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TRIXIE WHITLEY
 
Alles ist Reise
Trixie Whitley
Als Trixie Whitley 2013 ihr Solo Debüt "Fourth Corner" veröffentlichte, war sie fast schon eine Veteranin des Business - denn bereits als Kind hatte sie auf diversen Alben ihres viel zu früh unter tragischen Umständen verstorbenen Vaters Chris Whitley mitgesungen. Später versuchte sie sich dann am Theater, beim Ballett und als DJane. Mit 17 wandte sie sich dann endgültig der Musik zu und begann 2008 auch eigenes Material auf EPs zu veröffentlichen. 2008 war auch das Jahr, in dem Daniel Lanois interessehalber Kontakt zu Trixie Whitley aufnahm und sie an das renommierte Berklee College einlud, wo er lehrte. Dort begann auch eine Zusammenarbeit, die 2010 schließlich zu der "Supergroup" Black Dub führte, die Lanois zusammen mit Trixie als Vokalistin ins Leben rief. Erst danach - und nachdem sie zwei weitere EPs (eine davon mit Live-Aufnahmen aus der New Yorker Rockwood Music Hall) veröffentlicht hatte, hatte Trixie auch Zeit sich um ihr Solo-Album zu kümmern, das 2013 erschien und mit dem sie sich erstmalig als Headlinerin live bei uns präsentierte.
Damals erlebte man eine intensive, leidenschaftliche aber hochnervöse und distanziert wirkende Künstlerin, die offensichtlich noch nach einem eigenen musikalischen Weg suchte. Im Prinzip könnte man sagen, dass sie diesen spätestens mit dem Erscheinen ihres zweiten, brillanten Albums "Porta Bohemica" gefunden hat - denn hier findet sich eine zwar eklektische Sammlung von Songs, die aber - jeder für sich - optimal inszeniert erscheinen und mit einer erstaunlichen musikalischen Übersicht und Vielseitigkeit brillieren und in der sich Trixie als Musikerin und Performerin deutlich gereift präsentiert. ABER: Wie das oft so ist mit dem offensichtlichen Schein - zuweilen stellt sich die Sache etwas anders dar. "Porta Bohemica" ist nämlich der Name einer historischen Zuglinie, die Trixie als Metapher für jene andauernde musikalische und entwicklungstechnische Reise wählte, auf der sie sich selbst hauptsächlich sieht. Irgendwann führt dies sogar zu der Aussage, dass irgendwie alles im Leben eine Reise sei. "Ich hoffe doch sehr, dass ich mich weiter entwickelt habe", meint Trixie, "ich habe bei der neuen Scheibe zum Beispiel mehr Produktionsaufgaben übernommen und ich habe mir wirklich viel Zeit für die neuen Songs genommen." Macht das denn Spaß, sich um die technischen Aspekte selbst zu kümmern? "Nun, ich bin keine besonders mechanische Person", räumt Trixie ein, "aber ich bin von Klängen fasziniert und ich mag es, die Sachen zu mischen - was ich allerdings bei dieser Scheibe gar nicht gemacht habe. Ich bin dabei jemand, der eher intuitiv arbeitet. Das bedeutet also, dass mich Knöpfe und Hebel nicht besonders anmachen - ich mich aber von dem Prozess als solchem inspiriert fühle. Nicht nur, was die Musik, sondern alle alle kreativen Entscheidungen betreffend."

