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SNEEZE
 
Albernheit und Anspruch
Sneeze
Tom Morgan. Nic Dalton. Simon Gibson. Drei Herren aus Sydney, Australien, die seit vielen, vielen Jahren durch verschiedenste Bands - Plunderers, Smudge, Godstar, Lemonheads, The Kombi Nation, Half Miler und, und, und - berühmt und berüchtigt sind. Derzeit sind sie vor allem eines: Sneeze, die Band, die den Glauben an den Rock 'n' Roll verloren hat. Das zumindest wollen sie uns - nach dem selbstbetitelten 1993er Debüt und dem 1998er Nachfolge-Konzeptalbum "The Four Seezons" - jetzt mit ihrem dritten Album "Lost The Spirit To Rock 'n' Roll" weismachen, auf dem sie von ihrer legendären Philosophie früherer Tage ("Wenn du es nicht in einem Zwei-Minuten-Song sagen kannst, ist es vermutlich Schrott") abgewichen sind. Auf der Platte finden sich neben dem typischen Garagen-Indie-Rock nämlich auch samtweiche Soul-Sounds, die man als Parodie verstehen kann, aber nicht muss.
36 Stunden waren Sneeze nach dem letzten Konzert ihrer Spanien-Tournee in Barcelona unterwegs gewesen, um Mitte September einen wirklich großartigen Auftritt im Münsteraner Gleis 22 abzuliefern, und hatten dabei Hochwasser und diverse Staus hinter sich gelassen. Tom, also der Mann, der das berühmte "The Outdoor Type" geschrieben und sich dabei nicht gerade als Camping-Fan geoutet hatte, verbrachte die Nacht zuvor sogar auf dem harten Boden eines Parkplatzes in Frankreich! Während andere Bands nach solchen Strapazen wohl alle Interviews abgesagt hätten, brauchten Sneeze nur eine Dusche (Nic) bzw. einige Tequilas und Jägermeister (Tom), um Gaesteliste.de nach dem einzigen Deutschland-Konzert um 1.00 Uhr morgens noch Rede und Antwort zu stehen. Dennoch war Nics Kommentar zu unserer ersten Frage nur allzu verständlich. Denn als wir wissen wollten, wie man sich denn als Teil von Sneeze im Herbst 2002 so fühlt, erwiderte er lachend und wie aus der Pistole geschossen: "Ziemlich müde, hahaha! Im Ernst: Als wir vor zwölf Jahren die Band gestartet haben, dachten wir noch nicht einmal daran, überhaupt je live zu spielen. Deshalb ist es schon etwas seltsam, dass wir jetzt kreuz und quer in Europa unterwegs sind und gerade in identischen Shirts eine Show in Münster, Germany, hinter uns gebracht haben!"

Schuld daran ist nicht zuletzt "Lost The Spirit To Rock 'n' Roll", das hervorragende Doppel-Album, das letztes Jahr schon auf Nics eigenem Half-A-Cow-Label in Australien erschien. Aber nicht nur, weil diese Platte im Gegensatz zu ihren Vorgängern nun vom renommierten britischen Label Fire Records in Europa veröffentlicht wird, stellt es für die Band einen Wendepunkt dar. "Ja, als wir 1996 angefangen haben, die Songs für dieses Album zu schreiben, war das schon so etwas wie ein Wendepunkt", findet Nic. "Die neuen Songs haben uns gezeigt, dass wir nicht nur die alberne Spaß-Band sind, für die man uns gehalten hat. Um ehrlich zu sein: Wir haben uns ja auch so gesehen, denn wie kann man nicht albern sein, wenn man 41 Songs in 47 Minuten raushaut! Dieses Mal wollten wir auch als Songwriter etwas erreichen." Dass dennoch weiterhin nicht nur für tolle Musik, sondern auch für jede Menge Spaß gesorgt sein wird, ist bei Nic und Tom trotzdem klar. Wer sonst würde schließlich Songs bringen wie "Maybe Moving In Together Wasn't Such A Good Idea", "Doctor Of Love" oder "Closing Time At The Tittie Bar"? Na eben! "Stimmt schon, wir sind immer noch ziemlich albern!" findet auch Nic. "Es gab da einen Review unserer Show im Club 77, bei der wir ausnahmsweise mal nicht zwischen den Songs geredet haben, und das Mädel, das die Show besprochen hat, meinte dann sofort: 'Jetzt sind Sneeze ernsthaft geworden', aber das war wirklich nur bei dem einen Konzert so. Manchmal sage ich mir: 'Sei doch heute nicht so albern', aber ich kann nichts dagegen tun - du musst einfach zu dir selbst ehrlich sein! Unsere neuen Songs sind ernsthafter, aber die Texte sind ja trotzdem noch ziemlich spaßig."

