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CHLOE CHARLES
 
Schluss mit Schüchtern
Chloe Charles
Die Kanadierin Chloe Charles ist als Musikerin nicht eben eine typische Vertreterin ihres Landes: Weder hat sie sich bedingungslos der Americana verschrieben - wie viele ihrer Kolleginnen -, noch gehört sie der umtriebigen Indie-Szene an, in der sich die Musiker fast inzestuös untereinander in verschiedenen Projekten austauschen; und mit kanadischer Folklore (geschweige denn gar französischsprachiger) hat sie schon mal gar nichts am Hut. Stattdessen hat sie einen ganz eigenen Stil entwickelt, in dem sie - hauptsächlich mit ihrer Stimme und der elegant gehandhabten klassischen Akustikgitarre - ganz eigene Strukturen und Klangwelten kreiert. Dabei scheint es, dass sie sich nicht ein Mal die Mühe macht, bei anderen zu borgen. Ach ja: Ebenfalls im Unterschied zu vielen ihrer diesbezüglich etwas weltfremden Kollegen hat sie (aufgrund ihrer unablässigen Tourtätigkeiten) ein recht konkretes Weltbild - auch von unseren Breiten - und gibt auf ihrer Webpage in ihrem Blog durchaus sinnvolle Tips für Reisetätigkeiten in Europa.
Fangen wir aber mal mit der Musik an: Wie kommt es denn bitteschön, dass Chloe Charles - scheinbar ohne Mühe - musikalisch sozusagen vollkommen autark agiert? "Nun, ich bin mit allen möglichen Arten von Musik aufgewachsen", meint Chloe - nicht wirklich überraschend, "ich mag dabei eigentlich alles und es gibt musikalisch wirklich nichts, in dem ich nicht irgendetwas finden könnte, das es sich zu wertschätzen lohnte. Ich denke, dass sich das in mir verankert hat. Wenn ich etwas schreibe, kommt das einfach so aus mir raus - ohne dass ich darüber nachdenke, was ich will. Und was die Texte angeht, so habe ich immer schon etwas geschrieben. Meine Mutter hat auch immer viel geschrieben - Gedichte und Songs und sie hat auch klassische Gitarre gespielt. Ich denke, dass mir es schon geholfen hat, dass ich dem ausgesetzt war und das flutscht jetzt quasi wieder aus mir raus." Wie kam Chloe zur Musik? "Irgendwie wusste ich immer schon, dass ich Musikerin werden wollte. Als Kind war ich aber extrem schüchtern. Eines Tages beschloss ich aber, dass ich nicht mehr schüchtern sein wollte und habe damit aufgehört. Ich habe dann in Musicals gesungen. Schließlich bin ich auf die Uni gegangen und habe Psychologie studiert, weil mich das interessierte. In meinem zweiten Jahr hat mich aber mein Vater gefragt, was ich denn nun wirklich wollte. Ich habe mir dann ein Jahr gegeben, mich zu entscheiden und bereits nach sechs Monaten stand es für mich endgültig fest, dass ich Musikern werden würde."
Chloe Charles
Worüber singt Chloe eigentlich? Sie ist nämlich keine typische Storytellerin, sondern verklausuliert ihre Texte irgendwie in Bildern und Szenen, die aber recht ambivalenten Charakters zu sein scheinen. "Ich bin eine totale 'Leute-Person'", erklärt sie, "darin sind die glücklichsten, wie auch die deprimierenden Dinge des Lebens begründet. Ich meine, die meisten Leute sind sich schließlich irgendwie ähnlich, oder? Die meisten Songs handeln also von Leuten. 'Business' handelt von einer meiner besten Freundinnen, die eine Identitätskrise hatte und nicht mehr wusste, wie sie sich positionieren sollte. 'Refrain From Fire' handelt von der Schwierigkeit, eine Beziehung aufrecht zu erhalten, von der du weißt, dass sie schlecht für dich ist, die du aber trotzdem willst. Der Titeltrack 'Break The Balance' handelt von jemandem, dem du nicht genug Liebe geben kannst, obwohl sie sie eigentlich verdienten. So geht das immer weiter. Dann habe ich noch ein zweites Thema, über das ich gerne schreibe, das sind Songs über seltsame, esoterische Erlebnisse mit Medien, und Tarot-Karten, die ich hatte." Gehört dazu auch der Song "Amulet"? "Nein, 'Amulet' ist eine Metapher. Es ist lustig - wenn ich diese Geschichte erzähle, muss ich immer darauf hinweisen, dass ich tatsächlich keine Serienmörderin bin, denn in 'Amulet' geht es um eine Frau, die die Person, die sie liebt, verletzt, weil sie ihn nicht verlieren will. Anstatt ihn mit Liebe an sich zu binden, entschließt sie sich, ihn physikalisch zu besitzen und schneidet seine Hände ab, um diese in einem Amulett zu tragen. Sie stellt dann schnell fest, dass das nicht funktioniert. Ich denke, jeder kann aber für sich selbst herausfinden, was das bedeutet." Man soll also vermutlich nicht alles wörtlich nehmen, was Chloe Charles sagt? "Exakt", bestätigt sie ziemlich bestimmt. Gut zu wissen.