Trixie hat das neue Material gründlich überarbeitet, bevor es den Weg auf die Scheibe fand. "Ja, ich habe mir halt Zeit gelassen", bestätigt sie, "ich hatte nach der letzten Tour dieses ganze Material, das ich aufnehmen wollte. Aber dann entwickelte sich dieser Prozess, in dem ich mir nur die Rosinen heraussuchte. Was passierte, war, dass ich bei dem ganzen Prozess dem Zufall und der Gelegenheit als solcher öffnete. Es gab immer so viele Ideen, die ich zunächst auf einen gewissen Zusammenhang untersuchen musste. Meine Art zu arbeiten ist dabei die, allen Ideen zunächst mal eine Chance zu geben und dann auf meinen Instinkt zu hören. Es ging also darum, erst mal Material anzuhäufen und dann einen Schritt zurückzutreten, und die Sache wieder auf ein vernünftiges Maß zurückzuführen, um zum Endresultat zu gelangen." Wobei weiß Trixie dann, wann ein Song fertig ist? "Hah - manchmal weiß man das sofort", meint sie amüsiert (was nicht so häufig vorkommt), "manchmal ist das ganz schön schwierig, denn das Ziel ist ja immer, dass alle Songs für die CD schon fertig sein sollten. Das ist aber nicht so einfach, denn einiges Material war in meinem Kopf zwar vollständig fertig - hatten aber erkennbar noch nicht ihr Potential ausgeschöpft. Da musste man dann abwarten." Musik hat also ein Eigenleben? "Ja, gewiss", stimmt Trixie zu, "das Ziel bei dieser Scheibe war, zwar den Prozess, nicht aber die Musik zu kontrollieren, sondern herauszufinden, was die Musik und der kreative Prozess mir sagen wollten. Und am Ende des Prozesses befand ich mich an einem ganz anderen Punkt, als zu Beginn der Aufnahmen. Die Songs, die es auf die Scheibe schafften, waren dann tatsächlich die, die am Ende der Session entstanden. Das sagt auch etwas über meine Reise als Songwriterin und Künstlerin aus. Ich habe nämlich generell nicht so viel Geduld für das Mittelmaß als solches und so ist es natürlich auch immer mein Ziel, meine eigenen Grenzen zu erweitern und mich herauszufordern." Ist das auch der Grund, warum es nur neun Tracks auf dem neuen Werk gibt? "Ja, das war eine ganz bewusste Entscheidung", meint Trixie sehr bestimmt, "wir leben in einer Zeit, in der so viel Quantität und so wenig Qualität gibt. Mein Credo ist immer: 'weniger ist mehr'. Ich bin auch bei den Künstlern, die ich selbst verehre manchmal der Meinung, dass ein Album besser sein könnte, wenn weniger Songs drauf wären. Alles was unnötig ist, sollte man weglassen." Die Tendenz ist aber heutzutage eine ganz andere. "Ja, das stimmt", überlegt Trixie, "vielleicht ist das meine Art, gegen das System zu rebellieren. Ich habe aber hat nun mal keine besondere Geduld für das Mittelmaß."

Trixie hat ihre Scheibe nach der Zuglinie "Porta Bohemica" genannt. Ist denn das Ganze Projekt in gewisser Weise als musikalischer Reisebericht zu verstehen? "Ja, denn in gewisser Weise ist alles für mich eine Reise", bestätigt Trixie diese Vermutung, "was auch damit zusammenhängt, dass ich mich nicht als bornierte Person betrachte und immer offen bin für alle möglichen Erlebnisse und Beobachtungen. Der Titel der Scheibe bezieht sich dabei nicht auf irgendwelche geographischen Daten, sondern eher auf den Reiseprozess. Wenn man sich in aller Offenheit darauf einlässt, dann ist tatsächlich alles eine Reise. Für mich ist dies die einzige Art zu sein und als Mensch zu wachsen." Wobei das Ziel dann eher egal ist, oder? "Genau", pflichtet Trixie bei und fügt dem mindestens drei gedachte Ausrufezeichen hinzu, "die Reise ist das Ziel. Und wenn man das auf die Musik überträgt, dann bedeutet das, dass wenn ich ein Album gemacht habe, ich mir dieses gar nicht mehr anhöre, sondern mich bereits auf der Reise nach etwas Neuem befinde. Das finde ich als Künstler auch am Spannendsten: Der Prozess als solcher, denn dort kommt die ganze Erfahrung des Lernens her. Wenn man sich zu sehr auf das Ziel konzentriert, dann ist man nicht auf einem besonders guten Pfad." Und was findet sich auf einem guten Pfad? "Die Verantwortung jeden Musikers und Schreibers ist es, etwas zu kreieren, das einen Hauch von Authentizität besitzt", führt Trixie aus, "aber es ist auch wichtig, mit der Musik zu kommunizieren, damit sich die Leute mit der Musik identifizieren können. Die besten Songs haben einen universellen Effekt. Die Leute fühlen sich dem Song verbunden und können diesen auf sich beziehen. Durch diese Musik können die Leute bestimmte Emotionen realisieren, deren sie ohne diese nicht gewärtig wären. Das ist für mich gutes Songwriting. Die schwierigste Übung dabei ist, den kreativen Prozess am Laufen zu halten."
