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JAMES YORKSTON AND THE ATHLETES
 
Krautfolk
James Yorkston And The Athletes
James Yorkston sieht vielleicht wie ein Autoverkäufer aus, wie ein Buchhalter oder sogar wie ein Beamter - keinesfalls indes so, wie man sich einen Musikanten vorstellt. Das ist aber eine Art von Mimikri, die dem stillen Herrn aus Schottland eher entgegenkommt. "Ich werde nie mit meiner Musik Geld verdienen", ist einer der ersten Sätze, die er sagt - noch bevor er mit seinem kochenden Teewasser gleich drei Plastikbecher zum schmelzen bringt. Und kurz bevor er auf die Bühne geht, raunt er noch aus dem Mundwinkel: "Es wäre schön, wenn heute Abend viele Leute kämen, aber sei nicht erstaunt, wenn niemand kommt. Wir sind nämlich nicht besonders populär hier." Nun ja, eine realistische Einschätzung der Gemengelage in Ehren: Da fragt man sich dann aber doch, warum sich James dann überhaupt noch die Mühe macht, sich hinzusetzen und eben jene wunderschönen, filigranen Folksongs zu schreiben, die sein Oeuvre auszeichnen - ganz mal davon abgesehen, dass er jetzt mit seiner dreiköpfigen Band, den Athletes, auf Tour geht.
Der Mann, so stellt sich aber heraus, hat durchaus eine Mission. Ausgelöst übrigens von seinen musikalischen Einflüssen, die man so gar nicht aus seiner Musik heraushört. "Ich denke, das ist aber eine gute Sache, wenn jemand Einflüsse hat, die man aus seiner Musik dann nicht heraushören kann", gibt James zu bedenken, "ich mag z.B. die irische Folksängerin Anne Briggs, den madagaskanischen Gitarrenspieler D'Gary und die deutsche Band Can. Anne Briggs mag ich, weil sie so klar und simpel singt - nicht auf diese gekünstelte Mariah Carey-Art, die heute so en vogue ist und die ich so hasse. D'Gary war derjenige, der mich dazu brachte, überhaupt das Gitarrenspielen zu lernen. Und Can waren eine erstaunliche Band. Ich liebe Jaki Liebezeits Rhythmusarbeit und Malcom Mooneys und Damo Suzukis Gesang." Da gibt es ein ewig langes Stück namens "The Lang Toun", das James auf einer Maxi-Single veröffentlichte... "Das ist total von Can beeinflusst", räumt er ein, "davon und von der schottischen Folkmusik. Und wichtig war mir dabei auch die Drone-Pfeife der Dudelsäcke. 'The Lang Toun' ist eine Mischung aus Krautrock und schottischer Folkmusik." Wie kommt man denn darauf, eine solche Verbindung aufzudecken? "Nun, was gute schottische Folkmusik und Can gemeinsam haben, ist, dass beides aus Spaß gemacht wird oder wurde. Du wirst niemals reich als Folkmusiker und ich denke, dass auch die Jungs von Can nicht mit ihrer Musik reich geworden sind. Da gibt es eine gewisse Reinheit, die beides verbindet. Jede Musik, die aus keinem anderen Grund außer der Musik gemacht wird, wird für mich immer die bessere Musik sein - einfach weil sie ehrlich ist. Ein Statement. Can haben sehr ehrliche Musik gemacht - außerordentlich." Nun ist James per se aber doch gar kein Folkmusiker, oder? (Jedenfalls sind seine Songs keine klassischen Folk-Stücke an sich.) "Nee - ich versuche auch gar nicht, Folkmusik zu machen", bestätigt er dann auch, "dass es so klingt, kommt durch die Einflüsse. Was ich bin, ist ein Singer / Songwriter, der seine Songs mit traditionellen Instrumenten spielt. Meine Band, die Athletes, ist erstaunlich in dieser Richtung, weil sie alle möglichen Instrumente beitragen können." Das stimmt: Auf dem Konzert spielen die Athletes neben traditionellen Instrumenten z.B. Banjo, Bouzouki, Konzertina, Lap-Steel und Harmonium.
