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Interview-Archiv

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OCEAN COLOUR SCENE
 
Einige Klassiker
Ocean Colour Scene
Da sassen und lagen sie nun: Simon Fowler, führender Kopf und Vordenker von Ocean Colour Scene und Damon, Bassmann und inoffizieller Promo-Agent der Band. Irgendwie gibt's keine Drogen im Promo-Büro der Plattenfirma. Das drückt dann auf die Stimmung. Da muss irgendwie Erheiterung her. Das aktuelle Baby Talk zum Beispiel.
Kennt ihr die Seahorses?

Damon: Ja, ganz schön Scheiße, was?

Simon: Oh Mann, er ist ein so guter Gitarrist - aber hier gibt's die ganze Zeit nur diese ewige Heavy Metal-Gitarre. Es ist ein Super-Stück auf der Platte, "Blinded By The Sun". Als ich das das erste Mal höre, dachte ich, Wow - das ist es. Ich hab's immer wieder angehört. Aber der Rest - vergiß es.

D: Hat Du die neue Oasis-Scheibe gehört. Die ist verdammt brilliant.

Nun. Immerhin geht's um die neue OCS-Scheibe. Im Gegensatz zur letzten, "Mosely Shoals" ist "Marchin' Already" erstaunlich sortiert und bietet einige hervorragende Klassiker. Leider gab's zur neuen Platte nur ein Info zur alten. Insofern hätte ich gerne gewußt, was zwischen den Scheiben passiert war.

S: Die neue Platte haben wir wieder im eigenen Studio aufgenommen. Ziwschenzeitlich haben wir in England ein B-Seiten Album herausgebracht. Wir haben so um die 120 Gigs gespielt. Weihnachten gefeiert. TV-Shows, Interviews, Photo-Sessions - all sowas gabs zwischendrin.

Hat sich das ganze Live-spielen bezahlt gemacht? Meiner Meinung nach klingt die neue Platte wesentlich stringenter als die letzte. Auch Tracks, die man bereits vom Live-Programm her kannte, kommen geschlossener rüber.

S: Definitiv. Wir haben 120 Gigs gespielt. Das mußte sich doch auswirken. Ich denke, unser Plan war, das zu erreichen. Wenn du eine Platte machst, machst du eine Aufnahme davon, wie du spielst. Je näher wir so der Wahrheit kommen, desto besser. Es geht allerdings mehr darum, Sachen wegzulassen, als hinzuzufügen.

Habt ihr euch diesmal mehr zurückgenommen?

D: Zurückgenommen? Du nimmst dich nicht zurück. Du macht einfach drauflos. Darum geht's bei guten Musikern doch.

S: Es geht um das Feeling, was du hast. Intuition.

D: Du weißt einfach, was zu tun ist. Das ist der Grund, warum wir eine tolle Band sind. Die meisten Bands haben doch keine Ahnung.

So, so. Die Grenze zwischen gesundem Selbstbewußtsein und ungesunder Selbstparodie ist ein schmaler Pfad, auf dem zu wandeln gelernt sein will. Egal: Was war denn der Hauptunterschied im Studio zum letzten Album?

S: Wir haben das Studio ausgebaut. Aber große Unterschiede gab's nicht. Wir hatten eine Tischtennisplatte im oberen Raum.

D: Und wir hatten einen Koch und mehr Drogen.

Wer hat produziert?

S: Wir arbeiten mit Brendan Lynch als Produzent. Wir trafen ihn, als er das "Young Disciples" Album machte, mit Paul Weller arbeitete. Als es um einen Prodzenten ging, war er die offensichtliche Wahl. Seine Hauptaufgabe war eigentlich, sicherzustellen, daß die Platte fertig wird. Sie gut aufzunehmen, zu mischen. Wir haben eine ziemlich klare Idee davon, wie wir klingen wollen. Wenn nicht gleich, dann doch innerhalb einiger Stunden. Brendan fügt auch Sachen dazu, aber es ist nicht so, daß er sagt: "So und so müßte das klingen".

Gibt es Gäste auf dem Album?

S: Ja, wir haben ein Duett mit P.P. Arnold gemacht und wir haben Rico Rodriguez an der Posaune - zwei Stücke Geschichte, sozusagen.

(P.P. Arnold hatte ihre größte Zeit als Pop-Diva in den 60's, Rico Rodriguez gehört zum Urgestein britischer Reggae- und Ska-Musik. Er hatte seinen letzten großen Auftritt in den 80ern als Mitglied bei den Specials.)

