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JAY FARRAR
 
Klischees im Rückwärtsgang
Jay Farrar
Wenn es so etwas gibt wie den perfekten musikalischen Eigenbrötler, der - auf einem fest abgesteckten musikalischen Terrain zwar - unbeirrbar seinen eigenen Weg geht und seit Beginn seiner Laufbahn seine Vision fest im Visier hat, dann muss das Jay Farrar sein. Seit den ersten Gehversuchen mit der heutzutage legendären Alt-Country Kapelle Uncle Tupelo hat sich Farrar dem Ergründen und Ausloten der Möglichkeiten, die mit traditionellen Musikformen denkbar sind, verschrieben. Nach eigenen Regeln zwar, aber doch weit weniger radikal wie etwa sein Kollege Jeff Tweedy, der mittlerweile ja alles auf den Kopf oder zumindest in Frage stellt, was er damals machte. Nein, Jay ist da irgendwie konsequenter - und unspektakulärer. Das war schon mit seiner Band Son Volt so, und das ist auch bei seinen Solo-Werken so. Vielleicht liegt es daran, dass der Mann selber auch ein wenig unspektakulär ist. Jedenfalls hat man nicht den Eindruck, hier auf einen von Ehrgeiz zerfressenen Aktivisten zu treffen, sondern eher jemanden, der mit Bedacht seine Möglichkeiten evaluiert und dann konsequent umsetzt - natürlich unspektakulär. "Terroir Blues", sein Neues Werk, widmet sich scheinbar seinen Wurzeln.
"Der Begriff 'Terroir Blues' kommt aus dem Französischen", erklärt er uns. Es ist also keine Wortspielerei aus "Tears", "War", "Terror" oder ähnlichem? "Nein, ganz und gar nicht. Es soll auf meine Erdverbundenheit, meine Herkunft hinweisen. Ich lebe in St. Louis und da gibt's eine Menge französischer Straßennamen." Es geht also um die Aufarbeitung der persönlichen Historie? "Ja, einige der Songs beschäftigen sich mit der Frage, wo ich eigentlich herkomme. Es gibt z.B. einen Song der heißt 'Dent County' - das ist ein Bezirk in der Mitte von Missouri, wo meine Eltern herkamen." Ist diese Scheibe denn als so eine Art musikalischer Reisebericht zu verstehen? "Einige Songs beschäftigen sich schon mit dem Thema Reisen - wie z.B. 'California' - wo ich mal getourt bin und dabei festgestellt habe, dass das eine ganz andere Welt ist wie die im Rest der USA", räumt Jay ein, "ein anderer Aspekt ist aber noch ausschlaggebend. Ich hatte ja vorher einen Soundtrack für den Film 'Slaughter Rule' gemacht. Einige der Techniken, die ich mir dort angeeignet habe, fanden auch den Weg auf 'Terroir Blues'. So habe ich z.B. kleine instrumentelle Segmente dazu verwendet, der ganzen Sache einen gewissen Fluss zu geben." Anlässlich der Veröffentlichung eines anderen Albums merkte Jay einmal an, dass eine Scheibe nicht zu lang sein dürfe. Auf dem neuen Werk befinden sich nun 23 Tracks - vier davon in jeweils zwei recht unterschiedlichen Versionen. Was ist denn da passiert? "Nun, für gewöhnlich enden die alternativen Versionen auf B-Seiten oder Samplern. Dieses Mal wollten wir sie auf die Scheibe packen. Ich wollte mal so was machen wie die Flaming Lips. Es ist so, dass ich gerne so arbeite, einem Stück mehrere Chancen zu geben: Das ist für gewöhnliche eine akustische und eine elektrische Version z.B. oder eine schnelle und eine langsame. Warum jetzt diese Scheibe so lang ist, kann ich auch nicht genau sagen. Vielleicht ist es ja ein Test um mal sehen zu können, ob man seine Meinung von einer CD zur nächsten ändern kann? Ich persönlich bevorzuge lange Scheiben. Du brauchst sie ja nicht immer ganz zu hören."
