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16 HORSEPOWER
 
Folk und die Folgen
16 Horsepower
1939 unternahmen der Kurator des Archives für den amerikanischen Folksong John Lomax und seine Frau Ruby eine 6500 Meilen umfassende Reise durch die Vereinigten Staaten, auf der sie fast 700 Aufnahmen von ungefähr 300 Interpreten originärer Folk-Songs machten, die bis heute als umfangreichste Sammlung dieser Art gilt (memory.loc.gov/ammem/lohtml/lohome.html). Interessant an dieser Reise war, daß viele dieser Stücke - aus den verschiedensten Bereichen, von spanischen Liedern über Blues bis hin zu ersten Country Songs - auf diese Weise vor dem Vergessen bewahrt wurden. Lomax' Sohn, Alan, setzte diese Arbeit fort, bis er sich 1996 zur Ruhe setzte (www.alan-lomax.com). Unter anderem war Alan Lomax als Produzent bei der BBC verantwortlich für das Folk-Revival in England, was dann (via Skiffle) den britischen Beat-Boom auslöste. Gerade eben wurde das Thema des Folklore-Songs in den USA wieder aufgegriffen: Da gibt es z.B. das Buch "The Songcatcher" von Sharyn McCrumb (www.sharynmccrumb.com), in dem es - neben der Romanhandlung - um das Thema des Bewahrens mündlich überlieferten Liedgutes geht. Ein Film gleichen Namens behandelt ebenfalls das Thema (www.vanguardrecords.com/Songcatcher/). Der Soundtrack desselben - mit Studioversionen der im Film von den Schauspielern vorgetragenen Folksongs - wurde dort zu einem ebenso großen Erfolg wie weiland "Brother Where Art Thou". Es gibt sogar eine zweite Folge (siehe auch die Rezi auf diesen Seiten), auf der dann wesentlich ältere Aufnahmen aus den 70er Jahren zu finden sind. Was hat das mit 16 Horsepower zu tun? Nun, die neue 16 HP-Scheibe heißt "Folklore" und besteht zur Hälfte aus Traditionals.
Was ist die Geschichte hinter diesem Ansatz? Sind 16 HP damit zu modernen "Songcatchern" geworden? Da David Eugene Edwards gerade aus familiären Gründen unabkömmlich war und er die Fragen nicht unbeantwortet lassen wollte, bat er Jean Yves Tola, den charismatischen 16 HP Drummer, einzuspringen: "Die 'Songcatcher'-Sachen sind uns durchaus bekannt", gibt Jean-Yves denn auch zu, "und das neue Album hat durchaus auch so ein Feeling. Zunächst ging es uns aber darum, die Scheibe pur, einfach und nüchtern zu halten - ohne unnötige Background-Geräusche." Nun gut, aber dabei bleibt es doch nicht. Im Vergleich zu den anderen 16-HP-Scheiben klingt diese CD ja beinahe wie ein Landei. Es findet sich mit "Single Girl" der Carter Family ja sogar ein Song, der auch auf dem "Songcatcher" Soundtrack zu finden ist (wenngleich die ungewohnte Fröhlichkeit des Stückes für 16 HP eine echte Herausforderung darstellt). "Wir haben schon von Anfang an gesagt, daß das, was wir machen, im weiteren Sinne 'Folk-Musik' ist", meint Jean-Yves, "dieses Album ist auf seine Art wahrscheinlich aber eine wesentlich offensichtlichere Dokumentation dieses Umstandes."

Wie sieht das denn mit dem eigenen Songwriting aus? Versuchen 16 HP nun, auch Folksongs zu schreiben? Und was unterscheidet einen Folksong von "anderen Songs"? "Wir haben alle zusammen die eigenen Songs geschrieben", erläutert Jean-Yves, "also David, ich und Pascal [Humbert, der Gitarrist]. Ein Folksong ist - einfach ausgedrückt - mehr ein Lied von den Leuten für die Leute. Zum Beispiel ein Lied, das von einem Vater für sein Kind geschrieben wurde - oder für die Familie oder für ein Dorffest. Vor allen Dingen aber ein Song ohne Preisetikett mit Dollar-Zeichen!" Und wie unterscheiden sich nun die Eigenkompositionen von den Traditionals? "Das wird die Nachwelt zu entscheiden haben!" meint Jean-Yves. Wenn man nun ein solches Projekt angeht, ist es doch sicherlich schwierig, sich aus der unübersehbaren Anzahl von verfügbaren Liedern welche herauszusuchen, oder? Und einige der Stücke, wie z.B. das walzermäßige "Robe A Parasol", bewegen sich ja sogar weg vom üblichen, eher düsteren Stil von 16 HP hin in fast fröhliche, tanzmusikbetonte Gefilde. "Wir haben zunächst mal jeder für sich ein paar Stücke ausgesucht. Dann haben wir diese zusammengeworfen und geschaut, welche am besten zu der Scheibe paßten", erinnert sich Jean-Yves, "natürlich haben wir uns sehr viele alte Sachen angehört. Ausgesucht haben wir dann die, die uns am besten gefielen - auch wenn diese für uns eine größere Herausforderung darstellten als andere. Manchmal war es aber auch ganz einfach. Wir sind z.B. alle große Hank Williams Fans. Da war es leicht, sich auf 'Alone & Forsaken' zu einigen." Obwohl das ja kein wirklicher Folk-Song ist. Man muß allerdings attestieren, daß diese Cover-Version so klingt, als sei sie extra für 16 HP geschrieben worden.

16 Horsepower
Danach gefragt, wie sie sich denn selbst gerne als Songwriter aufgenommen sähen, antwortet Jean-Yves: "Hoffentlich als 'Ehrlich'. Wir wenden uns in unseren Stücken letztlich an alle, die zuhören." Was war eigentlich der Grund für die Entwicklung auf dem neuen Album, die ja schon erkennbar mit David Eugene Edwards "Solo-Projekt" Woven Hands einsetzte. Back to the roots? "Es ist einfach ein evolutionärer Prozeß", erläutert Jean Yves, "es geht um das einfache Bedürfnis - und die Neugier -, verschiedene musikalische Welten zu erforschen. Wir fühlten uns ja immer schon zu Musik hingezogen, die nicht wirklich kompliziert und komplex ist. Ein paar einzelne, richtige Töne auf wenigen Instrumenten können dich ja im Grunde genauso bewegen, wie ein ganzes Orchester." Mit "Folklore" legen 16 HP jedenfalls das bislang logischste Album ihrer bisherigen Karriere vor - auch wenn das in dieser Konsequenz überraschend kam. Die Sache hat auch einen interessanten Nebeneffekt: Mit dieser Scheibe dürften dann auch endlich mal die langweiligen Vergleiche mit dem Gun Club verstummen. Die Scheibe macht indes neugierig darauf, ob 16 HP auf der nächsten Tour dann auch ein paar Gänge zurückschalten werden...
Weitere Infos:
www.16horsepower.com
listen.to/16horsepower
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigabe / Ullrich Maurer-
16 Horsepower
Aktueller Tonträger:
Folklore
(Glitterhouse/Indigo)
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