S: Wir haben P.P. Arnold bei einem Musical in Birmingham getroffen und danach auf einer Party, wo sie mit uns ein Stück zusammen sang. Von da an ging's weiter. Sie wird mit uns auf Tour gehen, mit einer Band, die von Mick Talbot (Style Council) geleitet wird; sie macht gerade eine Platte mit Steve (Craddock) als Produzent. Wir sind stolz, einen gewissen Anteil daran zu haben. Rico ist jetzt 67 und der Vater von 3 Kindern unter 5 Jahren. Das sollte einiges aussagen. Er hat gerade gelernt zu fahren. Er hat auf der Originalaufnahme von "Sweet Carolina" gespielt, 1960, glaub' ich. Wir haben ihn getroffen, als er in der Blaskapelle von Paul Weller bei einer TV-Show gespielt hat. Wir sind über einen Spliff zusammengekommen. Es ist toll, wenn du so eine gestandene Persönlichkeit hast, die dir praktisch ihren Segen gibt. Macht dich stolz, sowas. Pat's (P.P.Arnold) erster Job war übrigens, mit Ike & Tina Turner zu singen. Sie singt auf "River Deep Mountain High". Es ist ein ganz guter Stammbaum, den wir da haben.

Wie geht das Songwriting vor sich?

S: Ganz verschieden. Manchmal komme ich mit einem fertigen Song - sagen wir mal einer Ballade - die sich dann im Studio ganz dramatisch verändert. Aber meistens geht's ziemlich schnell in eine bestimmte Richtung. Ich glaube einfach deshalb, weil wir daran gewöhnt sind, so zu arbeiten. Es geht wieder um Intuition.

An musikalischen oder soundtechnischen Finessen sind die Jungs nicht so interessiert. Als ich wissen will, warum diese Gitarre spröde und jenes Piano hallig klingt, gibt's dafür keine anderen Gründe, als daß es halt gut klingen sollte.

S: Es ist ziemlich komprimiert - das ist es, was wir normalerweise machen - weil die Beatles es gemacht haben.

Ja, ja, der gute alte Beatles Sound. Das fällt sogar Leuten auf, die sich nicht so sonderlich für musikalische Details interessieren.

S: Natürlich arbeiten wir wie die Beatles. Deren Songs hatten auch Strophen, Refrains, Mittelteile und Solos, nicht wahr?

D: Er singt nicht wie John Lennon, Ich spiele nicht wie Paul McCartney...

Hat ja auch keiner gesagt.

Ocean Colour Scene
S: Die Beatles haben eine Tradition erfunden, die wir nun aufrecht erhalten - in vielerlei Beziehung. Sie haben etwas definiert, von dem jeder, der Musik macht, irgendwo beeinflußt ist. Egal ob sie nun beschlossen haben, der Ära der Beatles zu folgen oder gerade nicht. Du kannst nicht von den Beatles nicht beeinflußt sein. Wenn du Autos herstellst, bist du irgendwo vom T-Ford beeinflußt. Aber ich find's gut. Wenn ich gewußt hätte, daß ich denselben Job wie John Lennon gehabt hätte, hätte ich mich in der Schule weniger angestrengt. Ich wäre nicht hingegangen. Ich hätte sagen können: Ich mach denselben Job wie Elvis und alle hätten gelacht und ich hätte recht gehabt.

Verwendet ihr denn auch altes Equipment?

D: Einiges, ja. Ich meine das Aufnahmeerät ist billig und neu. Aber unsere Gitarren sind alt. Es klingt besser.

S: Alte Gitarren tendieren dazu, besser zu klingen weil das Holz austrocknet und du eine bessere Resonanz erzielst. Ich spiele eine 1962er Gibson. Ich bin sozusagen wirklich froh, daß meine Gitarre gebaut wurde, bevor die Beatles Hit-Platten machten. Meine Gitarre ist älter als die Beatles.

D: Wir benutzen eine ganze Menge digitales Zeug beim Mixen. Wir sind keinesfalls dagegen.

