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CHLOE CHARLES
 
Weltsicht mit Augenbinde
Chloe Charles
Bereits mit ihrem 2012er Debüt "Break The Balance" legte die Kanadierin Chloe Charles besonderen Wert darauf, sich musikalisch nun überhaupt nicht festlegen zu lassen. Nominell wurde Chloe als klassische Folk-Sängerin wahrgenommen - wenngleich eine mit einem dezidiert eigenen Stil und hauptsächlich deshalb, weil sie zunächst mit einer akustischen Gitarre und dem italienischen Geiger Davide Santi durch die Lande zog. Sie ließ sich aber keineswegs in dieser Ecke festnageln. Das spiegelte sich schon alleine durch die hilflosen Versuchen wider, mit der die Kritiker versuchten, Chloes Stil erklärend in eine Schublade - sei es Folk, Jazz, Soul oder Pop - zu stecken und sie zudem quasi mit jeder Frau, die eine Gitarre halten kann, verglichen wurde. Dennoch überrascht die musikalische Bandbreite, mit der sie sich nun auf ihrem zweiten Album "With Blindfolds On" als weltoffene, neugierige, anspruchsvolle Allround-Musikerin präsentiert und nach einem eigenen musikalischen Weg sucht.
Das kann nicht alleine damit erklärt werden, dass Chloe bereits bei der Präsentation ihres ersten Albums ankündigte, dass sie musikalisch expandieren wolle und auch nicht damit, dass sie zwischenzeitlich viel erlebt hatte (so verstarb etwa 2013 ihr Vater, Noel, der sie durch seine Heirat mit Cynthia Lennon sozusagen zu einem Stiefbruder Julian Lennons gemacht hatte). Wie hat sich denn der Stil des neuen Albums entwickelt? "Also das ganze war nicht wirklich ein kalkulierter Prozess", gesteht Chloe, "ich habe einfach die Songs geschrieben - wie immer - und dann mit meinen Musikern gearbeitet. Wie du weißt, habe ich hier in Europa eine Band, die eher klassisch und jazzig orientiert arbeitet und in Kanada habe ich eine Band, die ganz anders klingt. Ich wollte all diese Elemente aber zusammenbringen und auch ein wenig die Energie der Live-Shows einfließen lassen. Wir sind dann ins Studio gegangen und haben alle zusammen gearbeitet. Das war zwar einerseits seltsam, fühlte sich aber auch sehr natürlich an. Ich kann also nicht sagen, dass ich eine bestimmte Vision im Kopf hatte, als wir die Aufnahmen begannen. Am Ende ist es dann alles ein wenig reichhaltiger geworden und auch ein wenig düsterer - was aber an den Erlebnissen lag, die ich zwischenzeitlich erfahren hatte." Das bedeutet also, dass das Sound-Design - zu dem auch gehört, dass Chloe des Öfteren zum Klavier singt, elektronische Elemente beinhaltet und auch mit klassischen Streicherpartien experimentiert wird - in Zusammenarbeit mit den Musikern entwickelt wurde. Die Inhalte der Songs hingegen erscheinen noch persönlicher und intimer als jene auf dem Debüt. "Nun, die letzten zwei Jahre waren ziemlich schwierig für mich. Mein Vater und auch mein Großvater (John Richmond, ein anerkannter kanadischer Künstler) verstarben, ebenso wie meine Tante und drei andere Familienmitglieder. Dann lösten sich einige Beziehungen auf. Das verarbeitete ich natürlich in meinen Songs. Hier singe ich von der Beziehung zu meinem Vater, zu meiner Mutter, davon, wie es ist, alleine auf Tour zu sein anstelle mit den Leuten sein zu können, mit denen man eigentlich zusammen sein möchte, dass man sich allgemein einsam fühlt als Künstler." Auf der anderen Seite gibt es aber auch geradezu poppige, heitere Songs - zumindest in musikalischer Hinsicht. "Ja, ich hoffe diese sind dann nicht gleich zu dumm", wirft Chloe ein, "aber diese kommen ja auch vom anderen Pol der Extreme und sollten sich ja leicht und fröhlich und kindisch anfühlen." Und dann gibt es da noch einen Song namens "Fans", der wie eine Abrechnung klingt. Wer soll sich denn hier angesprochen fühlen? "Das Stück habe ich zusammen mit anderen Musikern aus Toronto geschrieben. Damals durchlebte ich eine Trennung und das ist eine komische Situation. Beide Parteien wollen sich nicht eingestehen, dass es zu Ende geht und man emuliert dann normale Emotionen einer Beziehung - ohne diese wirklich zu haben. Man hat dann die Wahl, diese Charade aufrecht zu erhalten - oder aber einen Schnitt zu machen und die Sache zu beenden. Von genau diesem Punkt handelt der Song. Der Titel des Songs rührt daher, dass dieser Zeitpunkt genau an einem heißen Sommertag kam, in dem wir zusammen unter einem Ventilator in einem heißen Zimmer lagen. Es geht hierbei natürlich nicht um meine Fans - das muss ich noch mal klarstellen."
