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ALICE PHOEBE LOU
 
Auseinandersetzung
Alice Phoebe Lou
Als die seit einigen Jahren hauptsächlich in Berlin residierenden Südafrikanerin Alice Phoebe Lou zunächst mit der selbst produzierten Live-EP "Live At Grüner Salon" und dann mit ihrem offiziellen Debüt "Orbital" antrat, tat sie das mit einem höchst interessanten Konzept: Alice Phoebe Lou hatte ihre musikalischen Erfahrungen nämlich weder im heimatlichen Schlafzimmer gesammelt (wie heutzutage die YouTube-Generation), noch auf den Bühnen von Clubs und Kneipen, schon gar nicht bei Casting-Shows oder Lehrgängen - sondern auf der Straße. Als Straßenmusikerin hatte sie nämlich gelernt, in einen konstruktiven Dialog mit dem Publikum zu treten, ihre Überzeugungen unverblümt deutlich zu machen, sich Gehör zu verschaffen, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten und nicht zuletzt einen eigenen, organischen musikalischen Stil zu entwickeln. Obwohl Alice auf ihren weltweiten, selbst organisierten Touren inzwischen durchaus auch in regulären Spielstätten Erfolge feiert, bleibt sie konsequent ihrer Basis treu und spielt - wann immer es sich zeitlich noch einrichten lässt - auf der Straße. Während das Debüt-Album "Orbital" einen allumfassenden, universellen Anspruch hatte, geht es auf dem neuen Werk "Paper Castles" deutlich persönlicher zu - auch wenn Referenzen an das Weltall nach wie vor eine gewisse Rolle spielen und auch politische Inhalte keineswegs zu kurz kommen. Steht Alice nun also mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen?
"Vielleicht ja", überlegt Alice, "ich habe zwar nicht in dieser Richtung gedacht, aber man könnte das durchaus so sehen. Ich finde, dass es dieses Mal deutlich persönlicher und deutlich mehr auf mich bezogen ist. In Songs wie 'Galaxies' und 'Little Spark' gibt es immer noch Bezüge zum Weltall, aber in dem Sinne, dass wir als Menschen im Vergleich mit dem Universum klein und unbedeutend sind. Im Allgemeinen sind die Themen des neuen Albums mehr auf Menschen und meine Erfahrungen als heranwachsende Frau bezogen. Es geht darum, die Traumata, die ich als Teenager oder Kind durchlebte, zu überwinden oder diese zu verarbeiten. In diesem Sinne ist das Album also tatsächlich sehr viel bodenständiger." Das alles bestätigt sich auch durch das Covermotiv, auf dem dieses Mal ein Photo von Alice als Kind zu sehen ist. "Ganz genau", bestätigt sie, "ich fand es sehr furchteinflößend, solch persönliche Songs zu schreiben, denn vor ein paar Jahren war es mir noch sehr viel schwerer gefallen, mich mit diesem Teil meiner Selbst auseinanderzusetzen. Ich hoffe aber, dass diese persönlicheren Songs durchaus auch für andere noch nachvollziehbar sind, denn ich beschäftige mich mit meiner Kindheit und Situationen aus der Vergangenheit, um diese zu verarbeiten und so nach vorne blicken und die Zukunft gestalten zu können."

Wenn Alice einräumt, dass es schwierig für sie sei, so persönliche Songs wie z.B. "Skin Crawl" oder "Something Holy", die sich mit dem Thema Date-Rape beschäftigen, zu schreiben, stellt sich die Frage, ob das vielleicht auf der anderen Seite auch eine Motivation oder Herausforderung ist, gerade das zu tun? "Ich denke es ist eine Kombination aus dem Bedürfnis, die beschrieben Situationen verarbeiten - und einem inneren Drang, diese Stücke schreiben zu müssen", überlegt Alice, "als Songwriter musst du irgendwann Themen finden, die dich selbst emotional stark bewegen. Jedenfalls ist das bei mir so. Du kannst nicht Songs über 'nichts' singen. Man muss also tief in sich hineinhorchen und die Musik als Therapie für dich selbst begreifen. Ich habe dann erkannt, dass die Songs, die ihren Ursprung in diesem Prozess haben, sehr viel kraftvoller sind, als solche, die konstruiert werden." Wenn aber man einen Song als Musiker veröffentlicht hat, dann gehört er einem doch nicht mehr wirklich, oder? "Ja, das ist wohl wirklich zu einem gewissen Grad so", bestätigt Alice, "und ich bin ja auch glücklich damit, dass Kunst nicht mehr dir gehört, wenn sie von anderen Leuten gesehen oder erfahren wird. Denn wenn ich Songs schreibe, dann tue ich das zwar aus persönlichen Motiven - aber ich hoffe doch auch, dass andere ihre eigene Interpretation einbringen können - auch wenn diese komplett unterschiedlich zu dem ist, was ich mir selbst vorgestellt oder beabsichtigt habe."

