Gaesteliste.de Internet-Musikmagazin



SUCHE:

 
 
Gaesteliste.de Facebook Gaesteliste.de Instagram RSS-Feeds
 
Interview-Archiv

Stichwort:



 
KRISTIN HERSH
 
Nicht hinter'm Mond (sondern darauf) mit Kristin Hersh
Kristin Hersh
Was sich denn seit unserem letzten Treffen anläßlich der "Strange Angels" CD so alles getan habe, möchte ich eigentlich eher beiläufig wissen. "Oh, wir haben gerade unser Haus verkauft, zur Zeit sind wir obdachlos", antwortet Kristin eher unernst - immerhin hatte sie doch das letzte Mal geradezu davon geschwärmt, wie wunderbar das Leben in der kalifornischen Wüste sei, "mein Sohn Dylan konnte das Leben dort nicht mehr ertragen. Zuerst war ja alles großartig, aber dann haben ihm die Einsamkeit und die langen Trennungen zu sehr zugesetzt. Wir ziehen jetzt nach Rhode Island, bis er bereit ist, wieder nach Kalifornien zu ziehen." Ja, ja, das ist schon eine Last mit dem Nachwuchs. Ein kleiner Hinweis sei erlaubt: Da gibt's noch mehr Söhnchen, denen das mit der Wüste nicht passen könnte, so schnell wird das also nichts werden mit der Rückkehr. Dabei war Kristin dort doch so glücklich. Und lustige Themen abwerfen tat's allemal. Z.B. "White Trash Moon" auf der neuen Scheibe. Ob ich wisse, was 'White Trash' sei, will Kristin wissen. Na klar, das sind Leute, die sich bei Hans Meiser oder Ilona Christen entblöden und entblößen. Und um solches menschliche Strandgut geht's auch in dem Song: "Na ja, es ist zwar schön da, wo wir bis jetzt wohnten", meint Kristin, "und wie auf dem Mond sah es dort auch aus, aber diese Leute, unsere Nachbarn, sind schon gewöhnungsbedürftig. Die haben alle Waffen und sehen dauernd UFOs und sowas. Erst letztlich hatten sie wieder die Polizei gerufen, weil ein UFO in unserem Garten gelandet sei. Das ist schon ganz schön nervig." Gibt aber, wie erwähnt, prima Songthemen her. Überhaupt scheint Kristin's neue Scheibe textlich einen guten Teil faßbarer und konkreter geraten zu sein, als ihre letzten Platten. Sie gibt sogar zu, daß es eine Art durchgängiges Thema auf der neuen Scheibe gibt (Orte, Plätze, Namen). Sowas hatten wir ja immer schon vermutet, aber bei unserem ersten Treffen verneinte sie das kategorisch. Beim zweiten Mal räumte sie immerhin schon ein, daß so etwas unbewußt passieren könnte. Diesmal ist es jedoch ganz konkret geworden.
"Nun, als ich die Muses auflösen mußte, fiel ich erstmal in ein kreatives Loch. Ich hatte gar keine Lust mehr, Musik zu machen, und zum ersten Mal kamen die Songs auch nicht zu mir. Ich mußte bewußt Songs schreiben. Ursprünglich waren die Stücke auf diesem Album zunächst für die Band meines Mannes gedacht. Ich wollte ihm ein paar einfache Songs schreiben - er ist nicht so ein guter Gitarrist - damit er was zu tun hat, wenn ich auf Achse bin. Als ich dann aber meine Musikprojekte bei 4AD vorstellte - ein Ambient-Album, eine Sache mit meinen alten Bandkollegen, ein Instrumentalalbum - nörgelten die so lange rum, bis ich einwilligte, ein typisches Kristin Hersh Album zu machen. Immerhin habe ich ja einen Plattenvertrag zu erfüllen. Und so nahm ich dann diese Songs. Da stellte ich dann auch schnell fest, daß sie gar nicht so simpel waren. Es kam eins zum anderen und ehe ich mich versah, hatte ich das Album fertig."