Auf ihrer Website bemüht sich Chloe, ihre Fans an ihrem Wirken teilhaben zu lassen - etwa indem sie kleine Videos postet, die auch die Arbeit an ihren Songs verdeutlichen. Dort spielt sie das neue Material konventionell auf der Gitarre. Das bringt uns zu der Frage, ob die Songs auf eine andere Weise geschrieben wurden als bislang? "Normalerweise schreibe ich die Songs schon auf der Gitarre", erklärt Chloe, "drei entstanden aber - zusammen mit anderen Musikern - auf dem Piano. Die Gitarre ist in meinen Augen einfach am Besten geeignet, Songs darauf zu schreiben. Ich hatte aber schon im Sinn, dass einige Songs für reichhaltigere Arrangements geeignet erschienen. Es ging mir nicht einfach darum, meine Songs zu singen, sondern um das große Ganze. Die Songs sollten reichhaltiger, schöner, orchestraler sein und mehr Raum für Details bieten." Zum Beispiel wie bei dem Soulpop-Rausschmeißer "Smiling"? "Ja, das ist der fröhlichste Song der Scheibe - einfach, weil der von dem Moment in einer schwierigen Beziehung am Scheideweg handelt, in der man etwas erfreuliches über die andere Person herausfindet, was einen dann dazu bewegt, es noch ein Mal versuchen zu wollen." Ist es für Chloe eigentlich erforderlich, stets eine Balance zwischen den Extremen zu finden? "Erforderlich ist das nicht", überlegt sie, "es passiert mir nur öfters. Viele meiner fröhlichen Songs haben düstere Untertöne. Das heißt aber nicht, dass sie nicht trotzdem fröhlich sein können. Manche Leute sind ja der Meinung, dass Emotionen schwarz oder weiß sein müssen. Ich bin aber der Meinung, dass man das relativieren sollte. Ich fühle mich oft besonders gut, wenn ich traurige Musik höre. Für mich ist es also besonders lohnend, einen Song wie 'Smiling' zu schreiben, der zugleich traurig, wie auch fröhlich und schön sein kann. Das muss nicht zwingend so sein - aber das ist so, wie ich die Welt sehe."