Trixie Whitley
Gehört dazu auch, dass Trixie sich als Sängerin entsprechend weiterentwickelt hat? "Oh danke - aber ich habe mich, ehrlich gesagt, selbst nie als Sängerin gesehen", schränkt sie ein, "das passierte bei mir alles eher natürlich. Im Laufe der Jahre habe ich das Singen eher als Instrument aufgefasst. Wie bei allem, was ich tue, mit dem ich mich ausdrücke, hoffe ich doch, dass ich mich dabei weiter entwickle." Was hat Trixie denn dieses Mal musikalisch inspiriert? "Also ich bin nicht mit einer direkten Vorstellung, wie etwas zu klingen habe, ins Studio gegangen", überlegt sie, "das kann nämlich sehr einengend sein. Jeder hat seine Art zu arbeiten, aber was mich inspiriert, ist eher die Philosophie oder die Haltung dahinter als irgendwelche stilistischen Überlegungen. Wenn ich bei jemandem den Geist durchschimmern höre, dann ist das für mich wichtig. Der Stil hingegen überhaupt nicht. Ich hoffe darauf, dass ich mal dafür bekannt werde, eine Künstlerin zu sein, die eine einzigartige Identität hat - weniger als eine, die einen bestimmten Stil hat. Alle Künstler, die ich mag, haben das - was aber nicht heißt, dass ich versuche, Musik wie diese zu machen." Das war ja auch so nicht gemeint - aber man muss ja eine generelle Idee haben, was man machen möchte. "Deswegen habe ich ja auch angefangen, selbst zu produzieren", wirft Trixie ein, "denn niemand anderes kann die eigene Identität für dich definieren. Ich musste super tief einsteigen, um meine eigene Identität zu finden." Spiegelt sich das auch in Trixies Texten wider? Denn Trixie tendiert dazu, sich in den Texten selbst von außerhalb zu beobachten. "Tue ich das? Das ist lustig, weil ich ich mich eigentlich mehr darauf konzentriert habe, in Richtung einer Geschichte zu schreiben. Auch dabei möchte ich mich allerdings weiter entwickeln und neue Dinge ausprobieren. Ich arbeite dabei auf verschiedene Arten und manche Songs kommen mit direkt und geradlinig zugeflogen, während andere in existenziellen, abstrakten Konzepten daherkommen. Ich habe eine ziemlich visuelle Vorstellungskraft und tendiere dazu, mit Metaphern zu bearbeiten. Ich bin aber auch ziemlich neugierig und beobachte meine Umgebung sehr genau. Alles das vermengt sich in meinem Kopf zu Bildern, die ich irgendwie ausdrücken muss. Und am Ende hast du recht, dass ich dazu tendiere, als Beobachterin zu schreiben. Ich bin dabei fasziniert von der menschlichen Psychologie. Das kommt von einer gewissen Art von Empathie für die Menschen. Ich kann mich nämlich mit der emotionalen Sprache identifizieren, die uns als Spezies verbindet bzw. die uns fehlt." Wie ist das denn zu verstehen? "Nun im Grunde ist es doch so, dass wir uns als Spezies intellektuell und vom Kopf her sehr weiterentwickelt haben, während wir emotional doch eher unterentwickelt sind."