Die Beschreibung der Entstehungsgeschichte beschreibt in etwa auch den Unterschied zu Kristin's bisherigen Solo-Platten (außer dem Schlagzeug spielt sie alles selber). Man hat irgendwie das Gefühl, daß etwas anders sei, kann jedoch den Finger nicht drauflegen. Mit diesem Background macht es aber Sinn. Die Scheibe klingt rudimentärer, spärlicher als vieles, was Kristin gemacht hat, allerdings auch weniger düster, humorvoller. Und eben konkreter. Da gibt es z.B. diesen Song "Caffeine"...

"Ja, das ist ein Song über Frauen als solche. Ich mache ja sonst niemals Songs mit einer soziologischen Aussage, aber das Thema fand sich irgendwie von selbst. Es gibt soviele "Sie-Wesen" in meinem Umfeld, die ihre Leben irgendwie total passiv angehen - z.B. eingefahrenen Gleisen folgen, sich von ihrem Mann fahren lassen, anstatt sich mal selbst ans Steuer zu setzen. Alle diese Frauen sind vollkommen abhängig von Koffein und Nikotin - deswegen der Titel. Das fiel mir auf und das ist doch irgendwie seltsam. Warum tun die das? Warum nehmen sie nicht mal ihr Schicksal selbst in die Hand?"

Irgendwelche Antworten?

"Nein, absolut nicht. Bei mir gibt's nie Antworten. Immer nur große Fragezeichen."

Muß ja auch nicht sein. Zurück zur Musik: Diese ist ja nun, trotz der o.a. Ausgangslage, nicht eben simpel geraten. Ganz im Gegenteil: Die Stücke bestehen z.T. aus mehreren unterschiedlichen Teilen, die miteinander verwoben sind - oder auch nicht. Wie um alles in der Welt nimmt man denn sowas auf?

"Interessante Frage. Nun, zunächst mal kommt es mir darauf an, daß meine Platten wie eine Art Flickenteppich wirken sollen, auf dem alles irgendwie zusammenpaßt. Das gilt sowohl für die Stücke untereinander, wie auch für die einzelnen Parts der Stücke. Wenn ich nun hingehe und einen Song wie etwa "White Trash Moon" aufnehme, dann muß ich die einzelnen Parts in Abschnitten aufnehmen. Wenn z.B. für vier Takte keine akustische Gitarre kommt, muß ich das Auszählen und dann später mit einer elektrischen Gitarre füllen. Das habe ich aber inzwischen ganz gut drauf, sodaß das nicht allzu schwierig ist."

Die Platte ist stellenweise wieder ziemlich rockig - à la Muses - und auf Tour will sie auch wieder mit David Narciso zusammenspielen. (Bassist Bernhard hat jetzt einen "richtigen" Job). Warum läßt sie denn nicht einfach die Muses wieder auferstehen?

Kristin Hersh
"Nichts wäre mir lieber als das. Aber nach wie vor ist mir das finanziell nicht möglich. Ich werde die Musiker nur für die gespielten Konzerte bezahlen, aber eine ganze Band kann ich nach wie vor momentan nicht unterhalten."

Schade, aber noch ist ja nicht aller Tage abend. Zunächst mal gibt's also wieder Kristin pur. Und die Sache mit den anderen Musikprojekten ist auch noch nicht aus der Welt. "Wenn 4AD das nicht macht", erläutert Kristin, "dann werden wir etwas übers Internet veröffentlichen. Ich weiß mit Sicherheit, daß der Bedarf etwa für ein instrumentales Piano-Album durchaus da wäre. Es gibt Leute, die an sowas interessiert sind. Und da ist dieses Medium ideal, weil Du mit den heutigen Möglichkeiten - E-Mail oder (dem Musikkomprimierungsverfahren) MP3 - eine sehr viel unmittelbarere Beziehung zu den Fans herstellen kannst."

Es gilt also, neben der Tourankündigung auch Kristin's Homepage im Auge zu behalten...

Ein Gruß per MP3-Datei von Kristin Hersh (59KB, gezipped)

Weitere Infos:
www.throwingmusic.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Kristin Hersh
Aktueller Tonträger:
Sky Motel
(4AD/Zomba)
jpc-Logo, hier bestellen

 
 

Copyright © 1999 - 2024 Gaesteliste.de

 powered by
Expeedo Ecommerce Dienstleister

Expeedo Ecommerce Dienstleister