Sneeze
Dass auf "Lost The Spirit To Rock 'n' Roll" wesentlich mehr Leute als nur der harte Trio-Kern von Sneeze zu hören sind, bedeutet, dass sie live anders, wenngleich keinesfalls schlechter klingen. Wo andere Bands, die eine große Studioproduktion abgeliefert haben, sofort an den Einsatz eines Samplers denken würden oder die fraglichen Stücke erst gar nicht live spielen würden, haben Sneeze eine ganz andere Sichtweise der Dinge, wie Tom ausführt: "Es sind in erster Linie Livesongs, die dann in den Studioversionen expandiert sind. Deshalb spielen wir sie jetzt einfach wieder so, wie sie ursprünglich waren." Eine äußerst praktische Sichtweise, denn so kann man sich nicht einreden, dass den Liveversionen etwas fehlt. Dennoch, so unterstreicht Nic, sind Sneeze froh, auf der Bühne zumindest zeitweise einige Gäste zu haben, die den Sound ausfüllen und den drei Protagonisten die Chance geben, aus dem strikten Gitarre-Bass-Schlagzeug-Schema auszubrechen und zu Keyboards, Bongos oder einer zusätzlichen Gitarre zu greifen. Das macht die Shows nicht nur interessanter, sondern letztendlich auch besser. Obwohl weder die Anzahl der Musiker auf der Bühne noch ihr handwerkliches Können wirklich etwas über die Qualität einer Show aussagt. "Je mehr du selbst in die Show investierst, desto besser ist sie letztendlich auch", ist sich Tom sicher. "Selbst die Reaktion des Publikums spielt nicht unbedingt die größte Rolle. Ich glaube auch nicht, dass wir heute besser wären, wenn wir nicht ständig die Besetzung gewechselt hätten. Simon hat uns schon ziemlich nach vorne gebracht. Als er als fester Schlagzeuger dazukam, sind wir viel mehr zu einer Einheit geworden." Und Nic ergänzt: "Natürlich ist es manchmal eine ziemlich frustrierende Erfahrung, andauernd neuen Leuten unsere alten Songs beibringen zu müssen, trotzdem ist es uns so am liebsten. Das hat auch etwas sehr Erfrischendes! Und letztendlich sind die wechselnden Besetzungen ja auch etwas, das uns seit unserer ersten Platte auszeichnet. Nimm' mal einen Song wie 'Ive Got A Type'. Das Stück hat Tom drei Jahre lang gesungen, seit 18 Monaten singe ich es jetzt, und dass Simon darauf nicht Schlagzeug spielt, war heute das zweite Mal überhaupt. Es gibt auch Songs, bei denen ich einen Abend Bass spiele und am nächsten Akustikgitarre. Ich denke, dass die Stücke gewinnen, wenn man sie ständig anders interpretiert."

Gut vier Wochen sind Sneeze in Europa auf Tournee - reich werden sie dabei definitiv nicht. Im Gegenteil: Der Vorschuss, der ihnen von Fire Records bezahlt wurde, ging für die Flugtickets nach Europa drauf. Trotzdem ist es kein Wunder, dass die Herren auf diesem Trip so viel Spaß haben, geht doch für sie - nach vielen, vielen Jahren - damit ein echter Traum in Erfüllung. "Ich wollte schon immer meine eigene Musik in Europa spielen, leider hat das bisher nie geklappt. Bisher war ich hier nur als Bassist der Lemonheads unterwegs", erklärt Nic. "Tom hatte dagegen zumindest mit Smudge die Chance, 1994 ein paar Shows in Europa zu spielen." Und selbst das war Zufall, wie sich Tom erinnert: "Wir hatten einfach Dusel, dass das geklappt hat. Domino wollte unsere Platte rausbringen, und durch sie - und die Lemonheads - bekamen wir die Chance herüberzukommen." Dass Tom und Nic vor den Auftritten mit Sneeze auch noch mit Songs ihrer alten Bands, Smudge und Godstar, ihr eigenes Vorprogramm bestreiten, könnte man gut und gerne als Tribut an das Publikum verstehen, denen diese Bands wesentlich geläufiger sein dürften als Sneeze. "Tribut ist sehr passend", bestätigt Nic. "Wir haben uns gedacht, wenn schon Fans dieser Bands da sind, warum dann nicht auf die Bühne gehen und ein paar Songs spielen? Zuerst war ich von der Idee überhaupt nicht begeistert, aber jetzt macht es eine Menge Spaß, und es ist interessant zu hören, wie anders die Smudge-und Godstar-Songs sich im Vergleich zu Sneeze anhören, obwohl sie von den gleichen Leuten stammen."

Während Godstar, abgesehen von dieser Europa-Tournee, definitiv Geschichte sind, werden Smudge nach mehr als zweijähriger Pause diesen Herbst erstmals wieder auftreten. "Wenn wir nach Sydney zurückkommen, wird es zwei Smudge-'Greatest Hits'-Shows geben, und danach werden wir an der Südküste von New South Wales ein neues Album aufnehmen. Wir wollten uns eigentlich auflösen, aber dann ist uns klar geworden, dass es eine Verschwendung der tollen musikalischen Chemie der Band gewesen wäre, wenn wir aufgehört hätten. Womöglich werden unsere neuen Sachen nicht mehr sehr nach den alten Smudge klingen, das wird sich noch zeigen, aber wir werden auf jeden Fall weitermachen."

