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Interview-Archiv

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ATARI TEENAGE RIOT
 
There's A Riot Going On
Atari Teenage Riot
Egal, ob man sie nun internationalistische Techno-Punks, einen elektronischen Alptraum oder abgedrehte Anarchos nennt - Atari Teenage Riot sind zurück und haben nach "1995" und "Future Of War" ihr drittes Album im Gepäck: "60 Second Wipeout". Und das klingt wie kein zweites dieses Jahr. Veröffentlicht auf ihrem eigenen Label Digital Hardcore Recordings (DHR) gibt's auch dieses Mal wieder Hochgeschwindigkeitsbreakbeats und Speedmetal zum Fürchten und Nachdenken. Textlich apokalyptisch, musikalisch radikal gehen Alec Empire, Hanin Elias, Carl Crack und Neuzugang Nic Endo zu Werke und warten dieses Mal auch mit einigen interessanten Gästen auf: Riot Grrrl Kathleen Hanna, Metal-Gitarrist Dino Cazares und die HipHop-Shooting-Stars Arsonists stellen sich in den Dienst der musikalischen Revolution des Atari Teenage Riot, die unlängst übrigens einmal mehr die Übermacht des Staates zu spüren bekamen und bei der Berliner Antikriegs/Antifa-Demonstration am 1. Mai auf der Bühne mit fadenscheiniger Begründung verhaftet wurden. Wenige Tage später trafen wir Alec Empire in Köln, um mit ihm die Philosophie von Atari Teenage Riot von A bis Z durchzugehen. Vielleicht werdet ihr übrigens das Y vermissen: Schickt uns eure Y-Fragen für Alec Empire und wir werden bei nächster Gelegenheit die Antwort nachholen...
A - ANARCHIE

"Das ideale Gesellschaftssystem. Für uns bedeutet Anarchie eine Gesellschaft ohne Machtstrukturen, die nicht kapitalistisch organisiert ist. Ich glaube, daß sich die Menschen bald in diese Richtung begeben müssen, weil sonst die sozialen Probleme und die Zerstörung der Umwelt irgendwann zum Selbstmord führen werden. Die Politiker und die ganze Wirtschaft denken viel zu kurzfristig, jeder einzelne sollte mehr Verantwortung bekommen. Wir kämpfen für ein System, das menschlicher ist."

B - BERLIN

"War mal eine wichtige Stadt Anfang der 90er. Auch musikalisch. Inzwischen ist es eine Geisterstadt. Fast alle Orte, an denen neue Sachen entstehen können, sind zerstört worden. Für uns ist es trotzdem ab und zu noch eine ganz gute Nische sein. Im Vergleich dazu passiert in London oder New York so viel, daß es uns manchmal fast sogar einengt."

C - CHAOS

"Weiß ich nicht (lacht). Jetzt Chaos in der Gesellschaft zu verursachen ist wichtig, um den Leuten zu zeigen, daß nicht alles so sicher ist, wie es aussieht."

D - DEUTSCHLAND

"Muß sterben..." (lacht)

E - ERSTER MAI

"Wow (lacht laut). Die Antifa hat uns gefragt, ob wir da spielen wollen, und ich fand es dieses Jahr wichtig, daß wir dort spielen. Am 1. Mai hat man bei dieser Demo genau gesehen, daß der Staat oder das System einem keine andere Möglichkeit läßt, als sich gewaltsam zu wehren. Die Polizei ist mit Gewalt gegen die Leute vorgegangen und hat einfach reingeprügelt und Tränengas eingesetzt, obwohl es überhaupt noch keine Ausschreitungen gab. Einfach nur, damit die Demo in Gewalt endet und nachher in den Medien Vorurteile bestätigt werden konnten."

F - FESTIVALS

"Die Idee hinter den ATR-Konzerten ist Konfrontation. Deshalb wählen wir Festivals auch nicht aus, ob sie uns passen oder nicht. Selbst wenn wir vielleicht nicht ins Programm passen, sind sie trotzdem eine Chance, möglichst viele Leute zu motivieren. Wenn die Leute sagen: 'Find ich scheiße', überlegen sie sich ja vielleicht nachher zumindest, warum sie's eigentlich so scheiße fanden."

