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THE FOLK IMPLOSION
 
"Ich will gar nicht wissen, was irgendjemand über mich denkt!"
The Folk Implosion
Auf rund 20 Platten findet sich Lou Barlows Name bereits wieder, doch nach seinem letzten Album der Folk Implosion vor drei Jahren - zugleich das erste seiner Karriere, das in den USA auf einem Majorlabel herauskam - schien plötzlich Schluss zu sein. Sein Folk-Implosion-Partner John Davis kehrte dem Musik-Biz den Rücken, Sebadoh lösten sich auf, und das Album seines Soloprojekts Sentridoh wurde ohne großes Tamtam veröffentlicht. Nun meldet sich Barlow mit "The New Folk Implosion" in einer Besetzung zurück, die unter dem Strich Sebadoh ohne Jason Loewenstein ist. Lou singt und spielt neuerdings Bass, Imaad Wassif (früher Lower Case, immer noch bei Alaska) bedient die Gitarre, und Russell Pollard (Mitglied der letzten Sebadoh-Inkarnation und Imaads Mitstreiter bei Alaska) sitzt hinter dem Schlagzeug. Kein Wunder also, dass das Album klingt wie eine "Best Of"-Platte mit neuen Songs - eine Beschreibung, der Lou selbst übrigens begeistert beipflichtet. Songs voller Kraft, Intensität und Harmonie, die die besten Momente von Sentridoh, Sebadoh und der ersten Inkarnation der Folk Implosion vereinen, ohne deshalb wie von gestern zu klingen. Als die Zukunft des Rock wird das Trio wohl niemand bezeichnen, dennoch hat das - übrigens nur beim ersten Hören - etwas anstrengende neue Werk der Folk Implosion ohne jeden Zweifel seine Chance verdient.
Bei unserem Treffen in Köln vor einigen Monaten lautete unsere erste Frage an Lou natürlich: Wo zur Hölle hast du die letzten drei Jahre bloß gesteckt? Nachdem er früher alle paar Monate mit einer seiner Bands in Europa zu sehen war, war er - zumindest in der alten Welt - ganz plötzlich von der Bildfläche verschwunden. "Das war in Amerika nicht anders", gesteht Lou. "Zunächst einmal hat John Davis die Band verlassen, und ich blieb verwundert und depressiv zurück. Ich habe es zwar in gewisser Weise kommen sehen, aber trotzdem war es letztendlich eine Überraschung, dass er es wirklich durchgezogen hat. Wir waren sehr enge Freunde und haben auf einem geradezu intimen Level zusammengearbeitet, so dass ich ziemlich lange gebraucht habe, einen Weg zu finden, wieder Musik zu machen, mit der ich wirklich zufrieden war." So anders das neue Album auch klingt, zunächst war geplant, eine ähnlich Sample-basierte Platte wie die früheren Folk-Implosion-Werke zu machen. "Ja, diese Platte sollte anfangs auf ähnliche Weise entstehen wie die letzte. Ich arbeitete wieder mit Wally Gagel zusammen, und Russell von Sebadoh, der gerade nach Los Angeles umgezogen war, half ein wenig aus. Zuvor jedoch hatte er sich in San Francisco mit Imaad angefreundet und mit ihm Alaska gegründet. Vor zwei Jahren fragten dann die Melvins, ob Russell und ich mit ihnen auf Tour gehen wollten. Und weil wir schon länger nicht unterwegs gewesen waren, hielten wir das für eine großartige Idee, nicht zuletzt, weil wir einen Tapetenwechsel dringend nötig hatten, nachdem die Aufnahmen mit Wally nicht zu meiner Zufriedenheit verliefen. Weil Russells Kollaboration mit Imaad ihrerseits ziemlich intensiv war, beschlossen wir, ihn nach Los Angeles zu locken, lernten in zehn Tagen einen Haufen Folk-Implosion-Songs und gingen mit den Melvins auf Tour. Die Konzerte liefen ausgezeichnet, und als wir zurückkamen, begannen wir, zu dritt an neuen Songs zu arbeiten. Wir sind allerdings sehr behutsam Schritt für Schritt vorgegangen, wir haben viel diskutiert und alles sehr genau genommen, um wirklich die bestmögliche Platte zu machen, die zu diesem Zeitpunkt in uns war. Das ist übrigens etwas, das die neue Besetzung mit der alten Folk Implosion verbindet."

