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JULIAN DAWSON
 
Die besoffene Heilsarmee-Kapelle
Julian Dawson
Julian Dawson ist ein Mann, der nun wirklich niemandem mehr etwas beweisen muss. Vielleicht ist ja gerade das der Grund, warum gerade seine letzten Scheiben diese Art von heiterer Gelassenheit ausstrahlen, die nun wirklich nur jemand zustande bringt, der mit sich und der Welt im Reinen ist. Auf seinem neuesten Werk, "Bedroom Suite", beschreitet er nun dennoch Wege, die er bislang nicht verfolgte. Erstmals produzierte er die Scheibe quasi im Alleingang und unter Verwendung modernster Methoden (von Pro-Tools bis zu Soundloops). Erstmals auch bastelte er ein Stück, das ganz auf seinem Lieblingsinstrument, der Mundharmonika basiert und erstmals orchestrierte er ein Stück für eine Bläsergruppe. Nebenher reüssierte er auch noch als Dozent für Songwriting und als Produzent.
Doch lassen wir unseren englischen Hans Dampf lieber einmal selber erzählen - zum Beispiel, warum die neue Scheibe ausgerechnet "Bedroom Suite" heißt... "'Bedroom Suite' hat auf englisch eine doppelte Bedeutung," erklärt er, "wenn du ins Möbelhaus gehst und eine ganze Schlafzimmereinrichtung kaufst, ist das eine 'Bedroom Suite'. Und dann stellte ich fest, dass ich plötzlich mehrere Songs hatte, die auf dem Thema 'Ehe' beruhten - durchhalten, zusammen leben, Schwierigkeiten - alle möglichen Aspekte. Eine Reihe von Songs ist schließlich auch eine Suite, und so nannte ich es dann 'Bedroom Suite'. Die Songs nahm ich großteils bei mir zu Hause auf. Das war total einfach für mich, wie ich feststellte. Manche Sachen sind einfach durch die Ökonomie bedingt. In meinem BMG-Zeiten hatte ich Etats von 150.000 Euro - davon könnte ich heute 10 Scheiben aufnehmen. Es hat sich also alles reduziert. Aber das Plus ist, dass sich die Technik heute so weiter entwickelt und vereinfacht hat. Wir haben die ganze Scheibe auf Pro-Tools im Computer aufgenommen. So kann man genauso gut zu Hause im Wohnzimmer aufnehmen wie sonst wo. Auch die Drumloops, die heute zu haben sind, sind zu vergleichen mit richtigen Drums. Wichtig für mich ist, dass ich nicht clever sein wollte, sondern es gibt einen ganz einfachen Beat. Zu dem kann man dann relaxen und sehr schön dazu spielen. Ich habe mich auch gar nicht bemüht, das zu verschleiern, sondern es ganz einfach zu belassen. Wichtig war nur, dass es sich nicht aufdrängt. Wenn man es bewusst herausgehört hätte, dann hätten wir das im Mix anders behandelt. Das Ganze hat etwas Beruhigendes, etwas Hypnotisches."
Es gibt einen Track, den Opener, "Dreams Like Trains", auf dem Julian mit seiner Tochter Holly ein Duett singt. "Das ist eigentlich ein ziemlich skurriler Wunsch von mir gewesen, denn den Text, den sie da singt, ist für eine Tochter / Vater Situation eigentlich ziemlich abartig", verrät Julian, "der Song behandelt ja eher Ehefragen. Aber sie hat eine unheimlich tiefe und sinnliche Stimme und das passte so gut, dass ich es einfach machen musste. Wenn z.B. Brüder zusammen singen, gibt es so eine Art von Harmoniegesang, die durch die Blutsverwandschaft besonders wird. Bei meiner Tochter ist das genau so. Das passt vom Timbre her unheimlich gut zusammen. Sie ist 18 Jahre alt und hat eine Stimme wie Bonnie Raitt. Ich glaube, wenn sie Lust dazu hat, dann kann ich zu Hause bleiben und brauche nur noch die Schecks einzusammeln." Wird es denn mal eine Dawson-Family Scheibe geben? "Ich habe mir das ernsthaft überlegt", überlegt Julian, "weil mein Sohn ein ausgezeichneter Keyboard-Spieler geworden ist. Das wäre dann so eine Art Kelly Family - nur eben gut. Das könnte passieren. Was meine Tochter betrifft, ist das so, dass sie nicht so darauf versessen ist, Musik professionell zu machen - so wie ich. Sie will erst mal studieren - nimmt das ganze aber durchaus ernst. Mal sehen." Auf der Scheibe befindet sich ein Hidden Track, den Julian damals aufnahm, als er am 11. September in Kanada zwischenlanden musste. (Am Tag des Anschlages war er auf dem Weg zu Sessions in den USA). Was hat es damit auf sich? "Also, diese Scheibe ist ja die erste Scheibe, die danach erschien", erklärt Julian, "das ist eine Schnapsidee, der für die ganze Welt nicht besonders wichtig ist. Ich habe das für die Leute vor Ort gemacht, um sie aufzurichten. Das Ganze hat aber eine Art Eigenleben entwickelt, weil es in den USA im Fernsehen lief und in einem Buch (Diary between Friends) abgedruckt wurde, das von der kanadischen Regierung herausgegeben wurde. Für die Leute, die das erlebt haben, war es wichtig. Die Musik ist übrigens von Jimmy Rogers. Ich habe nur den Text geschrieben." Der Titel "The Lord Loves A Rolling Stone" (das Stück mit den Bläsern) ist hingegen eine "richtige" Cover-Version, nicht? "Ja, ich bin jetzt seit einigen Jahren mit Dan Penn und Spooner Oldham befreundet. Das sind Leute, die die besten Songschreiber der Pop Geschichte sind - zumindest aus der Soul-Zeit. Der Song ist von Dan - aber er ist, bis auf eine miserable Version von Roger McGuinn nie aufgenommen worden. Dan hat liebenswerter Weise eine Demo Version mit Spooner zusammen für mich gemacht, damit ich ihn aufnehmen konnte. Ich habe den Song ganz reduziert gemacht - nur Gitarre und Bläser. Das war neu für mich, denn das war die erste Idee, die ich für die neue Scheibe hatte. Der Mensch, der meine Website für mich macht, ist der ehemalige Posaunist der Ska Truppe Bad Manners. Seine Frau spielt Trompete. Er ist zwar nicht Miles Davis, aber sehr gut. Ich wollte das unbedingt mal ausprobieren, weil mich das an diese Muscle Shoals und Soul Zeit erinnert. Obwohl das was wir dann gemacht haben, klingt für mich eher wie eine besoffene Heilsarmee-Kapelle."

