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CLIENT
 
Der Pass im Kühlschrank
Client
Machen wir uns doch nichts vor: Anfang des neuen Millenniums war der klassische, unschuldige Elektropop, der in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts seine Geburt erlebte, doch im Prinzip schon ausgestorben. Die Reste davon in Techno und HipHop versickert oder von den wenigen Überlebenden, wie z.B. den Gründervätern von Depeche Mode zu einer eigenen Kunstform weiterentwickelt. Da kam es irgendwie zu Pass, als 2003 Andrew Fletcher von Depeche Mode sein eigenes Label Toast Hawaii gründete und in Kate Holmes (Client A / ex-Technique) und Sarah Blackwood (Client B / ex-Dubstar) begeisterte Elevinnen genau jenes o.a. ursprünglichen Elektropop-Gedankens fand, die dann mit ihrem Projekt Client genau die frei gewordene Nische neu besetzten. Was zunächst noch als Spielerei begann, die Kollegen z.T. zu der Aussage hinriss, dies sei alles doch irgendwie zu nett, entwickelte sich aber stetig weiter, so dass heute, nach den Alben "Client" und "City" mit "Heartland" bereits das dritte Album vorliegt. Und heutzutage sind Client selbst so etwas wie eine maßgebliche Institution in Sachen Elektronik. So sehr sogar, dass sich junge, gebildete Frauen wie Emily Strange darum reißen, etwa als Client E dem Projekt beizutreten und dieses zu verstärken.
Es gibt neben Emily und Andrew Fletcher, mit dem die Band bis heute allerbeste Beziehungen enthält, aber auch noch andere Fans von Client. Zum Beispiel den Über-Produzenten Youth, der so begeistert war vom Potential des neuen Materials, dass er sich als Förderer, Gönner und vor allen Dingen als Produzent und künstlerischer Berater für das "Heartland"-Projekt geradezu aufdrängte. Doch lassen wir einmal die Damen selbst berichten. "Es war so", erzählt Kate, "Andrew Fletcher hatte anderthalb Jahre keine Zeit, mit uns zusammenzuarbeiten. Er hatte uns versprochen, dass er 100% für uns da sein wolle, wenn wir etwas machen, aber auch zu 100% für Depeche Mode arbeiten müsse, wenn dieses verlangt würde. Wir wollten jetzt aber nicht anderthalb Jahre warten und wir entschlossen uns, die Scheibe auf einem neuen Label herauszubringen. Das hängt auch damit zusammen, dass Mute, wo Andys Label beheimatet ist, von der EMI übernommen wurde, und wir wollten nicht unser drittes Album bei der EMI herausbringen, weil wir mit dem zweiten Album schlechte Erfahrungen gemacht hatten, was die Unterstützung bei der Promotion betrifft." Diese Erfahrung haben auch andere Acts machen müssen. "Sie sagen, der Grund für die Zurückhaltung sei die Verbreitung von Material durch illegales Downloaden, zu verhindern", erklärt Kate, "das ist natürlich Unsinn. Davon sind schließlich andere auch betroffen - einfach weil heutzutage die Leute nicht mehr so viel Musik kaufen. Aber sie kommen zu den Konzerten und kaufen Merchandise. Und am Ende wollen sie dann doch das echte Produkt. Man hat uns gesagt, dass wir mit 20% Verkäufen und 80% Downloads rechnen müssten. Nun war es aber in unserem Falle bei der Veröffentlichung in England umgekehrt. Unsere Fans wollen also unsere Scheiben. Man muss nur etwas Ordentliches herstellen."

