Gaesteliste.de: Es gibt einige undurchsichtige Schubladen, die im Zusammenhang mit Bands wie euch immer wieder aufgemacht werden. "Underground" oder "Outsider" zum Beispiel, oder in letzter Zeit vermehrt "Americana". Könnt ihr euch in diesen Begriffen wiederfinden?
Kurt: "Meinst du, ich habe eine Ahnung, was mit 'Americana' gemeint ist? Bands aus Amerika???"
Vic (zur Melodie von Kim Wildes 'Kids In America'): "We're the bands from America, uh-oh-oh."
Kurt: "All diese Bands, die in dieser Kategorie zusammengefasst werden, decken ein so breites Feld ab. Das Einzige, was sie vielleicht verbindet, ist, dass viele von ihnen Steel Guitars verwenden. Aber das ist weiß Gott kein neuer Trend."
Vic: "Es sind genau all die Bands, die weder Punkrock, noch Rap, noch Techno sind. Alles, was Post-Grunge, strummy, steely ist."
Gaesteliste.de: Die Bands also, die irgendwo, irgendwie Countryeinflüsse haben? Bei uns werdet ihr natürlich schon alleine deshalb gerne in einen Topf geworfen, weil sich viele Europäer nicht die Mühe machen, die regionalen Unterschiede in Amerika als (mit-) entscheidende Inspirationsquelle für die Musik zu sehen. Werdet ihr in Amerika nicht so schnell in die gleiche Schublade gesteckt?
Vic: "In Amerika vergleichen mich alle mit Giant Sand. Oder Victoria [Williams]. Und in letzter Zeit auch häufiger mit Lambchop und Calexico."
Gaesteliste.de: Findet ihr diese Vergleiche passend? Ist es nicht eher so, dass sich eure Platten heute recht unterschiedlich anhören, ihr aber früher alle die gleichen Platten gehört habt und so eine ähnliche Basis habt?
Vic: "Stimmt. Dazu fällt mir ein Interview mit Peter Buck aus den 80er ein. Er wurde gefragt, warum zum Beispiel die Replacements und R.E.M. so ähnlich klingen. Und Peter hat geantwortet: 'Wir haben eben sehr ähnliche Plattensammlungen'."
Kurt: "Ich finde, das ist nicht alles. Wahrscheinlich mögen wir doch auch die gleichen Maler oder Autoren..."
John: "Richtig! Als ich Vic zum ersten Mal getroffen habe, hat mich am meisten beeindruckt, dass er wußte, wer John Fontane war!"
Vic: "Ich fühle mich einfach sehr mit den Jungs hier verbunden. Ich denke oft an sie, wenn ich meine Platten aufnehme. Für mich sind sie so etwas wie Prüfsteine. Ich überlege immer, was sie wohl in dieser oder jener Situation machen würden. Dann höre ich mir einfach ihre Platten an. Das ist unheimlich inspirierend, und dann läuft alles wie von alleine und ich kann gute Songs machen. Ich klammere mich an diesen Bands fest wie ein kleines Äffchen an seiner Mutter."
Kurt: "Was mich wirklich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass wir unheimlich viel gemeinsam haben. Das war auch schon so, bevor wir uns kennengelernt haben. Als ich die ersten Platten von Vic hörte, konnte ich es kaum glauben. Er erzählte da von Dingen, die mich genau in der Woche auch beschäftigten. Das war fast schon unheimlich. Etwas Ähnliches ist mit Giant Sand passiert. Die hatten genau den Sound, an dem wir mit Lambchop auch gerade arbeiteten. In gewisser Weise wollte ich die Jungs danach gar nicht mehr kennen lernen, weil ich befürchtete, dass diese Parallelen verschwinden würden. Inzwischen glaube ich, dass es sogar hilfreich ist, weil es uns die Möglichkeit gibt, uns weiterzuentwickeln, um uns voneinander abzuheben."
Vic: "Ich war immer schon der größte Fan von John und Joeys anderer Band [Giant Sand]. Als ich sie zum ersten Mal hörte, war das wie eine Erlösung. Die Texte waren das reinste Hosanna für mich, genau das, was ich mir immer gewünscht hatte. Und dann die Musik... ROCK! Tolle Texte und ROCK!!! Da habe ich mir gesagt, mach das doch einfach nach! (lacht)"
John: "Das stimmt auch für uns. Joey und ich haben so viel von Howe [Gelb, Giant Sand-Mastermind] gelernt. Erst die Zusammenarbeit mit ihm hat uns die Möglichkeit gegeben, Calexico zu machen. Wir klingen zwar völlig anders, aber die wichtigsten Ideen und Impulsen haben wir aus seinen Songs herausdestilliert."
Gaesteliste.de: Bedeutet das also, dass es immer einfacher ist, mit Freunden in einer Band zu spielen, anstatt ein paar Profis zu mieten und das Ganze als Geschäftsbeziehung zu betrachten?
John: "Wir haben das gerade zum ersten Mal ausprobiert. Wir haben drei Musiker aus Deutschland [Martin Wenk und Volker Zander von Ira Lee And The Whitehazleboys sowie Michael Lembach von Bad Ellington] mit dabei, die wir vorher überhaupt nicht kannten! Joey ist ein paar Tage früher rüber geflogen, um mit ihnen die Songs zu proben. Als er mit der Idee ankam, war ich zuerst total dagegen. Ich habe nicht geglaubt, dass das funktionieren würde. Ich dachte: 'Sollten wir nicht zumindest vorher mal einen Kaffee mit denen trinken?' Aber jetzt stellt sich heraus, dass es trotzdem sehr gut läuft."
Gaesteliste.de: Eure Karrieren verlaufen in Europa geradliniger als in eurer Heimat... Liegt das nur daran, dass Underground-Musik in den Staaten vor allem über's Collegeradio verbreitet wird und nicht über Printmedien, während es in Europa viele Magazine gibt, die auch die Bands jenseits der Smashing Pumpkins und der R.E.M.s zu Wort kommen lassen?
John: "Das Problem beim Collegeradio ist, dass du noch lange nicht weißt, wie du an die Platte herankommen sollst, die dir gefallen hat. Häufig sagen sie noch nicht einmal, was sie spielen. Das ist keine große Hilfe."
Vic: "Die Hörer in Europa sind viel aufgeklärter."