G - GÄSTE

"Wir haben mit vielen Musikern Allianzen gebildet. Auf der Platte ist Kathleen Hanna von Bikini Kill dabei, dann haben wir noch mit den Arsonists zusammengearbeitet, einer neuen New Yorker HipHop-Band, von denen ich ein paar 12"s kannte, die ich sehr gut fand. Bei dem Track ["No Sucess"] wollten wir Leute zusammenbringen, die normalerweise nichts zusammen machen würden. Riot Grrrls und HipHopper haben ja normalerweise nicht viel miteinander zu tun. Außerdem ist noch Dino Cazares dabei. Ich bin zwar nicht gerade ein Fear-Factory-Fan, aber sein Gitarrenspiel hat einen sehr eigenen Sound, und ich wollte ihn mal in einen anderen Kontext stellen."

H - HARDCORE/PUNK

"Will never die!" (lacht)

I - INHALT

"Der Inhalt, bzw. die Texte stehen über der Musik. Bei einem Song, der nur eine bestimmte Länge haben sollte, damit er überhaupt noch funktioniert, muß man sich natürlich auch beschränken. Deshalb versuchen wir, anders noch mehr Informationen rüberzubringen. Zum Beispiel mit dem DHR-Magazin, das inzwischen weltweit eine Auflage von 45.000 hat, oder eben mit Interviews."

J - JUGEND

"Ich finde schlimm, daß heute der Großteil der Jugend konservativer ist als meine Eltern (obwohl meine Eltern nicht sehr konservativ sind). Es ist doch erstaunlich, wie viele nur noch konsumieren wollen. Allerdings sehe ich auch, daß viele nicht so sind, wie die Medien sie verallgemeinernd darstellen."

K - KRIEG

"Wir sind gegen eine Politik, wie Milosevic sie macht, allerdings sind wir auch gegen die Weltpolizeirolle, die die NATO oder die USA sich geben. Für mich war es auch ein großer Schock, daß Deutschland sich das Recht genommen hat, aktiv an diesem Krieg teilzunehmen, denn ich finde, daß Deutschland nie wieder die Möglichkeit haben sollte, einen Krieg anzufangen. Das Schlimme ist, daß die humanitären Gründe dazu dienen, die wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Für viele Amerikaner ist Hitler = Saddam Hussein = Milosevic, und das ist unmöglich. Wir müssen uns da auch rechtfertigen. Wir bekommen zum Beispiel eMails aus Amerika: 'Wie könnt ihr auf der 1.Mai-Demo gegen den Krieg spielen, wo Milosevic doch ein Nazi ist. Ihr habt doch gesagt: Hetzjagd auf Nazis.' Da wird man sich erst einmal bewußt, wie Informationen manipuliert werden. Das ist sehr gefährlich. Wahrscheinlich haben im Dritten Reich deshab auch einige Leute wirklich geglaubt, daß sie das Richtige machen."

L - LABEL

"Wir haben Digital Hardcore Recordings 1994 gegründet, und es soll eine anarchistische Energie verbreiten. Ich glaube, das haben alle Bands auf dem Label gemeinsam. Wir setzen uns zwar Regeln für kurze Zeit, um sie nachher wieder zu zerstören, aber insgesamt gibt es keine Gesetzmäßigkeiten."

M - MAINSTREAM

"Der Underground muß den Mainstream zerstören. Klar, wir haben bei einem Major angefangen, aber wir haben das nur getan, um an Geld heranzukommen, damit wir unser Label gründen konnten. Von Tag 1 an haben wir die Arbeit dort total sabotiert, um aus dem Vertrag herauszukommen. Wir wollten nur den großen, nicht zurückzuzahlenden Vorschuß mitnehmen. Das Risiko dabei war, daß die uns auf Eis hätten legen können, dann hätten sie nur den Namen gehabt. Damals gab es uns allerdings erst ein Jahr, wir hätten uns eben einen neuen gesucht. Im Nachhinein wäre das schade gewesen, aber damals war es uns egal."

