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MINE
 
Gute Mine
Mine
Es gibt ja nun wirklich so einige Merkmale, die die Berliner Songwriterin, Produzentin, Kreativ-Kollaborateurin, crowdfundende Konzertorganisatorin, DIY-Orchesterleiterin, Impresaria, Gebrauchspoetin, Video-Skripteuse und Musikmalerin Mine auszeichnet. Neben den zuvor genannten merkwürdigen Berufungs-Bezeichnungen sind das vor allen Dingen ihre Bereitschaft, auf kreativer Ebene scheinbar unvereinbares miteinander zu vereinen und sich dabei mit einer bemerkenswerten Offenheit gar nicht selbst als Nabel der Welt zu sehen, sondern ganz offen zu ihren Schwächen zu stehen. Nach zwei Alben unter eigenem Namen, dem Live-Monument "Mine & Orchester", der Fatoni-Kollaboration "Alles Liebe nachträglich" gibt es jetzt unter dem Namen "Klebstoff" auch wieder ein neues Mine-Album, auf dem das alles auch wieder recht anschaulich deutlich wird. Die Sache mit dem Klebstoff ist dabei nicht so ganz einfach zu erklären.
"Also, den Song habe ich geschrieben, bevor der zum Titel wurde", erklärt Mine, "zum einen mag ich das Phonetische daran total gerne - ich finde nämlich, dass das ein sehr schönes deutsches Wort ist. Und gleichzeitig finde ich, dass das ein sehr ausdrucksstarkes Wort ist. Zum einen klingt es so, wie der Inhalt ist und zum anderen ist es etwas, was an einem Kleben bleibt. Etwas, das dich durch's Leben trägt, von dem man nicht loskommt oder das man - wie in meinem Fall - verarbeiten muss; zum Beispiel das Schreiben von Songs. Dann wurde mir das auch ganz schnell klar, dass ich das bildlich darstellen wollte. Mein Vater hat ein Buch über die ganzen Pirelli-Kalender der letzten Jahre. Auf dem Cover ist das Foto einer Frau, der Wachs über das Gesicht läuft, das schon getrocknet ist und wie Eiszapfen aussieht. Das fand ich total krass und dachte, dass ich sowas mit Klebstoff-Masse machen wollte. Aber ich muss gleich sagen, dass das kein Klebstoff auf dem Foto war, sondern Agavendicksaft. Das war aber trotzdem eine Sauerei." Nun gut - das erklärt den visuellen Aspekt. Wie ist es aber mit der inhaltlichen Interpretation - abgesehen vom phonetischen Aspekt. Wieso wurde ausgerechnet Klebstoff zum Leitmotiv? "Es ist bei mir eher so, dass sich Songs ansammeln, denn ich bin niemand, der mit einem Konzept an die Sache herangeht - außer vielleicht bei dem Fatoni-Projekt, wo wir uns überlegt hatten, dass es kein Album mit guten deutschen Love-Songs gibt. Aber normalerweise sammele ich so anderthalb Jahre Songs, die sich mit diese Phase meines Lebens beschäftigen, sodass die Sachen automatisch schon ganz gut ineinandergreifen - auch vom Sound her."

Was hat es denn mit dem Videoprojekt zu dem Song "Klebstoff" auf sich? Hier stellte sie sich mit einem weißen Anzug auf eine Berliner Brücke neben ein Schild, auf dem stand "Ich bin nicht mein bestes Ich?" und bat die vorbeikommenden Leute, ihren Namen auf den Anzug zu schreiben, wenn sie der Aussage zustimmten. "Ja, genau", bestätigt Mine, "das war total krass, weil wir ja nicht wussten, was passiert und nach einer halben Stunde war ich schon total vollgeschrieben. Denn die Leute sind sehr viel offener als gedacht, wenn man sie triggert." Womit wir dann beim Thema "Musiktherapie" wären. "Ja, das ist sie ja auch", bestätigt Mine, "ich schreibe ja auch immer voll autobiographisch. Und selbst wenn es Situationen sind, die ich bei Freunden beobachtet habe und die mich dann so bewegen, dass ich sage 'woah - voll krass - jetzt habe ich die Welt verstanden'. Darüber schreibe ich dann gerne."