Wir halten also fest: Neuer Sound, neue Besetzung, aber alter Name. Warum? "Als wir zu dritt an neuen Sachen zu arbeiten begannen, ging mir schon durch den Kopf, den Namen zu ändern, weil es offensichtlich war, dass dieses Album völlig anders klingen würde als die letzte Folk-Implosion-Platte", gibt Lou zu. "Je enger wir zusammenarbeiteten, desto mehr Parallelen konnte ich aber zu der Arbeit mit John Davis erkennen, und zumindest der Geist der alten Folk Implosion war in den Experimenten ohne Zweifel vorhanden. John hatte mir erlaubt, mit dem Namen zu machen, was ich für richtig hielt, und die Tatsache, dass wir wirklich tolle Versionen der alten, rockigeren Folk-Implosion-Stücke draufhatten, ließ mich zu dem Schluss kommen, dass es dumm wäre, den Namen zu ändern. Abgesehen davon hätte ich mit einem neuen Namen das kleine Publikum, das mir noch geblieben war, nur noch weiter verwirrt!" Da Lou ja zumindest personell die einzige Verbindung zur alten Folk Implosion ist, stellt sich natürlich auch die Frage, wie demokratisch die neue Band ist. "Eigentlich ist sie ziemlich demokratisch, aber Imaad und Russell haben mich in die Führungsrolle gedrängt", erzählt Lou. "Alle meine vorherigen Projekte waren so basisdemokratisch, dass ich nie gelernt habe, die Kontrolle an mich zu reißen. Imaad und Russell haben mich nun dazu gezwungen, das zu ändern. Sie haben ja noch ihr eigenes Ding mit Alaska, deshalb haben sie kein Problem damit, wenn ich auch wichtige Entscheidungen bei der Folk Implosion alleine treffe." Die Tatsache, dass Imaad und Russell zeitgleich auch ohne Lou an weiteren Songs für Alaska arbeiteten, störte dabei überhaupt nicht. Im Gegenteil. "Ich brauchte wirklich ein wenig Zeit für mich selbst, startete meine Webseite und mache mir Gedanken, in welche Richtung ich musikalisch weitergehen wollte. Ich brauchte einfach etwas Abstand, um den Überblick zurückzubekommen, denn um ganz ehrlich zu sein, ich war ziemlich neben der Spur, nachdem sowohl die letzte Folk-Implosion-LP als auch das letzte Sebadoh-Album ziemlich eingegangen waren."

Und wie war es für Imaad, in eine existierende Gruppe zu kommen? "Es fühlte sich an wie eine neue Band, zudem noch eine, die unglaublich diszipliniert war, denn wir haben eigentlich ständig an neuen Sachen gearbeitet. Es war ein ständiges Hin und Her, und für mich persönlich war das Ganze eine sehr konstruktive Phase, die mir persönlich viel gegeben hat. Das Schönste jedoch war, dass ich, als ich zur Band kam, nie das Gefühl hatte, dass es einen bestimmten Rahmen gab, in den ich mich hätte fügen müssen. Es war alles sehr offen. Das Interessante war, dass ich eine gewisse Seelenverwandtschaft zwischen mir und Lou spürte. Es ist so, dass sich mein und sein Stil ausgezeichnet ergänzen, obwohl sie eigentlich sehr unterschiedlich sind. Ich bin zum Beispiel immer ein großer Freund von extremen Dissonanzen gewesen, und uns ist es gelungen, dies zu den Melodien hinzuzufügen, die Lous Markenzeichen sind." Fest steht, dass "The New Folk Implosion" eine Platte ist, der man Zeit geben muss. Ein "Instant Repeater" wie das letzte Album "One Part Lullaby" ist das Album sicher nicht, aber eines das beim vierten oder fünften Hören immer noch wächst. Hat Lou ähnliche Einschätzungen auch schon von anderer Seite gehört? "Ich habe noch gar nichts gehört. Und um ehrlich zu sein, ich bin auch gar nicht scharf darauf! Ich möchte keinerlei Meinungen zu diesem Album hören! Wenn mir jemand sagt, er mag die Platte, weiß ich sofort, dass er lügt! Frag mich nicht warum, ich weiß es einfach! Die Leute fanden die letzte Folk-Implosion-Platte wundervoll, trotzdem wurden nur halb so viele Exemplare verkauft wie von 'Dare To Be Suprised'. So etwas verstehe ich nicht! Ich nehme das ganze Zeug einfach nicht mehr ernst. Was mir dagegen weiter unglaublich ernst ist, ist die Musik! Eine der Gründe, warum es so schwierig war, diese Platte zu machen, ist, dass ich von vorne herein wusste, egal, mit was ich auch ankommen würde, die Leute würden davon schwer zu überzeugen sein. Denn es ist fast unmöglich für jemanden wie mich, der schon so lange dabei ist, sein Publikum bei der Stange zu halten."

