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TECHNIQUE
 
Erst der Soundcheck, dann das Make-Up
Technique
"Pop Philosophy" heißt das erste Album des britischen Duos Technique, und der Titel sagt eigentlich schon alles. New Order, Kraftwerk, Pet Shop Boys oder Softcell sind die Inspiration für Kate Holmes und Xanthe Tyler, und manchmal kann man auch ein paar Reminiszenzen an Dusty Springfield und den frühen David Bowie heraushören. "Wir versuchen nicht, völlig anders und besonders auffällig zu sein, wir wollen einfach schöne Popmusik machen, die allerdings textlich doch ein bisschen mehr Tiefgang hat als das übliche Chartszeug", erklärt uns Kate beim Gästeliste-Interview im Kölner Dorint-Hotel, und genau da fängt es an, kompliziert zu werden. Um Technique wirklich gerecht zu werden, muss man sich nämlich die Mühe machen, ein paar Klischees aus dem Weg zu räumen, die schnell den Blick auf das Wesentliche verstellen können.
1. Technique besitzen - den angenehm an die 80er erinnernden Electro-Pop-Klängen und Songtiteln wie "You And Me" oder "Sun Is Shining" zum Trotz - eine Menge Substanz. Kate: "Das Lied handelt ja nicht wirklich vom Sonnenschein, es geht darum, dass du, auch wenn du unglücklich bist, immer eine neue Richtung einschlagen kannst, und sei sie noch so klein."

2. Xan (auch noch bei Mission Control am Mikro) ist zwar blond, hat eine Figur, auf die so manches Model neidisch wäre, und sieht in natura noch besser aus als auf den durchgestylten Pressefotos, trotzdem kann sie singen und ist alles andere als dumm. "In England konzentrieren sich nur die wenigsten auf unsere Musik, es geht viel mehr um Lifestyle", erzählt Xan und weiß auch, warum das so ist. In den 80ern ging es schließlich oft mehr um die Klamotten und die Frisuren der Stars denn um ihre Musik, und genau diesem Bild entsprechen - zumindest rein optisch - auch Technique. "Ja, das Image, das wir haben - zwei Mädels und ein Keyboard - hat etwas von den 80ern, und obwohl uns die Musik eigentlich wichtiger ist, scheinen sich die beiden Dinge bei uns die Waage zu halten", findet Kate.

3. Kate macht Musik, weil es ihr Spaß macht, und nicht, weil ihr Mann ein Musik-Business-Celebrity ist. Immerhin hat sie seit Ende der 80er nicht nur mit ihrer früheren Band Frazier Chorus, sondern auch mit den Reggae-Großen Mad Professor und Lee Scratch Perry zusammengearbeitet. Als Ehefrau des Creation-Gründers und Oasis-Entdeckers Alan McGee hat sie zwar ein Multimillionen-Vermögen im Rücken, aber von Großspurigkeit ist trotzdem nichts zu spüren. "Bei Creation ging alles auf Sonys Rechnung, und das Geld wurde einfach zum Fenster raus geworfen", erinnert sich Kate. "Dort ließ sich jeder im Taxi herumchauffieren, unnötige Kurierdienste wurden in Anspruch genommen und eine Fotosession kostete mal eben DM 30.000. Bei Poptones haben wir eine Kamera, machen das Make-Up selbst, tragen unsere eigenen Klamotten und das ganze kostet DM 300 oder so, und dann werden die Bilder per eMail versandt. Außerdem nehmen wir nicht mehr das Taxi, wir laufen."

Technique
Technique waren einer der letzten Acts, die auf Creation veröffentlichten. Für ihr - zusammen mit Owen Morris (The Verve, Oasis) und Stephen Hague (New Order) produziertes - Album gab es auch schon einen Veröffentlichungstermin, aber bevor die zwei Damen die LP komplett im Kasten hatten, entschied McGee, sein inzwischen von Sony Music kontrolliertes Label aufzugeben. Im Gegensatz zu den meisten anderen früheren Creation-Acts sind Technique nun also auch bei Alans neuestem Baby, Poptones, mit dabei. Ein Glücksfall für das Duo, da ist sich Kate sicher: "Mit Creation hätten wir in Europa nie eine Chance bekommen, weil Sony sich nur auf England konzentriert hat. Dort werden viele Songs einfach in die Charts und ins Radio eingekauft. In unserer jetzigen Situation können wir sicher sein, dass unsere Platte in Deutschland im Radio läuft, wenn sie den Leuten gefällt." Und Xan fügt an: "Wenn jetzt eine Poptones-Platte einschlägt, dann, weil sie gut ist, und nicht, weil jemand eine Menge Geld investiert hat. Wenn die Platte gut läuft, bekommt der Künstler auch viel schneller etwas davon zu spüren. Bei Sony hieß es dann: 'Von eurem Gewinn gehen erst einmal anderthalb Millionen für die Marketingkampagne ab!'"

Für Technique gibt es noch nicht einmal eine richtige Marketingkampagne, die beiden lassen alles ganz langsam angehen und versuchen lieber auf die altmodische Art, mit Qualität statt mit Werbetricks ihr Publikum für sich einzunehmen. Das Motto könnte lauten: "Erst den Soundcheck, dann das Make-Up". Dass dies mit einem - zumindest nach außen hin - glatten Pop-Image nicht unbedingt einfach ist, wissen die beiden nur zu gut. Trotzdem müsse man sich nicht "4 Real" in den Arm ritzen [Richy von den Manic Street Preachers hatte so vor Jahren einem englischen Journalisten beweisen wollen, dass er die Musik ernst nimmt], um anerkannt zu werden, sinniert Kate grinsend. Außerdem: "Wir haben auch unsere dunklen Seiten, wer das unbedingt braucht, bitte. Ich kann auch meine kaputte Kindheit hervorkramen, in der mein Stiefvater meine Mutter wegen eines anderen Mannes verlassen hat, mein Vater mich in Afrika verleugnet hat... Und Xan ist von ihrer Mutter alleine in einer Sozialwohnung aufgezogen worden, und musste schon sehr früh einen Job annehmen und so weiter. Das alles belastet uns aber nicht. Ich bin jemand, der sich sehr gut von solchem Ballast befreien kann. Es geht uns um die Musik, wenn jemand auf solche Geschichten aus ist, können wir sie ihm liefern."

Was uns die zwei sonst noch liefern, sind vor allem schöne Popsongs. Frei von den meisten üblichen Klischees, aber dennoch mit großem Wohlfühlfaktor, der Technique auch hierzulande zu absoluten Strandkorbfavoriten für die Badesaison 2001 machen sollte.

Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Technique
Aktueller Tonträger:
Pop Philosophy
(Poptones/Zomba)
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