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Interview-Archiv

Stichwort:



 
HELIUM
 
Up and away
Helium
Irgendwie hat Mary Timony den Draht zum inneren Kind noch nicht verloren. Aufgedruckt auf einem der beiden aktuellen Tonträger von Helium, der EP "No Guitars" findet sich eine fragmentarische, faszinierende Moritat von seltsamen Wesen, den "Wobs", furchterregenden Kreaturen, die Menschen fressen - krakelig, grausam, geheimnisvoll. Doch des Rätsels Lösung ist recht einfach: "Als ich und mein Bruder als Kinder zusammensaßen, haben wir uns Stories wie diese ausgedacht", erklärt Mary kichernd, "ich hab's auf die Platte gepackt, weil es irgendwie zum Stimmung paßte." Das erklärt auch die seltsame Schreibweise (Creatures = Crechers, burning = bernen etc.) "Oh, ich habe von eurer Rechtschreibreform gehört", meint Mary darauf angesprochen, "das finde ich interessant. Weißt Du, ich bin so schlecht mit Buchstaben und ich würde so gerne die Worte schreiben, wie ich es will." Mary's Drang, die Welt aus einer ganz speziellen Perspektive zu sehen - mit eben z.T. kindlicher Naivität nämlich - bricht sich auf "No Guitars" und der CD "The Magic City" bahn. Mehr denn je, denn wie es der Titel erahnen läßt, handelt "City" von der märchenhaften Seite der Dinge, von Unmöglichen, von traumähnlichen Idealzuständen. Ist das - insbesondere wegen der wesentlich düsteren Ansätze auf den letzten Alben - Eskapismus pur?
Mary: Wenn ich Texte schreibe ist es für mich einfach, mir fantastische Szenarien vorzustellen, wo die Songs stattfinden. Ich denke, daß viele der neuen Songs damit zu tun haben, echt weit weg von hier zu gehen. Meist zu Orten, die nicht existieren. Die Texte sind weniger zornig als bisher. Anstatt mir vorzustellen, z.B. mit gewissen Leuten abzurechnen, stelle ich mir diesmal vor, einfach abzuhauen - in den Himmel, in's Weltall. In gewisser Weise ist dies Eskapismus - aber auf eine George Clinton P-Funk-Mothership-Art. Ich kann mich damit total identifizieren: Funkadelics kreieren ihre eigene Welt - es hat sogar mit Politik zu tun, und zwar weil's die da nicht gibt. Ich mag sowas.

Dieser Ansatz spiegelt sich auch in der Musik wieder, die sowohl gelöster wie auch verspielter ist als bisher.

Mary: Stimmt, die Musik ist auch nicht zornig. Es geht mehr um natürliche Sachen, organischere, wirklichere Sounds anstelle von trashigen. Deshalb auch mehr Keyboards. Wir fühlten uns einfach positiver, als wir diese Stücke aufnahmen.

Wo kommen die mittelalterlichen Anflüge in der Melodik und Instrumentierung her?

Mary: Ich weiß nicht, es hat keine tiefere Bedeutung. Es ist ein auf einfache und witzige Weise zu imitierendes Genre - zumindest, wenn du es in Zusammenhang mit Rockmusik bringst. Das ist aber nicht alleine meine Schuld. Ich habe die Hälfte der Songs mit Ash (Bowe, Bassist von Helium und Polvo) zusammen geschrieben.

Ist die Platte also ein Band-Produkt?

Mary: Ja, genau. Ash hat z.B. dieses Instrumental mit den Explosionen geschrieben. Die hat er mit seiner Stimme gemacht. Es hat sehr viel Spaß gemacht.

Wie sind denn die Stücke entstanden?

Helium
Mary: Ganz verschieden. Manche waren bereits fertig, manche haben sich im Studio entwickelt, manche haben sich so ergeben. Z.B. die extra-langen, die teilweise aus mehreren Tracks zusammengewachsen sind.

Gab es viele Überlegungen über die Reihenfolge der Stücke?

Mary: Ehrlich gesagt nicht. Ich entschied das mehr oder minder auf einer Autofahrt zur Mixing-Session. Wir waren unter Zeitdruck und das Ding mußte raus.

Und bei dem ganzen Prozeß haben Helium einige potentielle Hits produziert. Gerade die ersten Stücke der beiden Platten haben Ohrwurm-Charakter. Obwohl Mary das nicht so sieht. Im Gegensatz zu vielen Rezensenten hält sie Helium nicht für eine Single's Band.

Mary: Ich denke nicht, daß richtige Radio-Hits dadrauf sind. Ich wollte aber auf jeden Fall, daß die Stücke zugänglicher, unterhaltsamer sind als bisher - weil ich das selbst gerne mag. Zum Beispiel ist diesmal das Gitarrenspiel total unwichtig. Wir haben extra das Gewicht mehr auf die Keyboards gelegt.

Produzent, Mitch Easter, kommt ja eher aus der Rock-Ecke. Er produzierte ja bereits R.E.M. Übeträgt sich das auf den Helium-Sound?

Helium
Mary: In gewisser Weise ja. Mitch war aber eher ein Katalysator für unsere Ideen. Er hat auch unheimlich viele Instrumente. Es sieht bei ihm aus, wie in einem Gitarrenladen. Natürlich mußten wir das alles ausprobieren. Deswegen gibt's auch viele verschiedene Gitarren auf dem Album. Und eben die Keyboards.

Ist das was anderes, als auf Gitarre zu komponieren?

Mary: Ja, schon, es macht aber auch Spaß. Es ist kein sooo großer Unterschied.

Wie läßt sich denn dieses komplexe Soundgerüst live präsentieren? Das letzte Mal klebten sie noch Tasten auf einem Synthesizer mit Tesa-Film fest, um Keyboards einsetzen zu können.

Mary: Das ist schwierig. Wir brauchen relativ lange für das Setup. Und wir haben jetzt eine Keyboarderin für Live-Shows. Als nächstes steht ein weiteres Projekt an. Ich habe hier das Skript für unser nächstes Video. Das wird echt cool. Ich arbeite in einer Tankstelle, dann kommen die Jungs mit einem Auto und es verwandelt sich in eine Hummel und wir fliegen in die Wolken...

Nun ja, man muß immer eine Vision haben...

[Erstveröffentlichung im Baby Talk-Fanzine #12, Dezember 1997]

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-



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