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CAROLINE KEATING
 
Der Zufall hat die besten Ideen
Caroline Keating
In Montreal wächst musikalisches Talent offenbar auf den Bäumen. Aus der Menge der hochkarätigen Acts in der Provinz Quebec herauszustechen, ist also gar nicht so einfach. Caroline Keating ist es trotzdem gelungen. Zu verdanken hat sie das letztlich einem Zufall. Der frühere Rolling-Stone-Schreiber und heutige Spiegel-Online-Autor Jan Wigger besuchte vor fünf Jahren das M-For-Montreal-Festival in Carolines Heimatstadt und war vom Auftritt der jungen Dame, die seit ihrem sechsten Lebensjahr Klavier spielt und als Teenager anfing, selbst Songs zu schreiben, so begeistert, dass er eine glühende Liebeserklärung verfasste, die Caroline in Deutschland ungeahnte Chancen eröffnete. Seitdem ist sie bereits mehrfach durch Deutschland getourt und veröffentlicht dieser Tage endlich ihr Debütalbum "Silver Heart". Darauf schlägt sie gekonnt die Brücke vom Adult-Pop zum Indierock und liefert dabei ganz zauberhaften, bisweilen geradezu anachronistisch anmutenden Akustik-Pop ab. Gaesteliste.de traf sie im Anschluss an ihr fabelhaftes Konzert im Essener Grend Ende September.
"Meine Musik ist akustisch und wird mit echten Instrumenten gespielt, und letztlich ist meine Herangehensweise an das Songwriting und die Performance recht traditionell", versucht sie ihr Credo mit Blick auf den Trend zu computergenerierten Sounds in der heutigen Musikindustrie zusammenzufassen. "Ich habe zwar nichts gegen elektronische Musik, ich finde sogar, dass es eine Menge toller Sachen auf dem Gebiet gibt, aber ich sehe derzeit keinen Sinn darin, meine Herangehensweise zu ändern, denn einen Song auf einem echten Instrument - speziell am Klavier - zu schreiben, fühlt sich für mich doch wesentlich organischer an. Am Computer würde das alles viel konstruierter und logischer sein. Das ist einfach nicht die Art, wie ich mich dem Schreiben von Musik nähere. Dazu kommt meine große Wertschätzung der Instrumente Kontrabass, Violine oder eben Klavier. Heutzutage geht die Herstellung dieser Instrumente drastisch zurück, von daher möchte ich eine Lanze für sie brechen." Carolines Abneigung gegen elektronische Klangerzeugung speist sich aus ihren Erfahrungen im Studio. "Bei den Aufnahmen waren Computer allgegenwärtig und mir ist schnell bewusst geworden, dass es dieser Aspekt im Prozess des Musikmachen ist, der mir am wenigsten gefällt", erklärt sie. "Für mich war das ein Hindernis, und deshalb habe ich nie weitere Schritte in diese Richtung unternommen. Im Gegenteil, für meine nächste Platte denke ich sogar über eine vollkommen analoge Produktion nach."

Auch die Arrangements tragen Carolines Geisteshaltung Rechnung. Anstatt den Sound mit unzähligen kleinen Overdubs zu verdichten, setzte sie lieber auf einen klaren Sound mit einer überschaubaren Anzahl an Instrumenten und Spuren im Studio. "Vor der Arbeit, die Overdubs machen, wäre mir zwar nicht bange, aber ich finde, man kann sich schnell verrennen, wenn man es mit dem Aufeinandertürmen der Spuren am Computer übertreibt", ist sie überzeugt. "Für mich dagegen sind die Melodie, ein guter Refrain und überhaupt die Grundlagen des Songs das Wichtigste. Natürlich kann man den Computer als zusätzliches Instrument einsetzen, denn nichts weiter ist er, aber dann bist du eher ein Produzent als ein Songwriter. Ich sehe mich aber als Letzteres." Inspiriert wurde Caroline dabei interessanterweise nicht von den großen alten Heroen wie Kate Bush oder gar Neil Young, die in ihrer Musik bisweilen dezent durchscheinen, sondern von einer aktuelleren Generation der Singer/Songwriter. "Da wären zunächst die Damen zu nennen: Feist, Regina Spektor oder Joanna Newsom, und bei den Männer natürlich Sufjan Stevens", überlegt sie. "Bei ihnen merkt man sofort, dass die Texte so wichtig sind, dass sie zuerst geschrieben wurden und erst dann die ebenso wichtige Musik folgte. Was sie tun, hat mich definitiv sehr inspiriert."