Ein Song sticht auf der Scheibe besonders heraus - und das ist das Stück "Finbos". Finbos ist eine Vegetationsform, die typisch ist für die Gegend um Kapstadt, in der Alice aufgewachsen ist. Insofern ist dieser Song nicht nur besonders persönlich, sondern auch besonders spezifisch für Alice, oder? "Finbos ist eine der vielfältigsten Pflanzenformen der Welt", erläutert Alice, "auf dem Tafelberg gibt es zum Beispiel mehr Finbos-Unterarten als im ganzen vereinigten Königreich zusammen. Es gibt unglaublich viele verschiedene Farben, Formen, Strukturen und Gerüche und die Buschleute haben diese Pflanzen als Kräuter und Heilmittel eingesetzt. Ich wuchs in einem Haus beim Tafelberg mit einem riesigen Garten auf. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke und daher, wo ich herkomme, dann denke ich an diesen Garten und was das für mich bedeutete. Den Song habe ich geschrieben, als mein Vater das Haus verkaufen musste, weil er kein Geld für den Unterhalt mehr hatte. In dem Stück geht es also um dieses Konzept der Verlorenheit - diesen Ort, der meine Kindheit repräsentierte, nicht mehr zu haben. Der Finbos war für mich immer ein Rückzugsort - und er repräsentiert meine Liebe zur Natur, obwohl ich ja eigentlich ein Stadtmädchen bin. Denn ich habe erkannt, dass ich dann besonders mit mir im Reinen bin, wenn ich von der Natur umgeben bin." Das heißt im Umkehrschluss aber dann ja sicher auch, dass die Umgebung, in denen die Songs von Alice entstehen, prägend für diese sind, oder? "Absolut", bestätigt sie, "denn wo ich mich gerade befinde, hat auch psychologisch einen starken Effekt auf mich. Mag sein, dass manche Songwriter sich von der Umgebung lösen, wenn sie Songs schreiben - dazu gehöre ich aber nicht. Vermutlich auch deswegen, weil ich ja keine ausgebildete Musikerin bin und eher von einer intuitiven und persönlichen Warte aus agiere. Die Umgebung bedeutet mir also alles. Manchmal kann ich auch gar keine Songs schreiben - bis ich nicht eine geeignete Umgebung gefunden habe. Wenn ich jedes Jahr für zwei Monate nach Südafrika zurückkehre, mache ich auch erst mal einen Ausflug an der Ostküste entlang - und dort schreibe ich dann auch die meisten Songs."
Alice Phoebe Lou
Kommen wir mal zur Musik von Alice: Sie erwähnte ja bereits, dass sie keine ausgebildete Songwriterin sei. Das gilt dann gewiss auch für ihre Musik, oder? Denn diese entfacht sich - ohne erkennbaren stilistischen Ambitionen - ja auch irgendwie sehr intuitiv und instinktiv. "Ja - tatsächlich ist es mir sogar sehr wichtig, dass meine Songs keine offensichtliche, klare Struktur haben", erläutert Alice, "denn ich habe ja kein klassisches Training. Ich weiß meistens nicht ein Mal die Namen der Akkorde, die ich spiele und ich weiß nichts von musikalischer Theorie. Die intuitive Natur meiner Musik ist dabei wichtig für die Art, in der mich ausdrücke. Ich mag meine eigenen Aufnahmen auch dann lieber, wenn sie in einem spontanen Setting produziert wurden. Und zwar deswegen, weil sich das lebendiger anhört und auch mehr nach Stream Of Consciousness." Nun ist es aber doch so, dass Alice und ihre Band bei Live-Konzerten zuweilen ganz anders klingen, als auf den Studioaufnahmen. Das kann auf der Bühne zuweilen überraschend laut und druckvoll werden und auch deutlich üppiger instrumentiert sein, als im Studio. Reizt es Alice denn gar nicht, diese Aspekte auch ein Mal im Studio einzufangen? "Ich denke, dass alles möglich wäre", überlegt Alice, "wobei es natürlich vor allem auf die Songs ankommt. Ich ändere die Live-Shows und die Arrangements ja auch dauernd. Nicht nur, um dem Publikum etwas bieten zu können, sondern auch um die Sache für mich selbst und die Band unterhaltsam zu machen - damit wir auch genießen können, was wir tun. Aber wie gesagt: Es hängt von den Songs ab. Momentan haben wir halt ein Set, das eher ätherisch angelegt ist - wobei wir die energischen Partien schon entsprechend verstärken. Ich möchte dabei aber keinem bestimmten Schema folgen, denn die Leute sollen meine Songs wie Geschichten wahrnehmen."

Nun - niemand käme wohl auf die Idee, Alice Phoebe Lou vorzuwerfen, dass sie sich an irgendwelche Regeln und Formate hielte - denn gerade der Umstand, dass sie ja eben zwar konsequent und dennoch impulsiv ihren eigenen Weg geht, zeichnet Alice Phoebe Lou als in jeder Beziehung unabhängige Songwriterin und Performerin in besonderer Weise aus.

Weitere Infos:
www.alicephoebelou.com
www.facebook.com/alicephoebeloumusic
www.instagram.com/alicephoebelou
www.youtube.com/watch?v=fFNofGHHozg
www.youtube.com/watch?v=nDxHWFInYFo
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Elliott Mckee-
Alice Phoebe Lou
Aktueller Tonträger:
Paper Castles
(Motor Music/edel)
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