nicoleandnatalieappleton.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Appleton
Aktueller Tonträger:
Everything's Eventual
(Polydor/Universal)

 
 

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