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JOE JACKSON BAND
 
Die guten 15%
Joe Jackson Band
Also eines kann man Altmeister Joe Jackson nun wirklich nicht vorwerfen: Dass er nämlich musikalisch irgendwie auf der Stelle träte. Es gibt ja praktisch nichts, was der Mann noch nicht gemacht hat: Mit den Wurzeln im Jazz begann Joe in den 70er Jahren mit der Joe Jackson Band und den Tonträgern "Look Sharp", "I'm The Man" und "Beat Crazy" (und zunächst vereinzelt gar als "musikalischer Handwerker" verlacht) eine erstaunliche Karriere. Diese führte ihn über eine bunte Palette musikalischer Ausdrucksmöglichkeiten - Pop, Rock, Swing, Jazz, Filmmusik, Symphonie - mit "Volume IV", dem aktuellen Album der ursprünglichen Joe Jackson Band, jetzt quasi an den Ausgangspunkt zurück. Das ist insofern erstaunlich, als dass man ja aufgrund von Joes unberechenbaren stilistischen Fingerübungen stets des Eindrucks erlegen sein musste, dass der Mann sich ständig selbst neu definieren müsse. Dass er jetzt - zwar ohne Wehmut oder Verklärung, aber immerhin - zurück schaut, überrascht doch ein wenig. Und wenn man sich die Re-Unions der letzten Zeit anschaut - nehmen wir z.B. die auch die von Gaesteliste.de kommentierten der Bangles oder der Yardbirds - so musste man ja in diesen Fällen den Eindruck gewinnen, dass man hier bemüht erschien, verpasste Gelegenheiten von früher nachzuholen und die Fehler von damals auszubügeln.
Das kann ja bei Joe wohl nicht der Grund gewesen sein, oder? "Die Yardbirds haben sich wieder zusammengetan?", grinst Joe und rollt mit den Augen. (Warum, wird uns später klar, als er beim Konzert "For Your Love" spielt). "Nein, ich wollte bestimmt keine Fehler ausbügeln. Der Grund, warum wir wieder zusammengekommen waren ist der, dass es in der Vergangenheit gut war! Der Haupt-Beweggrund war aber, etwas Neues zu machen. Das Element der Nostalgie sollte zwar da sein, aber das ist sekundär. Es sollte etwas Neues entstehen." Muss man denn dazu ausgerechnet zurückblicken? "Nun, für gewöhnlich schaue ich ja auch nach vorne", schränkt Joe ein, "ich denke aber, es ist unmöglich, immer und nur nach vorne zu gehen. Das kann niemand." Das ist sicherlich ein interessanter Gedanke - der unter anderem auch so einiges erklärt. So gesehen auch, dass jemand überhaupt etwa einen persönlichen Stil entwickeln kann. Joe hat sich ja in diversen Interviews bereits als intelligenter Vordenker dargestellt, der indes nicht so gerne über seine Musik redet und diese erklärt (außer vielleicht beim Konzert dem Publikum gegenüber). Deswegen überrascht es auch nicht wirklich, dass er auf Fragen wie "Wie schreibst du denn deine Songs?" oder "Warum machst du dies und jenes?" mit "Ich weiß es nicht!" antwortet. Deswegen lassen wir das auch lieber erst mal. Vielleicht stattdessen noch mal zurück zur Re-Union: Wie lief diese denn ab? War das eher eine zufällige Sache? "Wie kann denn eine Re-Union zufällig sein? Du kannst doch nicht vier Leute zufällig zusammenbekommen", antwortet Joe - gerade so, als gäbe es da nicht diese Stories von Musikern, die sich nach Jahren in einer Kneipe zufällig über den Weg laufen und dann beschließen, die alten Zeiten wieder hochleben zu lassen, "nein, das war meine Entscheidung. Ich habe die anderen Musiker - Graham Maby, David Houghton und Gary Sanford eingeladen, wieder zusammenzuspielen. Sie waren auch alle Feuer und Flamme und deswegen hat es geklappt. Wenn einer abgelehnt hätte, wäre es nicht passiert. Der Anlass war das 25. Jubiläum. Wir haben uns bevor wir ins Studio gingen getroffen, um die alten Stücke live aufzuführen [zu begutachten auf der Live-Bonus-CD der limited Edition des neuen Albums]. Denn das, was am meisten Spaß macht - heute wie damals - ist das Live-Spielen. Es ist immer das Live-Spielen!" Auf die Frage, was sich denn seit damals geändert habe, meint Joe, dass das so viel sei, dass er gar nicht wisse, wo er anfangen solle und es