Chloe Charles
Chloe produzierte das neue Album teilweise über eine Crowdfunding-Plattform. Wie kommt sie denn mit der Situation einer Musikern in der Jetztzeit zu recht? "Die Industrie hat sich so sehr verändert, dass es meiner Meinung nach immer wichtiger ist, einen direkten Draht zu den Fans herzustellen, sich ihnen zu öffnen und sie wissen zu lassen, wie man als Person so ist. Da ist eine Crowdfunding-Plattform schon wichtig und hilfreich. Vor allem, weil es mir ja nicht nur um die Selbstdarstellung und das Geld verdienen geht, sondern auch um den emotionalen Support. Und wenn man da ein direktes Feedback von den Fans bekommen kann, dann ist das schon eine Bestätigung und eine Hilfe. Es ist wie eine Art Beziehung und nicht eine einseitige Sache." Chloe ist auch eine Malerin. Ist das mit der musikalischen Seite verknüpft? "Ich habe immer schon mal gemalt und ich habe beschlossen, dass ich das intensivieren sollte. Ich sollte ursprünglich mal auf eine Kunstschule gehen, bevor ich dann beschlossen habe, das lieber für mich selbst zu machen. Ich mag es einfach, Dinge zu erschaffen. Meine Malerei bezieht sich aber nicht auf meine Musik, sondern ich betrachte das als separate Kunstform. Es wäre aber vielleicht ja gar keine so schlechte Idee, das mal mit der Musik zu verknüpfen. Es ist für mich aber nicht so selbstverständlich, ein Bild zu malen, wie es ist, einen Song zu schreiben."

Chloe hat das neue Album auch selbst produziert. Ist das ein Aspekt, der sie besonders interessiert, oder ging es darum, besonders effektiv zu arbeiten? "Ich liebe es zu produzieren und alles ausprobieren zu können, was möglich ist - was zuweilen sogar gefährlich sein kann. Ich finde das alles sehr interessant und ich liebe es, mit meinem Tontechniker zusammenzusitzen und ihn zu beobachten. Heutzutage weiß ich so viel mehr, als ich wusste, als wir ins Studio gingen. Das Problem beim Selber-Produzieren ist, dass du auf niemanden zurückgreifen kannst, wenn es um Entscheidungen beim Mischern oder Mastern geht. Man trägt dann die ganze Verantwortung alleine. Aber was die technischen Aspekte betrifft, war das absolut faszinierend." Was war denn die größte Herausforderung das Songwriting betreffend? "Oh - das war die Balance zu finden, einerseits zugänglicher sein zu wollen - ohne sich künstlerisch dabei verbiegen zu müssen. Ich wollte einerseits konventionellere Strukturen, mit denen die Hörer vertraut sind aber andererseits allen kreativen Freiraum mit Klängen und Arrangements experimentieren zu können." Eine Sache, an der Chloe definitiv gearbeitet hat, ist der Gesang - der auf dem neuen Album einfach noch mehr Tiefe und Substanz aufweist, als auf dem Debüt. "Das Album hat sehr viel Spaß gemacht, den Gesang betreffend", erzählt Chloe, "ich fühle mich heutzutage sehr viel selbstsicherer und habe die Songs auch bewusst so angelegt, dass ich sie gut singen konnte. Ich habe auch damit experimentiert, tiefer zu singen als bislang und meine stimmliche Bandbreite ganze auszuloten und zu erforschen, welche Töne ich denn wohl hinbekommen könnte. Und ich wollte meiner Stimme mehr Raum geben, da ich nicht der Meinung bin, dass man alles mit allen möglichen Sounds zukleistern muss."

Gut - und wie geht das Ganze weiter für Chloe Charles? "Ich liebe es zu experimentieren und mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten und Songs mit anderen zu schreiben. Das möchte ich in Zukunft intensivieren. Auch generell was Kollaborationen betrifft - zum Beispiel auf anderer Leute Alben zu singen. Ich weiß noch nicht, was sich da ergeben könnte, aber ich könnte mir vorstellen, zum Beispiel mit Jazz-Musikern, einem klassischen Orchester oder DJs zusammenzuarbeiten. Am liebsten würde ich all das machen." Das heißt also: Da ist noch einiges zu erwarten von Chloe Charles.

Weitere Infos:
www.chloecharles.com
www.facebook.com/chloe.charles.music
twitter.com/chloe_charles
instagram.com/chloecharles/
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Jen Squires-
Chloe Charles
Aktueller Tonträger:
With Blindfolds On
(Make My Day/Indigo)
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