S: Ich weiß zwar nicht soviel vom Mixen. Aber ich denke, da wird immer zuviel Wirbel drum gemacht. Der Sound einer Platte ergibt sich doch dadurch wie die Leute spielen. Als wir begannen, Demos zu machen, fragten wir uns: Warum klingt das so dünn? Und wir haben uns eingeredet, daß es das moderne digitale Zeugs sei. Natürlich war's das nicht. Es ging darum, daß wir diesen schrottigen Gitarrensound hatten, weil wir nicht besonders gut spielen konnten. Es geht auch um die richtige Plazierung von Mikrophonen, aber um ehrlich zu sein: Ich habe von sowas keine Ahnung.

D: Auf unserem letzten Album wurden wir oft gefragt, wie wir diesen Drum-Sound hingekriegt hätten - mit tausenden von Mikrophonen und so. Nein, wir haben nur drei Mikrophone verwendet und ein Handtuch über die Snare gelegt. Es geht nur darum, wie du die Drums spielst. Genauso wie die Bassgitarre: Wenn du sie mit einem Plektrum spielst, klingt sie trocken und knarzig. Wenn du sie sanft spielst, bekommst du einen vollen Sound. Weil alle modernen Mikrophone, alle modernen Mischpulte sind gut. Es ist lediglich die Wiedergabe des Sounds.

Was ist der Hauptunterschied zwischen live-spielen und Studioaufnahmen.

D: Daß du es wiederholen kannst. Es ging übrigens nicht darum, unseren Live-Sound einzufangen, wir wollten live aufnehmen. Das ist einfach das Beste, wenn wir zusammenspielen.

S: Worum es mir ging war, das Feeling rüberzubringen, das entsteht, wenn ich zur Gitarre und den Drums singe. Es geht um Interaktion, es geht darum, das richtige Feeling für jeden Song zu finden. Wenn es keine Verbindung gibt, dann klappts auch nicht.

D: Das ist die Magie der ganzen Sache. Wenn Du live spielst und es klingt fantastisch gibt's da keinen bestimmten Grund für. Es ist halt so, daß alle zur selben Zeit gleich intensiv interagieren, alles für den Song geben. Da gibt's Tapes von uns, die beinahe perfekt klingen, was das Zusammenspiel betrifft. Und wenn Du das im Studio hinbekommst, das ist das ultimative Ziel.

Erinnert ihr euch gerne an eure Gigs?

D: Manchmal ja. Aber ehrlich gesagt, erinnert man sich mit der Zeit eher an die Hotels als an die Gigs. Live-Gigs sind für den Augenblick.

Wie wichtig sind die Texte?

D: So wichtig wie die Musik - nicht wahr - wie der Sound und die Melodie. Simon ist ein besonderer Songwriter. Da geht's nicht nur darum Texte zu schreiben, damit sie da sind.

S: Die Sache mit den Texten ist, daß für Leute, die die Platte kaufen, einige Textpassagen länger im Gedächtnis bleiben, als die Melodie. Einige Texte bleiben ein Leben lang bei dir. Deswegen sind die Texte auch auf dem Cover. Ich schreibe nicht mit einem Plan, aber ich hoffe, daß einige meiner Texte wichtig genung sind, daß sich einige Leute sie zu Herzen nehmen werden.

Magst du es denn, durch deine Texte analysiert zu werden?

S: Ich möchte mal sehen, wie das jemand versucht. Ich fände sowas sehr schwierig. Es stimmt zwar, daß Texte mit der Musik zusammengehen sollten. Ich denke aber, daß Texte sowieso nicht gelesen werden sollen. Nimm Shakespeare z.B.: Wenn du es liest, ist es öde. Diese Sachen sind geschrieben worden, um gehört zu werden. Wenn du dir ein Stones-Album kaufst, und die Texte sind nicht drauf, kannst du nachher nicht alles verstehen. Versuch mal ein Cover von einem Song zu machen, von dem du die Texte nicht hast: Du kriegst 3/4 hin und denkst den Rest verstehen zu können und du schreibst es hin und singst es so. Ein paar Jahre später findest du dann raus, daß es total was anderes war. Dann kommst du dir vielleicht blöde vor. Das sind auch Gründe, die Texte auf dem Cover abzudrucken.

Wie geht es weiter?

D: Was immer kommt, passiert natürlich.

S: Ich denke, daß das nächste Album vielleicht ein wenig härter wird. Was ich mal möchte, ist ein Album zu machen, von dem wir die Songs bereits spielen können, wenn wir sie aufnehmen.

[Erstveröffentlichung im Baby Talk-Fanzine #12, Dezember 1997]

Weitere Infos:
www.oceancolourscene.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-



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