Woher kommt dann der Bezug zu der Zuglinie "Porta Bohemica" im Titel des Albums? "Also ich habe vor Jahren in der Küche eines Freundes dieses Schild mit der Aufschrift 'Porta Bohemica' gesehen, das mir irgendwie im Gedächtnis blieb. Damals dachte ich, dass das ein guter Titel für einen Kult-Sci-Fi-Film wäre. Aber als ich diese Scheibe machte, erinnerte ich mich daran und schaute dann mal nach, was es eigentlich bedeutet. Als ich dann herausfand, dass es um eine aufgegebene Zuglinie geht, betrachtete ich das als Inspiration für die Reise, auf der ich mich gerade befand. Außerdem reise ich ja sowieso so viel und verbringe so viel Zeit auf Flughäfen und Bahnhöfen, dass ich mich manchmal richtig verloren fühle. Wenn ich irgendwo ein Schild mit der Aufschrift 'Porta Bohemica' sähe, würde ich mit Sicherheit diesen Zug besteigen, ohne zu wissen, wohin der eigentlich führte. Metaphorisch gesehen ist ja das auch das Bild mit der Scheibe: Ich wusste ja nicht, wohin mich diese führen würde." Ein existierender Linien-Name hätte da also nicht funktioniert. "Es ist ganz schön komisch, aber als die Scheibe quasi fertig war, wurde die Linie 'Porta Bohemica' wieder eröffnet. Das ist natürlich ein wenig blöde, aber so ist das nun mal." Was ist denn am Schwierigsten auf dieser Reise? "Die größte Herausforderung für mich ist, mich nicht ständig zu beurteilen", vermittelt Trixie, "denn wenn ich mich beurteile, dann bin ich nicht offen - der kreative Prozess fließt dann nicht. Das kann man auf jeden Prozess übertragen. Wenn man sich die Kultur anschaut, dann beschäftigen wir uns dauernd damit uns und andere zu beurteilen - das ist kein besonders offene Art mit einander umzugehen. Wir bleiben da als Menschheit ziemlich stecken. Meine Verantwortlichkeit liegt also darin, das zu vermeiden. Dabei hilft mir, dass ich eine ziemlich sensible Person bin - bzw. sind meine Antennen diesbezüglich sehr empfindlich, was das angeht." Nun ja, wenn man etwas beurteilt, dann will man es ja auch irgendwie ändern. Und ist es denn nicht ziemlich schwer, sich nicht zu beurteilen? "Ja, das stimmt", pflichtet Trixie bei, "es ist gibt eine feine Trennlinie zwischen einem kritischen Geist und einer Beurteilung. Es sind unterschiedliche Dinge. Ich meine, es ist wichtig, kritisch zu sein und bestimmte Werte zu haben. In meinem Fall geht es darum, authentisch zu sein und einen hohen handwerklichen Standard einzuhalten. Ich schätze Qualität sehr - in allen Bereichen, sei es Essen, sei es Kunst - alles sollte seinen Wert haben. Womit du dich auch beschäftigst: Es sollte von Bestand sein. Fast Food Musik zum Beispiel, nützt da nichts, weil sie dich nicht satt macht." Man sieht also: Trixie Whitley ist keine Künstlerin, die alleine aus dem Bauch heraus operiert, sondern eine, die sich durchaus Gedanken macht und auf die Schlüssigkeit ihres Tuns bedacht ist. Ihre Botschaft ist dabei mehr als deutlich: Qualität hat noch niemandem geschadet.

Weitere Infos:
www.trixiewhitley.com
www.facebook.com/trixiewhitley
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Megaforce-
Trixie Whitley
Aktueller Tonträger:
Porta Bohemica
(Megaforce/Soulfood)
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