deshalb auch gar nicht erst versuchen wolle. Versuchen wir es also mal anders herum: Gibt es denn irgendetwas, was in den letzten 25 Jahren besser geworden ist? "Ich schätze schon", überlegt er dann einen Moment, "ich mag es nicht in der Position des 'sozialen Kommentators' zu sein, weißt du? Ich bin ja keine Autorität auf dem Gebiet dessen, was gerade passiert. Also würde ich sagen, dass ich als Songwriter, Musiker und Songwriter besser geworden bin. Die Musiklandschaft ist definitiv nicht besser geworden. Darüber brauchen wir nicht zu reden. Jeder weiß das. Es mag vielleicht das eine oder andere Gute passieren - aber generell ist dies nun wahrlich nicht etwas, was man als 'goldenes Zeitalter' bezeichnen würde." Das Alter ist also insofern mal ein Vorteil? "Ja, obwohl das nicht jeder so sieht."
Joe Jackson Band
Kommen wir noch mal auf das Thema des Songwritings zurück: Auch auf Joes neuer Scheibe finden sich ja wieder Songs über alle möglichen Themen. "Denkst du denn nicht ständig über viele verschiedene Themen nach?", fragt Joe - präventiv die Frage abwehrend, wie er diese Themen denn wohl fände, "ich denke über viele verschiedene Sachen nach, also schreibe ich auch über sie. Ich bin der Meinung, man sollte in der Lage sein, einen Song über wirklich jedes Thema schreiben zu können. Außer vielleicht einer Sache: Ich erinnere mich bei den letzten Interviews hier in Köln dachte ein Kollege von dir, all die Songs auf dem neuen Album handelten von der Musikindustrie. Ich weiß nicht wie er drauf gekommen ist, aber er hatte sich das alles zurecht gelegt. Das ist nun wirklich ein Thema, über das ich niemals etwas schreiben würde." Ist Joe denn einer derjenigen, die ständig schreiben? "Nein. Ich schreibe ohne jedes Muster - aber für gewöhnlich in Pulks - manchmal sehr viel, dann wieder einige Zeit lang gar nichts. Frag mich aber nicht, woran das liegt..." Okay. Fragen wir dann also lieber mal, wie denn ein Song bei ihm entsteht - womit er z.B. anfängt? "Das könnte alles mögliche sein", überlegt Joe, "es könnte z.B. eine kleine Melodie sein, eine Textzeile, der Titel - diverse Stücke, wie 'Love Of First Light' beginne ich mit dem Titel - und der Idee, die dieser Titel präsentiert. 'Take It Like A Man' begann mit einem kleinen Piano-Riff, 'Still Alive' mit einer Gitarre und 'Thugs Are Us' mit einem Basslauf - den ich dann mit einem Text kombinierte, der eigentlich für eine andere Musik gedacht war. Von 'Bright Grey' hatte ich zuerst ein paar Textzeilen im Kopf. Also ist alles ziemlich verschieden. Jeder Song beginnt irgendwo anders. Der Prozess ist für mich irgendwie so, als setzte ich ein Puzzle zusammen." Was ist denn am schwierigsten? "Die Texte. Immer", sagt er bestimmt, "manchmal streiche ich ganze Strophen aus und fange von neuem an. Ich arbeite so lange daran, bis die Texte natürlich und einfach klingen. Wenn du mal überlegst, gibt es gar nicht so viele Leute, die gute Texte schreiben. Auch wenn du mal die nimmst, die interessante Texte verfassen: Manchmal klingen die seltsam, unnatürlich, unfertig. Das ist weird. Ich finde dann eigentlich immer die besser, die gar keinen Sinn machen, aber gut klingen. Ich lege für mich immer großen Wert darauf, dass meine Texte interessant sind UND sich gut singen lassen. Das macht es zwar schwieriger für mich, aber so bin ich nun mal." Und Sinn machen, tun sie doch auch, oder? "Oh ja, sie machen absolut Sinn und haben auch immer etwas zu sagen, aber gleichzeitig sollen sie eben auch gut klingen." Was für eine Funktion haben denn die Texte für Joe? "Ich habe absolut keine Ahnung. Ich glaube sie brauchen keine Funktion zu haben. Du musst ja keine Wörter haben. Ich habe ja auch Musik ohne Wörter geschrieben. Es ist interessant genug, Wörter und Musik zu kombinieren. Da brauchst du keine Agenda zu haben, der du folgst - oder irgendeine bestimmte Philosophie. Ich habe jedenfalls niemals in diesen Begriffen gedacht."