Das versucht Lou inzwischen nicht mehr nur mit seiner Musik, sondern auch mit seiner liebevoll gestalteten Website. "Ja, das ist die Sache, die mir sehr wichtig ist. Die Seite ist völlig unter meiner Kontrolle, obwohl ich nicht wirklich Ahnung von der Materie habe. Ein Freund von mir, ein echter Apple-Fanatiker, hat die Basis für mich umgesetzt und es mir sehr leicht gemacht, so dass ich jetzt alles alleine machen kann. Früher habe ich immer gedacht, alle Websites seinen grottenschlecht. Selbst die wirklich guten, wie die unglaublich detaillierte Seite von Stereolab. Ich sagte mir also, wenn ich das in die Hand nehme, muss die Seite genau so aussehen wie die Site, die ich mir gerne anschauen würde. Sie soll absichtlich etwas verwirrend und vor allen Dingen völlig unkommerziell sein. Selbst die Stereolab-Seite ist eine kommerzielle Site. Meine sollte ganz karg und direkt sein. Jetzt scanne ich einfach alles ein, alles, was du liest, ist in meiner Handschrift. Und vor allen Dingen gibt es kein Message-Board, wo die Leute über mich oder meine Musik diskutieren können! Ich will gar nicht wissen, was irgendjemand über mich denkt! Ich bin mir auch sicher, dass viele Leute, die meine Seite sehen, in Zukunft etwas Ähnliches machen werden!"

The Folk Implosion
Nicht nur, weil John Davis fast nie mit Lou zusammen auf der Bühne stand, haben nur wenige die Folk Implosion als echte Liveband wahrgenommen. Jetzt scheint sich das eher zu dem 50/50-Verhältnis zu wenden, das wir von Lou bereits von Sebadoh kennen. "Ja, das stimmt. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass wir zusammen als Liveband auf der Melvins-Tournee angefangen haben. Auf der Tour merkte ich sehr schnell: 'Wow, das ist Klasse, jetzt habe ich endlich wieder eine Liveband!' Wir sind in dieser Besetzung wieder eine richtige Rockband, in dem Sinne, in dem auch Sebadoh eine war. Wir sind eine BAND. Wir können die Stücke, die wir aufnehmen, auch live vor Publikum spielen." Und das wollen die drei dieser Tage auch erstmals gemeinsam in Europa beweisen. Auch in Deutschland wird an fünf Abenden Anfang Mai gerockt. "Wir sind noch dabei auszutüfteln, wie wir die Platte live spielen können", erklärt Imaad "Wir haben ja erst eine Tournee gemacht, seit ich in die Band gekommen bin, und nach den Power-Trio-Auftritten als Opening Act für die Melvins
wollen wir dieses Mal etwas sensibler mit der Musik umgehen." Das Gefühl, einer offenen Probe beizuwohnen, wie es bei Sebadoh oft der Fall war, soll dieses Mal niemand im Publikum haben. Stattdessen planen die drei die Songs des neuen Albums zu perfektionieren und in komprimierter Rock-Form den Zuschauern zu präsentieren. Als Bonus soll es womöglich vorher und nachher noch einige Akustiknummern in lockerer Atmosphäre geben.

Gibt es zum Schluss noch etwas, das wir unbedingt erwähnen sollten? "Ja! Bitte hört euch die Platte an!", antwortet Lou lächelnd, aber mit flehentlichem Unterton in der Stimme. "Am besten, ihr hört sie euch vier-, fünfmal an! Carsten hat das auch getan! Okay, er hat es für seinen Job gemacht und außerdem die Platte umsonst bekommen, aber bitte, bitte, bitte - gebt mir noch eine Chance! Ein allerletztes Mal, ich flehe euch an, hahaha!" Und Imaad fügt an: "Nee, jetzt mal im Ernst: Die Platte ist verdammt gut! Sie ist wirklich interessant, eigentlich könnt ihr sie euch wirklich anhören!"

Weitere Infos:
www.thefolkimplosion.com
www.loobiecore.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
The Folk Implosion
Aktueller Tonträger:
The New Folk Implosion
(Domino Records/Zomba)
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