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YO LA TENGO
 
Im Spaßbad mit Yo La Tengo
Yo La Tengo
Sich mit Georgia Hubley und Ira Kaplan zu unterhalten ist irgendwie wie paddeln in der Badewanne: So richtig vorwärts kommt man gerade nicht. Allerdings hat das einen relativ simplen Grund. Es scheint nämlich so, dass es bezüglich der Musik von Yo La Tengo keinen besonders großen Erklärungsbedarf gibt. Wo andere Musikanten Gefallen daran finden, ihr Werk nach musiktechnischen Kriterien zu sezieren, in einen gesamthistorischen Kontext zu stellen und die inhaltlichen Aspekte bis auf die psychoanalytische Ebene hinunter aufzudröseln, bewegen sich Yo La Tengo auf einer eher abstrakten Ebene, auf der nichts erklärt werden muss, soll oder kann - weil eh alles keinen besonderen Grund hat. Tiefere Bedeutung, so sagte und Georgia beim letzten Treffen mit Gaesteliste.de, suche man bei YLT eher vergeblich. Was nun nicht heißen soll, dass alles planlos oder aus dem Bauch heraus passiert - Yo La Tengo sind eben nur Musiker, denen es mehr um's Tun als etwa einen großartigen Masterplan geht.
Versuchen wir das Rätsel einmal so zu knacken: "Summer Sun", das aktuelle Album ist - verglichen mit den Vorgängern - eine recht kohärente Angelegenheit mit einem schönen, relaxten Flow - klingt also recht anders. "Schön, dass du das sagst", freut sich Ira, "der letzte Kollege meinte nämlich, dass die neue Scheibe der letzten sehr ähnlich sei. Da war ich doch erstaunt." Nein, nein - Stillstand ist etwas, was man den musikalischen Freidenkern nun wahrlich nicht vorwerfen kann. In der Zeit zwischen dem letzten Album "And Then Nothing Turned Itself Inside Out" und der neuen Scheibe arbeiteten YLT an einem interessanten Projekt. Es ging um "The Sounds Of The Sounds Of Science", die Vertonung von Unterwasser-Dokumentar-Stummfilmen des französischen Avantgarde-Filmemachers Jean Painleve. Irgendwie, so scheint es, hat sich das dort erworbene submarine Feeling (die CD enthält Titel wie "How Jellyfish Are Born") auf die neue Scheibe hinübergerettet. Kann das sein? "Ich habe da noch nicht drüber nachgedacht, aber vielleicht sind die neuen Stücke eine Art Antwort auf die Soundtrack-Musik", gesteht Ira ein, "das sind ja alles so 10-Minuten Stücke. Es ist ja so, dass alles, was wir tun, irgendwo auf dem aufbaut, was wir vorher gemacht haben." Wie entstanden denn die Soundtracks? Wie man hörte, wurden die Sachen ja live zu den Filmen eingespielt. "Nicht ganz - das haben wir nur ein bisschen gemacht. Wir hatten schon an Ideen gearbeitet, BEVOR wir die Filme sahen", erinnert sich Georgia. "Aber diese Sachen haben sich dann sehr stark verändert, als wir die Filme sahen", führt Ira aus, "es gab ganz neue Sachen, die durch die Filme entstanden. Es gab da einen gewissen Rahmen, innerhalb dessen wir uns bewegten. Auch jetzt noch gibt es gewisse Veränderungen, wenn wir diese Tracks spielen. Denn die Sachen wurden für eine Live Performance geschrieben." Die neuen Stücke hören sich ungefähr so an, wie Ira das hier beschreibt: Teilweise wie zufällig und improvisiert. Wie sind sie denn nun wirklich entstanden? "Nun, da gab's schon einiges an Improvisation als wir dran arbeiteten", schmunzelt Ira, "es ist das, was wir machen: Wir spielen und schauen was passiert. Die Texte sind nun wirklich das letzte, woran wir arbeiten - wenn der Song erst mal festgeklopft ist. Wir haben im Studio auf jeden Fall sehr viel verändert." Wenn es also keinen Masterplan gibt, was beeinflusst dann das Ergebnis? "Alles", sagt Ira. "Es muss halt gemacht werden", fügt Georgia hinzu. Wie schon gesagt: Paddeln in der Badewanne.
Verdammich noch eins: Woran liegt es denn, dass die Alben alle so unterschiedlich klingen? "Nun, wir sind Leute", stellt Ira ganz richtig fest, "und Leute verändern sich. Also verändern sich auch unsere Scheiben. Das Ziel ist es, KEINEN Plan zu haben und zu sehen, was passiert. Die Veränderungen, die sich in unserem Leben, unseren Beziehungen, im Leben ergeben, zeigen sich in unserer Musik. Und zwar auf Arten, die wir nicht planen. Wir lassen das einfach so passieren." Nun, das ist doch mal was, womit man arbeiten kann. Zwei konkrete Veränderungen gegenüber dem letzten Album sind zumindest musikalisch zu bemerken: Hört man sich die Scheibe zum ersten Mal an, denkt man z.B. am gewissen Stellen, dass hier und dort Bläser ganz gut kämen - und tatsächlich, genau dann kommen auch welche. Und es gibt erstmals ein durchgängig eingesetztes Piano. "Mensch, du bist der erste, dem das auffällt", freut sich Georgia, "ja, Ira und ich haben dieses Mal beide Piano gespielt, es gibt den Stücken diese besondere Note." "Das liegt daran, dass wir jetzt ein Piano besitzen", erklärt Ira, "und wir wollten das ganz natürlich einfließen lassen. Genauso, wie wir das mit der Orgel gemacht haben. Also nicht als Gimmick, sondern integriert." Und Georgia erklärt die Bläser: "Mit diesen Musikern haben wir schon mal zusammengarbeitet - nicht auf der letzten Scheibe, aber auf der 'Nuclear War'-Single. Und wir haben schon mal mit denen live gespielt. Ira wollte immer schon mal mit ihnen auf bestimmten Songs mit ihnen spielen." "Als wir mit ihnen live spielten, war das sehr speziell", erzählt Ira, "wie du vielleicht weißt, haben wir nichts dagegen, wenn der Live-Vortrag anders ist als die Scheibe. In diesem Zusammenhang war das so, dass wir eine Show mit den Bläsern zusammenspielten - fast ohne vorher zu proben - und es war unglaublich. Nachher kamen die Bläser auf uns zu und forderten quasi, dass sie auf der nächsten Scheibe dabei sein MÜSSTEN. Und das war nett, dass sowas jemand sagte. Wir fühlten also, dass wir das irgendwie dokumentieren sollten. Und so passierte es dann."