Kommen wir mal zur Musik: Es gibt momentan ja wohl kaum eine andere Künstlerin die Gästen oder Kollaborateuren so viel Freiheiten einräumt wie Mine. Beispielweise indem sie den Kollegen dann bei der Gestaltung ihrer Parts freie Hand lässt. "Ja, das ist mir auch voll wichtig", führt Mine aus, "ich würde niemals den Part eines anderen schreiben. Ich mache auch keine Vorgaben - erwarte aber, dass das mir dann auch gegönnt wird und mich niemand verbessert. Es ist so: Wenn ich das Bild von einem Maler kaufe, dann sage ich ja auch nicht: 'Kannst du da noch einen anderen Strich hinmalen'. Und das ist das Gleiche mit Musikern. Wenn ich einen Musiker habe, den ich cool finde und mit dem ich zusammenarbeiten will, dann gebe ich ihm Platz und lasse ihn machen. Bei einem eigenen Album habe ich dann ja immer noch die Möglichkeit zu sagen, dass ich das dann nicht drauf packe, wenn es mir nicht gefällt - aber ich würde nicht hingehen und darum bitten, Zeilen zu ändern oder so etwas. Denn das ist nicht mein Kunstverständnis." Das ist ja dennoch ein sehr ungewöhnlicher und mutiger - bzw. selbstbewusster - Ansatz. Gilt das auch für die Musik? "Nein - die Musik mache ich schon selber", schränkt Mine ein, "soweit meine Kompetenz reicht. Ich schreibe auch die Partituren für die Bläser und Streicher selbst. Aber ich kann nicht so gut ausproduzieren und habe habe da meine zwei Jungs, mit denen ich schon lange zusammenarbeite. Mit denen mache ich das dann fertig und die bringen dann auch noch geile Ideen dazu. Es kommt nur ab und an Sachen, die ich fertig produziere. Aber bei meinen eigenen Platten hole ich mir Leute dazu, weil ich alleine die Kompetenz in Sachen Engineering nicht habe."

Wie funktioniert das überhaupt mit dem Sounddesign bei Mine? Die Live-Versionen unterscheiden sich ja erheblich von den Studio-Versionen. Auf "Klebstoff" gibt es ja auch zwei neue Stücke "Guter Gegner" und "Schwer bekömmlich", die bereits zuvor auf dem Orchester-Album zu hören waren. "Wir haben lange überlegt, wie wir das machen wollten", erklärt Mine, "'Guter Gegner' ist nämlich mehr ein Duett als ein Album-Song, denn der erste Teil stammt von Großstadtgeflüster und nicht von mir. Wir haben beschlossen, etwas gemeinsam zu machen und ich habe dann den Teil von Großstadtgeflüster genommen und fertig ausproduziert. 'Schwer bekömmlich' ist sogar ein älterer Titel, den ich ursprünglich für eine andere Scheibe geschrieben hatte, auf die er es aber nicht geschafft hatte. Ich liebe diesen Song über alles und wollte die Gelegenheit nutzen, ihn noch mal auf meine Platte zu nehmen. Auf der neuen Scheibe ist dann alles mögliche drauf: Streicher, Bläser, Kontrabass, Drums, Querflöte. Das ist mir wichtig, weil ich denke, man hört so etwas. Ein Sample kann niemals so fragil und dynamisch sein, wie wenn du es richtig aufnimmst. Da bin ich schon ein Fan der alten Schule." Gehört dazu auch das Konzept, möglichst obskure Instrumente zu sammeln? "Sammeln ist so eine Sache", schränkt Mine ein, "denn das ist natürlich auch wahnsinnig teuer. Aber ich habe ein großes Interesse an Sounds. Wenn etwas cool klingt, dann will ich es eigentlich auch schon gerne haben."