Und das ist mit "Heartland" zweifelsohne gelungen. Was das neue Album auszeichnet, ist die Ausgewogenheit. Es gibt Helles und Dunkles, Härte und Weichheit, Melodie und Monotonie - usw. Welche Funktion aber haben die Texte denn bei einem Projekt wie Client? "Sie sind mir natürlich sehr wichtig, weil ich sie singen muss", erklärt Sarah, "ich schreibe immer gerne selbstgefällige Texte, die von den anderen dann zerpflückt werden. Ein Song wie 'Client' ist natürlich auch ein wenig ironisch, aber diese Art von Slogans haben immer sehr gut funktioniert und 'Client' ist quasi die Basis dessen, was wir tun." Zwischen diesen Slogans taucht immer wieder der Begriff Rock'n'Roll auf. Was bedeutet denn Rock'n'Roll für einen Act, der sich vorwiegend mit Elektronik befasst? "Es ist in deinem Herzen", meint Kate, "wir sind schon ziemliche Rock'n'Roll-Rebellen..." - "Ja, indem wir unser Zeug in unseren Truck packen und drei Stunden fahren, um vor betrunkenen Studenten zu spielen, die die Wörter unserer Songs mitsingen", sagt Sarah, "das ist Rock'n'Roll für uns." - "Wir nehmen aber keine Drogen", beeilt sich Kate hinzuzufügen, "weil wir dann unsere Sache nicht mehr ordentlich machen könnten. Und weil man dann nicht mehr aus dem Bett kommt." Wie kommt es, dass die Themen von "Heartland" so düster sind - selbst dann, wenn es um persönliche Dinge geht? Es geht immerhin um Abhängigkeiten und in gewisser Weise auch um Dominanz. "Es gibt nicht einen Song über eine glückliche Beziehung", stimmt Kate zu, "das war aber schon immer so - denk' nur mal an 'Pornography' vom letzten Album. Auf der neuen Scheibe geht es eben darum, vor etwas davonzulaufen. Keine Beziehung ist schließlich einfach." - "Aber die Songs sind auch offen für persönliche Interpretationen", sagt Emily, "denn ich will doch hoffen, dass der 18-jährige Junge, der die Songs in seinem Schlafzimmer hört, da etwas anderes hineininterpretiert als jemand, der Beziehungen in der Art wie wir sie schildern schon erlebt hat. Vielleicht geht es auch darum, sich mit uns und anderen Zuhörern zu identifizieren und so vielleicht eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten zu finden." - "Wir haben den nettesten Liebesbrief von diesem 18-jährigen schwulen Fan aus Dortmund erhalten", erzählt Kate, "er sagte uns, dass ihm unsere Texte hülfen, sich selbst besonders zu fühlen. Da habe ich mir gedacht: Wenn wir jemanden wie ihn erreichen können, der so verschieden von uns selber ist, dann machen wir irgendetwas richtig." - "Deswegen heißt die Scheibe auch 'Heartland'", erklärt Emily, "denn das Herzland ist jedermannes Heimat. Es ist immer da, wo du auch selber bist. Wir reisen ja z.B. die ganze Zeit herum - aber unser 'Heartland' ist immer dabei." - "Wherever you lay your hat, that's where your heartland is...", improvisiert Kate.

Nun gut - behalten wir das alles Mal im Kopf: Was hat es dann mit dem Song "Xerox Machine" auf sich - eine Blaupause für eine Fingerübung in Sachen elektronischer und inhaltlicher Effizienz, bei dem es letztlich um Wiederholungen und Kopien geht. "Das ist in der Tradition der subversiven Natur von Adam Ants frühen Arbeiten, die wir sehr schätzen", erklärt Sarah, "es war eine Idee von Youth. Der Song zeigt, dass wir eine punkige Einstellung haben. Die Wörter sind auch vieldeutig. Es könnte ja zum Beispiel um den Zustand der Musikindustrie gehen. Eine Kopiermaschine hat ja auch mit Copyright und so etwas zu tun." - "Und dann haben wir ja auch diesen Firmenlook", fügt Emily hinzu - und dazu muss man wissen, dass Client selbst Interviews in voller Verkleidung geben - in dem Fall Sekretärinnen-Uniformen, "das gehört ja bei uns dazu. Am Ende singen wir 16 Mal 'Xerox Machine'. Und am Anfang 'Lock Up Your Brain - I'm here again' - eine Hommage an Adam Ant. Als er begann, war die Musikwelt ja eine ganz andere als heute. Das habe ich mit 16 bei meinem ersten DJ-Set gespielt." Wieso sind wir denn jetzt auf einmal beim Punk angelangt? "Nun, die ganze Punk-Szene war DIY - do it yourself", gibt Kate zu bedenken, "und wir sind auch DIY. Wir haben die Cover unserer ersten CDs im Büro mit einem Kopierer selbst hergestellt. Wir haben unsere eigenen Merchandise-Artikel verschickt. Wir haben Client C - Corinna - die das Artwork macht. Wir machen unsere eigenen Remixe, wir arbeiten als DJs, wir managen uns selbst, wir machen unsere eigene Tourbegleitung. Das ist alles unsere Arbeits-Ethik. Deswegen machen wir das so" - "Und weil wir Control-Freaks sind", wirft Sarah ein - und niemand lacht. Kommen wir noch mal zur Wiederholung zurück: Ist es nicht so, wenn man etwas immer wiederholt - wie z.B. Slogans oder Schlagwörter -, sich im Unterbewusstsein die Bedeutung dessen ändert? "Das hat Steve Reich gesagt, nicht wahr?", meint Kate, "ja, darum geht es doch bei Slogans, dass man sie wiederholt - darum gibt es sie doch?"