Wie entstehen denn die Arrangements der Songs? "Nun, da haben wir z.B. Feisal, unseren Drummer. Er ist erstaunlich", erzählt James, "wenn wir einen Song aufnehmen, spielt er z.B. bei den ersten sechs Durchgängen gar nichts. Dann denkst du dir schon 'nun mach mal Hinne, Feisal' - und dann kommt er auf einmal mit diesen großartigen Ideen zu Tage. Er macht sich halt seine Gedanken. Feisal mag diesen typischen Rockbeat nicht, und so erfindet er eben seine eigenen Sachen. Die Arrangements kommen eher aus dem Bauch. Wir versuchen Sachen, die manchmal funktionieren - oder auch nicht. Das ist eben die Art, wie Songs entstehen." Woher kommt es denn, dass James so auf ruhige Musik steht? "Der Grund dafür ist, dass ich lange Zeit in zwei verschiedenen Bands spielte - eher so Pop-Garagen-Zeugs in Richtung der Kinks", erinnert sich James, "die spielten immer nach dem Motto: 'Liebt uns! Liebt uns!' und so laut es nur irgend ging. Ich dachte mir irgendwann: Scheiß' doch darauf. Ich will ruhige, schöne Stücke schreiben. Die Lautstärke hat nichts damit zu tun. Ich bin zu alt, Punk Musik zu spielen und ich fühlte mich nicht mehr wohl mit lauter Musik. Ich wollte den Leute nicht mehr ins Gesicht springen." Wonach sucht James denn in seiner Musik? "Ich weiß nicht. Was ich nicht mag ist das Gefühl, dass etwas erzwungen werden soll", überlegt James, "wenn etwas in die Charts geprügelt werden soll. Wenn etwas voraussehbar ist. Das macht mich krank. Musik ist doch etwas Besonderes. Und wenn du es das Ganze als Marketing betreibst, wird es doch offensichtlich, oder? Ich möchte mir keine Gedanken darum machen müssen, eine Melodie zu finden, die auch im Radio gespielt werden kann. Songs müssen aus sich selbst heraus eine Berechtigung haben. Ich möchte Melodien schreiben, die du dir immer wieder anhören kannst, weil sie dich nicht anöden. Wie viele Songs gibt es? Millionen über Millionen, oder? Und wie viele sind davon Mist? 99,9% davon sind Mist. Wenige Songs sind wirklich gut. Und ich sage nicht, dass meine Songs alle großartig sind - aber warum sollte ich oder sonst irgendjemand Songs fabrizieren, die Mist sind? Man muss immer sein Bestes tun. Für mich sind das reine Songs. Ich werde eh niemals Geld mit meiner Musik verdienen - nicht einen Penny. Ich möchte einfach Songs machen, die da sind und das Gegenteil von dem verkörpern, das du im Radio oder im Fernsehen hörst. Es ist Musik um der Musik willen." Was regt James denn an, songwriterisch tätig zu werden? "Ich trage ein Notizbuch mit mir herum und ich schreibe Dinge auf, die mir in den Sinn kommen. Wenn ich etwas auf der Gitarre spiele und mir eine Melodie einfällt, dann spiele ich diese vor mich hin. Und wenn sie mir nicht auf den Keks geht, dann behalte ich sie. Das bedeutet, dass das, was ich verwende, dir auch nicht auf den Keks geht. Die Texte müssen etwas zu sagen haben. Knüppelverse, die nichts bedeuten mag ich nicht. Ich könnte so etwas auch gar nicht fabrizieren. Dann versuchst du dich nämlich durchzumogeln. Und wenn du versuchst, auf diese Weise dein Publikum zu betrügen, dann solltest du besser gleich etwas anderes machen. Die Wörter müssen mir persönlich etwas bedeuten, weil ich sie auch mit Überzeugung vortragen muss." Und hochkonzentriert, mit geschlossenen Augen - wäre noch zu ergänzen.
James Yorkston And The Athletes
Dieses ganze Reinheitsgebot gilt natürlich auch für die Produktion der Scheibe, auf der es z.B. keine Effekte gibt. "Es gibt mehrere Gründe für diesen Ansatz", verrät James, "einer davon ist: Wenn ich heute eine Scheibe mache, die hip klingt, klingt sie morgen altmodisch. Das ist offensichtlich. Was ist so seltsam daran, einfach ein Mikro aufzubauen und Instrumente aufzunehmen? Das ist keine Zauberei, kein Hokus-Pokus. Das ist wie bei Can: Der Sound, den die hatten, klingt heute noch nicht altmodisch. Er ist zeitlos - weil die einfach ohne Gimmicks ihre Musik gespielt haben. Ich möchte Musik machen, die die Zeit gut übersteht. Wenn ich dann in 20 Jahren in einer Buchhandlung arbeite oder einem Hotel, möchte ich auf meine Scheiben zurückblicken können und diese dann noch gut finden können." Immerhin plant James so ja schon mal für die Zukunft. Eine Sache interessiert noch: James lebt jetzt in Edinburgh, stammt aber ursprünglich aus Fife - der windigsten Stadt Schottlands, woher auch unser Freund Jackie Leven stammt. Kennen die beiden sich eigentlich? "Komisch, dass du das sagst. Ich kenne Jackie und seine Musik bislang zwar nicht, aber er hat mich neulich angerufen und mich eingeladen etwas mit ihm zusammenzuarbeiten. Im Januar werden wir mit Ian Rankin, dem Krimi-Author, der auch aus Fife stammt, eine Show namens 'Straight Out Of Fife' spielen." Das ist dann aber das einzige, was James bereits fest eingeplant hat. Zwar arbeitet er bereits an Songs für die neue Scheibe, die ein wenig anders klingen soll (obwohl er sich noch nicht festlegen wollte, ob er etwa gar hier Effekte zulassen will), aber diese ist erst für 2006 angedacht. Bis dahin will James Yorkston noch weiter mit seinen Athletes touren und nach der Reinheit in der Musik suchen.
Weitere Infos:
www.jamesyorkston.co.uk
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
James Yorkston And The Athletes
Aktueller Tonträger:
Just Beyond The River
(Domino Records/Rough Trade)
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