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TRAVIS
 
Die Wohlfühlband
Travis
Travis kommen aus Schottland. Doch entgegen der üblichen Vorurteile sind sie eines gewiß nicht: Sparsam. Bei Travis wird - im Gegenteil - sogar ziemlich dick aufgetragen. Fette Riffs, Mitgröl-Melodien, knackiger Rhythmus - das steht bei Travis im Vordergrund. Travis ist in diesem Sinne eine klassische Live-Band. Was auf dem Album noch vergleichsweise schwerfällig 'rüberkommt, geht live ganz gut ab. Was daran liegt, daß die Band hier so richtig schön die Sau rausläßt und vor allem das Publikum, die Fans tüchtig mit einbezieht. (Das mit dem Familiengedanken führt sogar soweit, daß auf dem Cover der Platte Polaroids von Fans abgebildet sind, versehen mit einem großen "Thank You"-Schild. Wo gibt's denn sonst sowas?) Sänger Fran entpuppt sich live gar als charmanter Entertainer der alten Schule: "Ich wurde in dem Glauben erzogen, daß du mit den Leuten reden sollst", erklärt er, in einer der äußerst eloquenten Pausen zwischen den Songs, "viele Bands stehen einfach nur rum und sagen nichts. Ich finde es aber wichtig, mit euch zu reden. Und wenn ihr uns nicht verstehen könnt - macht doch nichts. Die Jungs aus der Band sprechen die selbe Sprache wie ich, und trotzdem haben sie zuweilen keine Ahnung von dem, was ich sage."
Travis haben sich von Anfang an dazu entschlossen, die Ochsentour über die Live-Schiene zu fahren. "Uns gibt's schon ganz schön lange", beschreibt Gitarrist Andy die Situation, "wir haben uns live eine gute Reputation erspielt. Als wir dann das Album aufnahmen, waren wir soweit. Du kannst es hören, wenn Bands zu früh ins Studio gehen. Sowas sollte uns nicht passieren." In der Tat klingt "Good Feeling" ja ganz schön rund. Trotzdem kann man so seine Probleme mit der Platte haben. Einerseits kommen die Tracks zuweilen recht schleppend daher, andererseits kann man die Präferenzen der Band nicht immer nachvollziehen. Z.B. war die erste Single, "All I Wanna Do Is Rock", eine ungewöhnliche Wahl, da es sich um ein recht eigenartiges, irgendwie zerdehntes Stück Musik handelt, welches nichts von den Mitsing-Qualitäten anderer Tracks hat. Travis sehen das jedoch anders. Drummer Neil erklärt das so: "Es stand für uns von Anfang an fest, daß wir dieses Stück als Single veröffentlichen wollten. Es ist unsere Hymne, unser Leitmotiv. Alles, was uns ausmacht findest Du in diesem Stück. Alles, was wir immer wollten, ist Rockmusik zu machen. Was konnte dies besser ausdrücken als dieser Song?"

Hymne ist ein gutes Stichwort. In den Songs von Travis wimmelt es nur so vor La-la-la-Mitsing-Chören. Auch in dieser Beziehung bleiben Travis ihrer Politik der Fan-Anbindung treu. Eine der erstaunlichsten Tatsachen ist für den musikhistorisch Interessierten die Tatsache, daß das Album von Steve Lilywhite produziert wurde. In den 80ern war Lilywhite einer der stilbildendsten Produzenten überhaupt. Es gab gar einen typischen Lilywhite-Sound: Gitarrenwände ohne Ende, mit jeder Menge Feedback, zusammengedrängt in einem engen Soundspektrum, welches fast wie Mono klang. Nichts davon hier: "Good Feeling" klingt eher wie eine 70's Glam-Rock-Platte.

"Wir haben uns Lilywhite ausgeguckt, weil er die richtige Art von Energie hatte, und nicht, weil er ein bekannter Produzent ist", erklärt Andy, "wir haben viele Produzenten getroffen, doch die meisten wollten uns erzählen, wie wir zu klingen hätten. Etwas merkwürdig, wenn man bedenkt, daß wir soviel Energie investiert hatten, um zu einem eigenen Stil zu finden. Uns ist es aber immens wichtig, unser Ding durchziehen zu können. Deshalb sind wir auch zu dem Label Independiente gegangen. Es ist klein, überschaubar und man kümmert sich um uns. Da besteht nicht die Gefahr wie in großen Plattenfirmen, daß man kurzfristig verbraten wird - trotz Sony."

Bei aller Ernsthaftigkeit, was die Musik betrifft, ist für Travis auf jeden Fall der Spaßfaktor wichtig. Die Live-Auftritte vermitteln dies ebenso wie Fran's Texte (man höre sich nur mal "U 16 Girls" oder "Good Day To Die" an. (Oder man schaue sich mal das Travis-Logo an, welches seine Herkunft vom Texaco-Stern nur schwer verleugnen kann). Doch mitunter mischen sich auch mal Statements ins Getümmel. Ist "Tied To The 90's" so eine Art Bestandsaufnahme?

"Du kannst ja nicht übersehen, daß wir in den 90ern leben", erklärt Neil, "insofern ist es auch eine Bestandsaufnahme, ja. Immerhin haben die 90er unsere Generation geprägt."

Travis
Aber genug davon: Travis sind vorwiegend dazu da, gute Laune zu verbreiten. Eine Frage bleibt jedoch noch offen: Wer ist eigentlich Travis?

"Travis war der Name des Harry Dean Stanton Charakter in Wim Wenders' Film "Paris Texas", den wir alle ganz toll finden", lüftet Andy das Geheimnis. Hier etwas hineindeuten zu wollen, ist allerdings sicherlich nicht notwendig, denn bei Travis kann man fast sicher sein, daß es sich hierbei um einen Witz handelt.

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #1, August 1998]

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

Aktueller Tonträger:
Good Feeling
(Independiente/Sony Music)

 
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