N - NIC ENDO

"Sie ist vor zwei Jahren in die Band gekommen. Ich hab auf 'Future Of War' mehr gesungen und konnte live nicht mehr beides [Technik und Gesang] gleichzeitig machen. Deshalb war es für sie anfangs ziemlich stark vorgegeben, was sie zu tun hatte. Aber sie hat es in den zwei Jahren geschafft, sich Freiräume zu schaffen und sich stärker selbst einzubringen. Dadurch, daß sie live jede Menge Sounds einfach drübergelegt hat, war es einfach aggressiver und besser als zuvor."

O - OLDIES

"Ich höre viel alte Musik, das sind zwar keine Oldies im engeren Sinne, also keine Hits, aber eigentlich hätten es welche werden müssen."

P- PLATTEN, DIE MAN HÖREN SOLLTE

"1. Otis Redding 'Live At Monterrey Pop Festival' / 2. Richard Hell 'Blank Generation' / 3. Bunker Hill 'The Girl Can't Dance' / 4. Underground Resistance 'Punisher'"

Q - QUALITÄTSKONTROLLE

"Bei uns ist die Delete-Taste die meistbenutzte (lacht). Wir arbeiten sehr schnell und spontan. Das sollten viel mehr Leute machen, die elektronische Musik machen, dann wär vieles nicht so perfektionistisch und langweilig."

R - REVOLUTION

"Das gehört für uns zur Evolution dazu. Auf der Platte haben wir ja den Track 'Revolution Action', und davor haben wir das Wort nie benutzt, weil es heute durch die Massenmedien diesen zynischen Beigeschmack hat, und die meisten Bands, die davon singen, kann man auch canceln. Wir versuchen, das wieder umzudrehen. Revolution ist ein Prozeß der Veränderung, und das ist sehr wichtig."

S - (UNITED) STATES (OF AMERICA)

"Suck! (lacht). Nee, gibt auch viele gute Sachen, die dort passieren. Wir konzentrieren uns auch nicht nur auf New York, wir waren überall auf Tour. Wenn man sich das anguckt, die Verkaufszahlen und die Besprechungen, gibt es interessanterweise kaum Unterschiede zwischen den Stadtzentren und den Suburbs bespielsweise."

T - TOURING

"Konzerte sind ein Ort, an dem die Leute zusammenkommen können. Das ist Kommunikation. Ein Konzert ist niemals gleich und immer wieder anders. Nur Raves, die sind immer gleich (lacht laut)."

U - UNDERGROUND

"Muß immer existieren, obwohl die Mainstreamkultur es nicht zulassen will."

V - VERGANGENHEIT

"Für uns ist es wichtig, immer zu gucken: Wo waren Leute in der Geschichte, die ähnliche Sachen versucht haben. Wo sind sie gescheitert, wo waren sie gut?"

W - WAHRHEIT

"Ja...weiß ich nicht..." (lacht)

X - (AKTE) X

"Die haben uns gefagt, ob wir einen Song für den Soundtrack machen wollten, denn zunächst war geplant, einen harten Soundtrack zu machen. Wir haben den Track 'Ghostchase' gemacht, der jetzt auf unserem Album ist, wo es darum geht, wie Verschwörungen aufgebaut werden. Wir sind halt generell gegen Verschwörungstheorien. Leider wurde letztendlich der Plan für den Soundtrack geändert."

Atari Teenage Riot
Y - ???

Z - ZEITUNG

"Die Idee, eine dritte Meinung zwischen Musiker und Konsument zu haben, finde ich gar nicht schlecht. Auf dieser Interviewtour war es schon so, daß die politische Seite immer zuerst behandelt wurde. Das finde ich auch okay. Was ich dann manchmal nicht verstehe, ist, daß bis jetzt noch nie richtige Kritik gekommen ist. Natürlich gab's negative Berichte, aber ich fänd es wichtiger zu lesen: 'Es kann so nicht funktionieren, weil...' Und zwar wirklich ernsthaft, nicht nur: 'Die Musik hört sich scheiße an'."

Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-

Aktueller Tonträger:
60 Second Wipeout

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