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BUFFALO TOM
 
Was wir tun
Buffalo Tom
"Skins" heißt das neue Buffalo Tom-Album, mit dem das immer noch in der Gründungsbesetzung mit Sänger/Gitarrist Bill Janovitz, Bassist/Sänger Chris Colbourn und Drummer Tom Maginnis agierende Trio aus Massachusetts sein 25-jähriges Bestehen feiert. Es ist eine Platte geworden, auf der die Band einerseits ihrem inzwischen geradezu urtypischen College-Rock-Sound huldigt, mit dem sie Anfang bis Mitte der 90er ihre kommerziell größten Erfolge feiern konnte, andererseits aber auch stärker als bisher ihre gefühlvolle, hörbar erwachsenere Seite betont, die auf früheren Alben oft nur eine Nebenrolle spielte. Wer nun glaubt, die Langlebigkeit von Buffalo Tom ist darauf zurückzuführen, dass hier drei Freunde am Werk sind, die durch zweieinhalb gemeinsame Jahrzehnte zusammengeweißt wurden, dürfte ziemlich von überrascht sein von dem, was Chris Anfang März vor dem Konzert in Köln beim Gaesteliste.de-Interview zu Protokoll gab.
"Die neue Platte war nicht leicht für uns", verrät er. "Wir sind hart miteinander ins Gericht gegangen und haben uns in neue Richtungen geschubst. Ich mag besonders Songs wie 'Arise, Watch' oder 'The Hawks And The Sparrows', nicht weil sie langsam sind, sondern weil sie anders sind. Ich mag aber auch 'Guilty Girls', denn wir wissen, wie wir diese Art von Songs schreiben müssen, und sie gehen uns schnell von der Hand. Allerdings finde ich, dass es für uns höchste Zeit ist, uns von diesen typischen Buffalo Tom-Songs zu entfernen. Ich würde gerne mal eine Platte mit Piano, Bass, einem kleinen Schlagzeug und Akustikgitarre machen, denn ich bin inzwischen ein viel ruhigerer Mensch und denke, die sanfteren Sachen sind eine echte Stärke von uns. Allerdings weiß ich, dass die Konzerte nach mehr Rock verlangen, und auch Bill mag die Rocksongs lieber. Dabei wurden alle Songs der Platte auf Akustikgitarren geschrieben, wie man auf der Demo-CD hören kann, die der Erstauflage beiliegt."

Die Chancen für eine "Unplugged"-Veröffentlichung stehen allerdings nicht besonders gut. Zu sehr verfolgen die drei Protagonisten eigene, unvereinbare Ziele. "Der ganze Prozess, eine Buffalo Tom-Platte zu machen, ist sehr frustrierend", gesteht Chris. "Ich bin glücklich, wenn wir es hinter uns haben. Selbst die typischen Songs, die so klingen, als würden sie uns leichtfallen, sind ein Kampf. Das liegt nicht zuletzt daran, dass Tom ein knallharter Projektleiter ist. Wenn er etwas arrangiert, hat er ganz klare Vorstellungen von dem, was er erreichen will, und dabei werden letztlich viele Gefühle verletzt. Es geht bei uns nicht immer besonders freundschaftlich zu. Wir reden nicht viel miteinander und nehmen uns viele Sachen übel. Ich hab vorgeschlagen, nicht mehr als neun oder zehn Songs für die Platte zu verwenden, aber jeder wollte seine Favoriten dabeihaben, also machten wir Kompromisse und sie wurde viel länger. Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Mir sind die meisten Alben im CD-Zeitalter zu lang. Ich brauche keine 14 Songs auf einer Platte. Ich erinnere mich an einen Review zum neuen Album, der einen Song erwähnte, von dem ich dachte, dass er gar nicht auf der Platte ist. Mir fiel auf, dass ich gar nicht genau wusste, welche Songs auf der Platte gelandet waren, weil wir sie so schnell zusammengestellt haben und Tom für die Reihenfolge verantwortlich zeichnete. Ich persönlich halte es für falsch, dass es heute so viele Alben gibt, die früher Doppelalben gewesen wären. Sie vermitteln kein einheitliches Gefühl, wie das bei (Bob Dylans) 'Blood On The Tracks' oder 'Desire' der Fall gewesen ist. Für mich ähneln viele Alben heute eher einer Compilation von Singles." Kein Wunder, dass sich Chris die Veröffentlichungen seiner Band nicht gerne anhört. "Für mich ist es eine schmerzhafte Erfahrung, mir unsere Platten anzuhören, wenn sie einmal fertig sind. Ich denke nie: 'Mann, das ist ja mal eine Platte!', ich höre immer nur die Fehler. So bin ich einfach", gibt er zu.

Wenn man den Bassisten so reden hört, wundert man sich fast ein bisschen, dass es die Band nach all den Jahren überhaupt noch gibt. Hat Chris je daran gedacht, alles hinzuwerfen? "Nein, ans Aufhören habe ich wirklich noch nie gedacht!", antwortet er. "Buffalo Tom ist einfach das, was wir tun, und das, was wir getan haben, seit wir Teenager waren! Wenn ich allerdings eines Morgens aufwachen würde und die beiden anderen Jungs hätten beschlossen, dass sie die Band nicht fortführen wollen, wäre das auch okay. Vor 20 Jahren war das anders. Da war die Band unsere Identität. Ich würde zwar nicht so weit gehen, sie heute als Klotz am Bein zu beschreiben, aber in der Liste meiner Prioritäten nimmt sie nur den vierten oder fünften Platz ein. Ich kann nicht sagen, dass es mir wirklich Spaß macht, in der Band zu spielen, wir tun es einfach. Das ist sehr seltsam!"