Sneeze
Das bedeutet, dass Tom in Zukunft wieder Songs für mindestens zwei Bands parallel schreiben wird. Kein großes Problem für ihn, denn er weiß sofort von der ersten Note an, für welche Band das Stück sein wird, manchmal sogar schon eher. "Manchmal ist es schon durch die Inspirationsquelle klar. Das kann ein Foto oder ein Film sein - dann weiß ich sofort: Dieser Film passt überhaupt nicht zu Smudge, also kann es kein Song für diese Band werden. Ein Song für Sneeze muss auch immer etwas beinhalten, mit dem ich Nic beeindrucken kann, bei Smudge ist das ja nicht nötig." Und Nic fügt an: "Als Tom mit 'Too Much Man To Be My Woman' zu mir kam, war ich völlig von den Socken. Ich dachte, dass das der beste Song wäre, den ich je gehört hatte. Als ich dann 'Deaf Girl, Dumb Guy, Blind Love' geschrieben habe, war ich total aufgeregt und konnte es gar nicht erwarten, Tom den Song zu präsentieren. Da war zum Beispiel schon vom Titel her klar, dass es ein Sneeze-Stück sein würde. Manchmal fällt uns ein Titel ein, und jeder geht alleine nach Hause und schreibt seinen Song dazu, und später fügen wir die Teile zusammen. Generell kann man vielleicht sagen, dass die introvertierten, obskuren Stücke eher für unsere eigenen Bands sind, obwohl man wahrscheinlich auch in dem Sneeze-Set von heute Abend einige sehr persönliche Songs finden kann."

Was kommt als nächstes? "Wir wollen ein Rockalbum aufnehmen!", erzählt Nic grinsend. "Einiges davon wird sicherlich ähnlich wie diese letzte Platte sein, aber wir werden mehr rocken!" Auf höchst abwechslungsreiche Weise, versteht sich, denn auch wenn sie in Europa "nur" für gut eine Stunde und ein 20-Song-"Best Of"-Set auf der Bühne gestanden haben - zu Hause in Australien spielen Sneeze an einem guten Abend locker 50 Songs und beweisen damit, was Insider schon lange ahnen: Irgendwie können Sneeze einfach alles!

Gesundheit! "Niesen" für Anfänger

* "Sneeze" (Half A Cow, 1993)

"The Purple Album": Unfassbare 41 Songs in gerade einmal 47 Minuten! Zwischen Pop, Garagen-Punk und Hardcore fahren Nic und Tom zusammen mit einer ganzen Armee von Gästen (u.a. bei einigen Songs die kompletten Lemonheads) alles auf, was mit Gitarren und Spaß zu tun hat. Nic: "Unsere ganz alten Songs sind in der Tat etwas oberflächlich, denn als wir damals anfingen, waren Sneeze nicht mehr als ein Side-Project. Wir sind ganz normal arbeiten gegangen und haben jeden Mittwochabend gespielt. Als wir 'Lost The Spirit To Rock 'n' Roll' aufgenommen haben, wollten wir beweisen, dass wir so gut wie alle anderen sein können, wenn wir wollen. Schließlich haben wir ja auch Egos."

* "The Four Seezons" (Half A Cow, 1998)

Das Konzeptalbum und "ein Experiment, das sehr gut gelungen ist" (Nic). Die 20-minütige Mini-Oper auf der ersten Seite symbolisiert nicht nur die vier Jahreszeiten, sie wurde passend dazu auch scheibchenweise in Frühling, Sommer, Herbst und Winter eingespielt. Seite zwei dagegen bringt die Hits der ersten Platte in Unplugged-Versionen. Nur auf Vinyl erhältlich. 70 Stück soll's laut Nic noch geben…

* "Lost The Spirit To Rock 'n' Roll"(Half A Cow / Fire Records, 2002)

Das Soul-Album. Statt Schrammelgitarren gibt es deshalb des Öfteren eine gekonnt eingesetzte Horn Section, jede Menge Streicher, Drumcomputer und soulige Falsetto-Gesangseinlagen. „Garagen-Pop meets Soul“ heißt nun also das Motto, augenzwinkernd zwar, aber sehr gekonnt. Große Gesten für den kleinen Kreis und trotz aller Ernsthaftigkeit streckenweise umwerfend witzig. Stilistisch völlig anders als die frühen Sachen, trotzdem unverkennbar Tom und Nic!

Weitere Infos:
ezeens.tripod.com
www.halfacow.com.au/label/artists/sneeze/index.htm
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Sneeze
Aktueller Tonträger:
Lost The Spirit To Rock 'n' Roll
(Half A Cow/Fire Records/Pinnacle)
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