Yo La Tengo
Georgia erwähnte "Nuclear War". Dies war eine Single (eine EP), die YLT in den USA veröffentlichten. Originellerweise ging dieses Stück sogar in die Charts. Es handelt sich um eine Sun-Ra Cover-Version. Warum ist es denn nicht auf der Scheibe? "Hast du es gehört?" fragt Georgia, "es ist schon sehr verschieden von dem, was wir sonst machen. Wir haben es als Live-Version begonnen und es sollte von Anfang an ein eigenes Projekt sein. Es gibt vier verschiedene Versionen davon und es ist ziemlich wild - Free Jazz und so." Ist ein Stück dieses Namens in Zeiten wie diesen ein politisches Statement. "Auf jeden Fall, absolut", stimmt Ira zu, "es ist tatsächlich in die Top 10 gekommen. Was heutzutage zugegebenermaßen ziemlich leicht ist, einfach deswegen, weil niemand mehr Singles veröffentlicht. Es geht nicht um die Top 100 - weil da auch Airplay mit drin ist. Es war in den Top-Seller Charts. Der Song ist unglaublich. Es ist ein 'Call & Response' Song - 'Nuclear War is a motherfucker' usw. Alle paar Sekunden kommt das Wort 'Motherfucker' vor. Ins Radio wäre der sowieso nicht gekommen." "Obwohl es in der 'Public National Radio Show' gespielt wurde - im Rahmen einer Anti-Kriegs-Song Sendung. Wir haben einige Reaktionen darauf erhalten. Auch zornige - weil nicht alle diese Jazz Versionen mochten." Als letztes Stück auf der neuen Scheibe befindet sich die Big Star Cover-Version "Take Care". Gibt es derzeit so was wie ein Big Star Revival (mal abgesehen vom "tatsächlichen" Big Star Revival)? Z.B. haben ja auch Calexico Big Star gecovered. "Wie kommst du denn da drauf?" wundert sich Ira, "das muss ein typisch europäisches Ding sein. Nein, bei uns - in unseren Kreisen - sind Big Star allgegenwärtig. Es ist vielmehr so, dass wir gerade aus diesem Grund erwägen hätten müssen, das Stück NICHT auf Platte zu nehmen." "Wir haben irgendwann begonnen, es live zu spielen und dachten dann, dass das nicht genug sei", erinnert sich Georgia, "also beschlossen wir, es einmal im Studio aufzunehmen und es passte hervorragend. Außerdem war es ein netter letzter Song, weil wir dieses Mal den längsten Track ["Let's Be Still"] nicht ans Ende der Scheibe setzen wollten, wie bei 'Night Falls On Hoboken' - eben weil wir nicht immer das selbe machen wollen." Okay - und warum heißt die neue Scheibe ausgerechnet "Summer Sun" - was nun wahrlich kein besonders aufwendiges Wortspiel ist, wie bei den letzten Scheiben? "Nun, diese Frage werde ich nicht besonders ausführlich beantworten", antwortet Ira - nicht wirklich überraschend, "nur so viel: Es hat seine Bedeutung. Einiges kannst du selbst herausfinden, beim Rest ist das egal. Wir hatten unsere persönlichen Gründe. Es ist eine Menge Wasser auf der Scheibe. Der Titel sprach uns an, weil er wegen einiger gewichtiger Gründe da war - die der Hörer aber gar nicht zu kennen braucht, und weil es auf der anderen Seite absurd ist, weil es ja nun gar nicht um Sonne und Sommer geht. Ich hoffe jetzt, dass es das anmaßendste ist, was ich heute sagen werde: Aber es gibt ja auch viele Gemälde, deren Titel nichts mit dem Inhalt zu tun haben. Sieh es einfach einmal so." Nun gut: Letzte Frage. Wird es live wieder eine Discochoreographie geben, wie auf der letzten Tour (wo Ira, James und Georgia zu pluckernden Disco-Beats mit den prächtigsten Saturday-Night-Gesten hantierten)? "Ich wusste, dass du das fragen würdest", grinst Ira, "das hat wohl allen gefallen. Ja, wir arbeiten schon dran..."
Weitere Infos:
www.yolatengo.com
www.matadorrecords.com/yo_la_tengo/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Yo La Tengo
Aktueller Tonträger:
Summer Sun
(Matador/Zomba)

 
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