Spuren hat fraglos auch die rege Szene Montreal hinterlassen, und trotz wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit schwärmt Caroline richtiggehend von Montreal. "Ich weiß nicht, wie das in anderen Städten ist, aber wenn in Montreal ein Künstler in der Musikindustrie gewinnt, gewinnen alle anderen mit ihm", erklärt sie. "Es herrscht überhaupt kein Wettbewerb, alle wünschen allen nur das Beste: 'Du braucht einen Schlagzeuger für deine Platte? Ich komme vorbei und spiele umsonst!' Es ist es System der gegenseitigen Gefallen. Jeder stellt seine Talente kostenlos zur Verfügung und bekommt es in gleicher Münze zurückgezahlt. Es herrscht also ein sehr starker Gemeinschaftssinn. Die Leute schauen sich zum Beispiel auch kaum Shows von amerikanischen Künstlern an, sondern gehen lieber zu Konzerten von lokalen Musikern."

Apropos Konzerte: Dass Caroline die "Silver Heart"-Songs nun schon seit mehreren Jahren allabendlich spielt, hat trotzdem nur bedingt dazu geführt, dass sie der Songs überdrüssig geworden wäre und deshalb so schnell wie möglich eine weitere Platte in Angriff nehmen möchte. "Ich werde mir mein erstes Album womöglich nie wieder anhören, aber die Songs live zu spielen, ist etwas anderes", sagt sie bestimmt. "Das ist immer wie das erste Mal. Wenn ich den Song mag und die Leute, mit denen ich auf der Bühne stehe, und wir ein angenehmes Publikum haben, dann spielt es keine Rolle, wie oft ich ihn zuvor schon gespielt habe. Dies ist allerdings auch die letzte Tournee, die ich mit diesen Songs bestreite, es ist also nicht so, dass ich dazu verdammt wäre, sie wieder und wieder und wieder zu spielen. Das hört sich sehr tragisch an und ich glaube nicht, dass mir das passieren wird!"

Während "Silver Heart" in erster Linie eine lose Zusammenstellung, gewissermaßen ein Best-of ihres bisherigen Schaffens ist, kann sie sich vorstellen, ihre nächste Platte eher als ein Album als solches anzugehen. "Mein erstes Album ist einfach eine Kollektion der Lieder, die mir am besten gefallen haben und die ich am liebsten spiele", bestätigt sie. "Ich denke, das ist typisch für ein Debüt. Da hat man in der Regel noch kein Konzept für sein Tun. Ich habe einfach meine zehn Lieblingslieder ausgewählt und fest die Daumen gedrückt, dass am Ende ein stimmiges Album dabei herauskommt. Meine neuen Songs scheinen dagegen alle einen ähnlichen Ausgangspunkt zu haben." Aber keine Angst, zu konzeptionell wird auch das zweite Werk von Caroline nicht werden. Dafür vertraut die junge Dame nicht erst seit ihrer so immens wichtigen Begegnung mit Jan Wigger viel zu gerne auf die Fügung des Schicksals, oder, wie sie es ausdrückt: "Die besten Ideen liefert meistens der Zufall!"

Weitere Infos:
www.carolinekeating.net
www.facebook.com/carolinekeatingmusic
www.carolinekeating.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Caroline Keating
Aktueller Tonträger:
Silver Heart
(Glitterhouse/Indigo)
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