Kommen wir aber noch mal zur Musik zurück. Auf der Scheibe gibt es einige non-verbale Momente. Unter anderem kleine, experimentelle Vignetten, die die Songs verbinden. Was wollen diese uns sagen? "Das sind Ausschnitte aus alten Songs, die ich vor Urzeiten aufgenommen habe und die ziemlich Low-Fi sind. Das sind Stücke, die ich liebe, die aber die Vibes aus jenem Abschnitt meines Lebens, in dem sie entstanden sind, haben. Für mich sind sie ziemlich wichtig und ich wollte zumindest Teile davon auf der Scheibe haben, um kleine Ausschnitte meiner Vergangenheit zu zeigen. Vielleicht mache ich das mit neueren Songs auch auf der nächsten Scheibe. Damit zeige ich dann das ganze Spektrum von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft." Was ist denn die größte Herausforderung bei dieser Art des Songwritings? "Das ist, die Balance zu finden, für dein Publikum und/oder für dich selbst zu schreiben. Ich denke, man muss da schon einen Kompromiss finden, wenn man die Sache nicht von vorneherein einseitig nur für sich selbst macht. Aber ich denke, es ist eher eine Art Beziehung, die man mit seinem Publikum aufbaut und schließlich muss man in jeder Beziehung Kompromisse finden. Das ist immer ein Balance-Akt. Und ich habe festgestellt, dass ich dazu tendiere, eher in die Chloe-Richtung auszuschlagen. Daran muss ich arbeiten." Kann man das denn kontrollieren? "Wenn man das will, dann kann man das wohl. Es gibt schließlich Formeln für bestimmte Arten von Songs und ich habe auch für andere gearbeitet und Texte für Pop-Songs geschrieben. Ich kenne den Prozess und er ist lustig - er ist aber so anders als das, was ich selbst möchte. Vielleicht kann man ja ein wenig davon nutzen - mal sehen."

Chloe Charles
Geht es im Titel des Albums "Breaking The Balance" auch um dieses Thema? "Das hat verschiedene Bedeutungen", führt Chloe aus, "eine Bedeutung ist ungefähr das, worüber gerade sprachen: Die innere Balance seiner selbst zu finden. Die andere Bedeutung ist, dass der Titeltrack der wichtigste Song für mich auf der Scheibe ist - deswegen habe ich sie so genannt." Steht das auch im Zusammenhang mit dem Cover-Motiv, das Chloe mit einer geschwärzten Gesichtshälfte zeigt? "Das hängt damit zusammen, dass ich eine ziemlich extreme Person bin. Entweder bin ich überglücklich oder total depressiv. Mein ganzes Leben ist so - so bin ich. Ich bin schwarz/weiß, ich bin ein perfekter Zwilling, wie meine Mutter immer sagt... Man darf sich nur durch negative Erfahrungen nicht aufhalten lassen. Damit muss man einfach lernen umzugehen, dann geht das schon." Wie geht es denn musikalisch für Chloe weiter? Sie scheint nicht unbedingt die Person zu sein, die die Dinge einfach so auf sich zukommen lässt. "Ich will auf jeden Fall weiter experimentieren, weil ich denke, dass es keinen Sinn macht, Musikerin zu sein, wenn man keine Herausforderungen hat. Ich möchte gerne mit Bläsern arbeiten. Mein Traum wäre es, mit einem Chor oder einem Orchester zu spielen, für das ich dann auch die ganze Partitur schreibe und ich möchte gerne mit elektronischen Elementen experimentieren. In Kanada singe ich in mehreren Elektronik-Projekten, weil ich es liebe, mit anderen Musikern zusammen zu spielen. Ich möchte gerne die Elektronik mit meinen Songs mischen, weil ich da kein konkretes Instrument hätte. Auf der anderen Seite möchte ich aber auch weitere Instrumente lernen." Eines steht fest: Langweilig wird es für Chloe Charles so schnell nicht werden. Und den Zuhörern auch nicht. Und das ist ja fast noch wichtiger.
Weitere Infos:
www.chloecharles.com
www.facebook.com/chloe.charles.music
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Chloe Charles
Aktueller Tonträger:
Break The Balance
(Make My Day/Alive)
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