Wie kam denn die Sache mit der Vorlesung zustande, bei der Julian als Dozent Songwriting bei den Schondorfer Gitarrentagen lehren sollte? Man hört ja immer, man könne das nicht lernen. "Kann man auch nicht", stimmt er zu, "ich habe versucht, meine Erfahrungen und die von anderen Songwritern mit denen ich zu tun habe zu vermitteln. Es ging eher darum, die Idee zu vermitteln, DASS es geht, und weniger WIE. Das Ganze fand statt innerhalb einer Gitarren-Schule statt und die wollten das thematisch ausweiten. Ich war sehr nervös, weil ich ja so was noch nie gemacht habe. Es war aber eine ganz tolle Erfahrung und auch sofort ausverkauft. Es war ein euphorisches Erlebnis. Jeder hat seinen Song geschrieben und am Ende der Woche präsentiert. Ich bekam auch viel Presse und das war sehr erfolgreich. Ich bin wieder eingeladen und werde das im Mai wieder machen."

Julian Dawson
Was können wir denn von der anstehenden (und von Gaesteliste.de präsentierten) Tour erwarten? "Ich bin ja seit einiger Zeit nicht mehr mit einer vollen Band auf Tour. Wir haben ja Moment allgemein eine 'Sparzeit', wie du weißt. Ich bringe als Begleitmusiker also einen genialen Gitarristen, Richard Kennedy mit. Er ist eigentlich Neuseeländer, der in den USA arbeitet und dort für Leute wie The Roches, Jules Shear, Marshall Crenshaw spielt. Der wird den Support machen und mich dann begleiten. Ich habe ja eigentlich immer vermieden, einen Gitarristen mitzubringen, aber die Leute wünschen sich immer mehr Mundharmonika-Beiträge von mir und das ist eine Möglichkeit, diesem Wunsch zu entsprechen." Woher kommt eigentlich die Vorliebe für Mundharmonika? Auf der Scheibe gibt es ja einen Track, der ganz auf der Mundharmonika basiert. "Mundharmonika ist nach dem Gesang ja mein zweites Fach", erklärt er, "wenn ich nicht singen könnte, dann wäre ich nur Mundharmonika-Spieler. Durch diese Zweitrangigkeit ist diese Fähigkeit nur brauchbar bis gut. Es gibt Freunde von mir, die nicht singen, die wesentlich flinker sind. Ich hatte schon lange eine Idee für einen Song, der auf Mundharmonika und Rhythmik basiert. Das passiert aber meistens nur im Instrumental-Bereich oder bei der Folk-Musik - nicht aber bei meiner Art von Musik. Ich war übrigens einmal bei einer Mundharmonika-Weltmeisterschaft mit tausend Leuten, die nur Mundharmonika spielen. Das war sehr spaßig."

Und des weiteren arbeitet Julian ja auch als Produzent. "Ja, ich glaube, ich kann das inzwischen ganz gut", überlegt er, "meine Hoffnungen, die ich '96 hatte, als ich Charlie Louvin produzierte, dass mehr in der Art auf mich zukommt, haben sich zwar nicht erfüllt, das kann aber auch daran liegen, dass ich mit meinen eigenen Sachen so beschäftigt bin. Jetzt habe ich eine CD für meinem Freund Jean-Marie Peschiutta produziert, der auch auf meiner neuen Scheibe mitspielt. Ich habe schon noch ein Paar Leute, mit denen ich gerne noch zusammenarbeiten möchte - mit Dan Penn z.B. Bislang hat sich die Sache noch nicht ergeben, aber ich arbeite dran."

Weitere Infos:
www.juliandawson.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Julian Dawson
Aktueller Tonträger:
Bedroom Suite
(Blue Rose Records/In-Akustik)

 
 

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