Die Tracks auf der Scheibe sind alle relativ ruhig geraten. Ging es darum, so etwas wie moderne, eigene Folkmusik zu kreieren? "Ich denke schon", gibt Jay zu, "die Idee war, den Sound um verschiedene Slide-Gitarren Variationen aufzubauen - Lap-Steel, Pedal-Steel etc. Bei einigen Songs ging es mir auch direkt um diesen simplen, sparsamen Folk-Ansatz - das ist auch der Grund, warum wir nicht so viel Bass verwendet haben; obwohl wir einen Fuzz-Bass bei einem Stück haben. Es ging mir dieses Mal auch eher darum, die Atmosphäre der Songs einzufangen - die Live-Aufnahme ist wichtig dabei, ebenso wie die Plazierung von Mikrophonen, um den Raumsound einzufangen." Wo andere Acts, die mit dem heute schon fast als Schimpfwort verwendeten Begriff "Americana" assoziiert wurden, mit den Traditionen brechen und neues Terrain betreten, scheint sich Jay eher treu zu bleiben. Dennoch entwickelt sich seine Musik weiter: Es gibt Keyboards, Synthesizer, sogar Anleihen an fernöstlicher Musik - nur eben subtil und unspektakulär eingesetzt. Wie setzt er sich denn selbst unter Druck, um nicht etwa stehen zu bleiben? "Ich arbeite z.B. gerne mit offenen Stimmungen - das bringt dich immer auf neue Ideen. Ich denke nicht bewusst darüber nach, aber das was ich z.B. auf Tour höre, z.B. ein George Harrison Experiment - fließt dann auch in meine Arbeit ein - z.B. bei 'Fish Fingers Norway' - was übrigens auf einer Orson Wells Radio-Sendung beruht, in der er versuchte, ein schwedisches Wort auszusprechen und es sich dann anhörte wie 'Fish Fingers Norway'. Ich bin nämlich immer daran interessiert, interessant klingende Titel zu verwenden, Worte, die nicht so gewöhnlich sind." Wie gingen denn Aufnahmen per se vonstatten? Die Stücke klingen ja gewissermaßen - und da sind wir wieder beim Thema - unspektakulär. "Ich habe vieles alleine gemacht, aber auch mit einigen Musikern gespielt, die mir aushalfen. Es ging mir nämlich darum, mehr live zu machen, als z.B. bei 'Sebastopol', einer ersten Solo-Scheibe. Für mich ist es eigentlich das Gleiche auf diese Art oder mit einer Band wie Son Volt zu arbeiten - denn auch dort hatte ich ja die Songs für die Band geschrieben. Ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn ich anderen sage, was sie zu tun haben, deswegen hat auch jeder seinen Teil beigetragen. Ich arbeite auch ohne Produzent, weil ich denke, dass es erstens einfacher ist, und weil ich denke, dass jeder der seine Songs schreibt, auch seine Scheiben selber produzieren sollte. Das Konzept des Produzenten ist ein Anachronismus von früher. Wobei ich eine Ausnahme gelten lasse: Wenn nämlich die technischen Kenntnisse auf Seiten des Songwriters nicht vorhanden sind. Z.B. bei jungen Acts, die gerade anfangen."
Wie vermeidet es Jay Farrar denn, typischen Klischees aufzusitzen, die sich bei dieser Art von Musik schnell einzustellen drohen (mehr noch als bei anderen, da diese ja eh schon mit Klischees arbeitet)? "Ich weiß gar nicht, ob ich das überhaupt versuche", lächelt Jay, "ich denke, am einfachsten ist es, einfach alle Klischees rückwärts zu verwenden." Jay hat für diese Scheibe ein eigenes Label gegründet. Was war der Grund hierfür? "Es ging eigentlich darum, Pflichten auf mehrere Schultern zu verteilen. Ich arbeite mit Artemis immer noch zusammen. Es lässt dir aber auch mehr Freiheiten. Wenn ich z.B. ein Reggae-Album mit Oasis Songs herausbringen möchte, kann ich dies morgen tun." Das wär doch mal was!
Weitere Infos:
www.jayfarrar.net
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-
Jay Farrar
Aktueller Tonträger:
Terroir Blues
(Act/Resist Records/Indigo)
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