Mine
Was ist Mine denn konzeptionell am Wichtigsten? "Ich höre unheimlich viele unterschiedliche Musik - Klassik wie Schubert und Bach, aber auch Straßenrap oder quietischigen Pop - ich will mich einfach nicht eingrenzen. Ich finde auch den ganzen Gedanken, dass etwas so und so zu sein hat, damit es noch real ist nicht gut. Das sehe ich ganz anders. Ich finde, dass Musik auf so vielen Ebenen so viel zu geben hat. Und ich möchte jedem Song das geben, was er braucht um geil zu sein. Das wichtigste ist für mich nur eine einzige Sache - und das ist, dass mich etwas emotional berührt; egal auf welche Weise. Kann sein, dass ich das cool finde und Bock habe darauf zu tanzen oder in Strömen weine wie bei den Cranberries. Das ist ganz egal - Kunst muss irgendetwas mit dir machen."

Hat Mine eigentlich immer schon auf Deutsch gesungen? "Ja, ich habe auch immer auf Deutsch komponiert", erklärt Mine. "bis auf ein Experiment mit einem griechischen Produzenten für eine Dance-Platte auf Englisch. Ich habe dann aber festgestellt, dass das nicht so mein Ding war. Ich finde nämlich, um gut in einer Sprache schreiben zu können, muss man entweder Muttersprachlerin sein oder zumindest lange Zeit in dem betreffenden Land gelebt und die Sprache täglich gesprochen haben. Ich verstehe schon lange gut Englisch und ich gucke auch nur Filme in der Originalsprache, so dass es mir nicht an Vokabular fehlt, aber ich finde, dass man verschiedene Dinge auf verschiedene Art ausdrücken kann und sich das dann immer auch unterschiedlich anfühlt. Und dieses Gefühl entwickelt man nur dann in einer Sprache, wenn man sie täglich spricht. Deswegen würde ich mich wie in einem Gefängnis fühlen, wenn ich auf Englisch sänge und fühle mich recht wohl mit der deutschen Sprache." Manche sagen ja auch, dass Deutsch viel exakter als Englisch sei - ist das auch ein Grund, in dieser Sprache zu arbeiten? "Ja, ich mag das auch weil sie so kantig ist", bestätigt Mine, "und es gibt viel mehr Wörter - was ich gerade so spannend finde. Auch wie mit der Sprache umgegangen ist, ist sehr viel fragiler. Man knallt selten plakative Sachen raus, dafür gibt es viele Möglichkeiten zwischen den Zeilen etwas zu sagen und trotzdem gibt es 12 verschiedene Worte, Dinge auszudrücken. Und es lassen sich auch ganz einfach neue Worte bilden." Oder die Bedeutung verändern - wie bei "Das Ziel ist im Weg"? "Genau - wobei ich sagen muss, dass das gar nicht meine Idee war, denn ich war in einer Wohnung, wo ein Kühlschrankmagnet war, wo mit Buchstaben 'Das Ziel ist im Weg' geschrieben stand. Da war mir sofort klar, dass das ein Albumtitel werden würde."

Jetzt hat Mine ja schon einiges erreicht: Mit einem Orchester gearbeitet, alle möglichen musikalischen Stile ausprobiert, mit vielen interessanten Kollegen zusammengearbeitet usw. Fehlt da noch etwas? Gibt es etwas, was Mine noch unbedingt machen möchte? "Na klar - es gibt alles Mögliche", erklärt Mine, "viele Sachen scheitern einfach auch am Finanziellen. Mit einem Orchester zu arbeiten ist ja eine Sache, wo man so viel drauflegen muss, dass es sich kommerziell sicher nicht lohnt. Da muss man erst mal sparen - trotz Crowdfunding. Ich habe noch so viele Sachen vor - aber ich will darüber gar nicht so viel sagen, weil ich mir bei vielem auch nicht sicher bin, ob das so, wie ich es mir vorstelle, klappen kann. Wenn ich weiß, dass es rund ist, werde ich es kommunizieren. Aber manchmal ist es ja auch so, dass Ideen irgendwo anders hinwachsen. Ich habe also noch sehr viel vor - aber was, möchte ich jetzt noch nicht sagen. Die größte Herausforderung, wenn ich an etwas arbeite, ist es schließlich, meinen eigenen Geschmack zu erfüllen."

Weitere Infos:
minemusik.de
www.facebook.com/MineMusik
www.instagram.com/minemusik
www.youtube.com/user/MinesToene
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Mine
Aktueller Tonträger:
Klebstoff
(Caroline/Universal)
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