Auf "Heartland" gibt es ein kurzes Instrumental, das "Köln" heißt. Was hat es damit auf sich? "Nun, wir sind ja jetzt gerade hier, oder?", meint Kate, "wir kennen Köln recht gut. Hier haben wir auf der Popkomm auch unser erstes Client-Konzert gespielt. Eigentlich müsste das Stück aber 'Düsseldorf' heißen, weil es ja nach Kraftwerk klingt. Wir haben uns, ehrlich gesagt, um den Titel gestritten. Letztlich haben wir uns auf 'Köln' geeignet, weil es cooler aussieht, mit dem Umlaut..." Es ist also keine Hommage an Can? "Hm - das sollten wir vielleicht künftig behaupten, danke für den Hinweis", lacht Emily. Kommen wir noch mal zu Emily: Was hat sie vor Client gemacht und wie kam sie zu dem Projekt? "Ich habe als DJ begonnen", verrät Emily, "aber ich umgebe mich auch immer mit Künstlern aller Art. Ich betrachte mich selbst als 'Stuckist' - das ist eine Bewegung von Künstlern jenseits des Mainstreams, denen es nicht darum geht, erfolgreich zu sein oder dem letzten Trend hinterherzulaufen, sondern etwas zu machen, an das sie glauben. Sie 'bleiben dabei' - was 'stuckist' ungefähr bedeutet." "Diese Bewegung hat Billy Childish ins Leben gerufen, nicht wahr?", wirft Sarah ein, "das ist lustig, weil er mein Idol als Schriftsteller ist. Ich habe all seine Bücher - er ist brillant." Aber zurück zu Emily: "Ich habe auch in kleinen Indie-Bands gespielt, die Clubszene unsicher gemacht und als DJ meine Musik jedermann aufgedrängt. Wenn man etwas entdeckt, was einem am Herzen liegt, dann will man das auch anderen vermitteln. Mich haben immer zeitlose Tracks fasziniert, die man in jedem DJ-Set spielen kann. So bin ich auch an Client geraten, denn das ist genau diese Art von Musik, die ich meine. Es ist keine Mode-Statement, sondern etwas mit Tiefe und Emotion. Ich liebe Pop-Musik und Pop-Melodien. Und das haben Client drauf. Und ich liebe das ganze Paket: Sie fingen als Independent-Act an, haben den Schwung beibehalten und gelten heute selbst als Maß aller Dinge, was die elektronische Szene in London betrifft. Wir haben jetzt zwei MySpace-Seiten, eine ganze Mode-Kollektion, wir überlegen uns ständig, was wir sonst noch machen könnten - ich habe somit endlich eine Richtung gefunden, in die ich mich weiterentwickeln möchte."

Client
Wenn es darum geht, ein Resümee zu ziehen: Was ist das Wichtigste an "Heartland" für Client? "Es ist weniger ein musikalisches Ding", zögert Kate, "als vielmehr der Umstand, dass wir diese Scheibe mit unserem eigenen Geld und ganz alleine gemacht haben. Es hat uns keiner Geld gegeben - und dennoch ist es uns gelungen, mit Youth und auch Stephen Hague zu arbeiten. Ich denke, 'Heartland' ist auch unser bestes Album geworden. Und es hat keine Auseinandersetzungen gegeben - und das passiert ja normalerweise öfter mal. Ach ja - und wir haben zwei Tage mit Youth in seinem Studio in Spanien gearbeitet." - "Und das war sehr lustig", erinnert sich Emily, "als Wegbeschreibung hatten wir nur den Hinweis, uns nach dem Flughafen Malaga nach den Windmühlen rechts zu halten. Unser Auto war ein Fiat Panda, in den wir meinen Bass und drei Computer transportieren mussten. Und wir mussten morgens um fünf Uhr aufstehen und ich hätte fast meinen Reisepass im Kühlschrank vergessen, wo ich ihn am Abend vorher reingelegt hatte, um ihn bloß nicht zu vergessen..." - "Das war wirklich das schlimmste", meint Kate, "um fünf Uhr morgens aufzustehen. Da mussten wir eine ganze Menge Guarana trinken." - "Nicht dass sie Drogen nähmen", wirft Emily ein. "Moment mal, das ist doch rein organisch", verteidigt sich Kate. "Aber wenn man dann schließlich auf der Bühne steht - auch wenn es, wie in Spanien um vier Uhr in der Nacht ist - dann ist es einem das alles Wert", ergänzt Sarah. Schon gut, wir sind überzeugt: Client sind eine waschechte Rock'n'Roll-Band...
Weitere Infos:
www.client-online.net
www.myspace.com/client
www.outofline.de/client/index.html
www.client-online.de
photo.client-art.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Client
Aktueller Tonträger:
Heartland
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