Mit dem veränderten Selbstverständnis der Band hat sich über die Jahre auch die Arbeitsweise verändert. Weil die Musiker die Band inzwischen nur noch als ambitionierte Wochenendbeschäftigung betreiben, entstehen neue Songs eher daheim und "solo" anstatt on the road und mit viel Wir-Gefühl. Chris vermisst ein wenig die Zeiten, in denen die drei ständig auf Tournee waren, unterwegs neue Songs schrieben und sie bei den Soundchecks gleich gemeinsam ausarbeiteten. "Heute ist es so, dass wir noch nicht einmal mehr die Demos der Songs der anderen anhören", sagt er. "Wir kommen einfach zur Probe, stellen schnell einen neuen Song vor, spielen ihn ein paarmal. Dabei verändert er sich allein dadurch ziemlich, dass Tom Schlagzeug dazu spielt. Außerdem spielt Bill auf eine völlig andere Art Gitarre als ich. Als ich zum Beispiel mit dem Riff zu 'Kids Just Sleep' ankam, meinte er nur: 'Ich kann das nicht so spielen. Es ist zwar nicht kompliziert, aber es ist dieses seltsame Chris-Ding!' Also hat er es auf seine Art gespielt, und das hat alles verändert. Deshalb sage ich mir inzwischen, dass es besser ist, den Dingen einfach ihren Lauf zu lassen und sich nicht vorab zu viele Gedanken zu machen. Manchmal hat einer von uns einen Song, und wenn sich das Stück im Proberaum verändert, ist er knatschig: 'Ich hab mir das monatelang genau ausgemalt! An dieser Stelle soll das Klavier einsetzen und hier soll ein an Nick Drake erinnerndes Cello hin - und jetzt spielt ihr etwas ganz anderes!' Ja, das passiert halt! Wenn wir uns zu viele Gedanken machen, wird es schnell frustrierend. Viel schöner ist es, wenn du angerufen wirst: 'Hey, hast du Freitag Zeit? Das Studio ist Freitag frei und wir könnten zwei Songs fertigstellen!' - 'Aber wir haben sie doch noch gar nicht geprobt!' - 'Kein Problem, lass es uns einfach probieren!' Auf diese Art kamen viele der neuen Songs praktisch aus dem Nichts." Auch der markante Gastauftritt von Tanya Donelly kam eher per Zufall zustande. Janovitz wohnt in ihrer Nähe und lud sie ins Studio ein. Obwohl ihr Part bei "Don't Forget Me" eigentlich überhaupt nicht existierte, war ihre Stimme am Ende der Session ein wichtiger Baustein des Songs.

Die frühere Belly- und Throwing Muses-Sängerin ist nicht der einzige untrennbar mit der Bostoner Musikszene verbundene Name, der im Booklet auftaucht. Gewidmet ist "Skins" dem letztes Jahr plötzlich verstorbenen Überfan, Impresario und Unikat Billy Ruane. "Er war einfach unglaublich", erinnert sich Chris an den alten Wegbegleiter und Wegbereiter. "Er hat uns unser erstes Konzert in Boston besorgt und unser allererstes Interview. Von seinem Tod zu hören war schrecklich. Ich war gerade in München, als er starb. Das letzte Mal, dass ich ihn gesehen habe, war bei einem Konzert von Teenage Fanclub, das er zusammen mit Mary Lou Lord besucht hat." Teenage Fanclub sind ein gutes Stichwort, denn obwohl Buffalo Tom gerne in einen Topf mit anderen Bostoner Bands wie den Lemonheads oder Dinosaur Jr. geworfen werden, glaubt Chris nicht, dass seine Band wirklich Teil der dortigen College-Rock-Szene war oder ist. Seine Seelenverwandten hat er in Europa gefunden: "Weil wir in den 90ern hier so viel unterwegs waren, kenne ich Teenage Fanclub besser als irgendeine Band aus Boston. Das Gleiche gilt für Bettie Serveert, die wir gestern noch in Amsterdam getroffen haben."

Ähnlich wie den gerade genannten Bands steht es auch Buffalo Tom gut zu Gesicht, dass ihre Platten inzwischen das Alter der Musikern reflektiere, denn nicht nur musikalisch hat "Skins" einige Überraschungen parat, auch textlich zeigen sich Buffalo Tom tiefgründiger als je zuvor. "Die Texte sind für mich heute einfach runder", sinniert Chris. "Früher haben wir sehr schnell geschrieben und absichtlich nichts nachträglich geändert, auch wenn es keinen Sinn ergab. Jetzt haben wir viel mehr Zeit. Das birgt natürlich auch das Risiko, dass man sich von einer sehr poetischen Zeile trennt und sie durch eine bedeutungsvolle ersetzt. Allerdings glaube ich, dass wir eine gute Balance gefunden haben, trotz der inhaltlichen Schwere vieler Songs. Viele Stücke spiegeln Erfahrungen von Menschen in meinem Umfeld wider - das Kinderkriegen, das Elternsein, Scheidungen, mit 40 oder 50 noch nervös zu sein, weil man nicht weiß, wie das Leben weitergehen soll. Das sind Dinge, über die man gut schreiben kann: die Tücken des Alltags, das ganz normale Leben!"
Weitere Infos:
www.buffalotom.com
www.myspace.com/buffalotom
de.wikipedia.org/wiki/Buffalo_Tom
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Buffalo Tom
Aktueller Tonträger:
Skins
(Rykodisc/Warner Music)
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