Joe Jackson Band
Gibt es denn für jemanden, der musikalisch ja doch sehr vieles bereits abgedeckt hat noch Träume? "Ich weiß nie, was ich als nächstes machen werde - auch nicht nach dieser Scheibe. Aber ich möchte irgendwann mal etwas im Theater machen. Ich weiß nicht was, aber die Leute sagen mir seit 20 Jahren, dass ich mal so etwas machen sollte. Ich habe mich schon mit Regisseuren und Produzenten getroffen - bislang ist aber noch nichts draus geworden. Vielleicht deswegen, weil mir nicht ganz klar ist, was es sein sollte. Es soll jedenfalls keine Broadway Show werden. Aber ich will so was mal versuchen. Ich würde auch gerne mehr Film-Musik machen oder mehr Symphonien schreiben. Die ganze Musik-Sache ist sehr intuitiv - ich habe da großartig keinen Plan." Was ist denn an der Filmmusik (Mike's Murder, Tucker) so interessant? "Es ist schön, musikalisch auf mehr als eine Weise arbeiten zu können. Das schwierigste dabei ist, mit so vielen Leuten zusammenzuarbeiten zu müssen. Aus diesem Grunde könnte ich auch nicht die ganze Zeit als Filmkomponist tätig sein. Das würde mich verrückt machen. Manchmal ist das aber auch ganz gut, weil ich ja ansonsten immer der Boss bin. Ab und an auch mal etwas auf gemeinschaftlicher Basis zu machen, ist gut." Was uns wieder zurück zur Joe Jackson Band bringt: Wie ist denn da die Aufgabenteilung. Was tragen denn die Musiker zum Gelingen bei? "Lass mich das mal so erklären: Ich schreibe ein Drehbuch und dann muss ich mir die richtigen Schauspieler für die Parts aussuchen. Wenn du dann die richtigen Schauspieler hast, ist alles viel einfacher. Und das Projekt wird gleich lebendiger. Das ist es, worum es bei dieser Band geht. Die anderen schreiben also nicht ihren eigenen Dialog - es sind ja eben keine Schreiberlinge - sondern sie sind die richtige Besetzung und interpretieren dann ihre Rollen." Wird es denn weitere Joe Jackson Band Alben geben? "Nein, das soll eine einmalige Sache sein." Die letzte Frage ist dann ja fast verwegen: Was nämlich Joe Jackson zu seiner Musik inspiriere. "Ich weiß es nicht", antwortet er nicht eben überraschend, "ich möchte einfach gute Musik machen. Weißt du, Duke Ellington hat einmal gesagt, es gäbe nur zwei Arten von Musik - gute und schlechte. Ich denke, er lag falsch damit. Denn wenn du es dir mal richtig überlegst, gibt es doch viel Musik, die nicht wirklich schlecht ist, aber auch nicht wirklich gut - es ist irgendwie Mittelmaß. Ich fürchte, dass sogar die meiste Musik so ist. Du hast ca. 15% schlechte und 15% gute Musik - der Rest liegt dazwischen. Das ist jedenfalls meine Theorie zu dem Thema. Ich möchte zu den guten 15% beitragen."
Weitere Infos:
www.joejackson.com
www.jj-archive.net
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Tom Sheehan-
Joe Jackson Band
Aktueller Tonträger:
Volume IV
(Rykodisc/Zomba)

 
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