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FERN KNIGHT
 
Wer hat Angst vor dem lieben Wolf?
Fern Knight
Auf den ersten Blick (bzw. Höreindruck) sind Fern Knight eine Band wie viele andere. Es gibt streng durchkomponierte, aber beinahe asketische, langsam dahinwellende Akustik-Musik, geheimnisvolle Texte und eine irgendwie verwunschen klingende, aber angenehm einschmeichelnde Frauenstimme. Kein Wunder also, dass in der Info alle Slow-Core Bands der Welt bemüht werden - was wir denn auch gleich unterlassen wollen. Denn: Fern Knight sind schon irgendwo anders. Das strenge musikalische Gerüst ist näher an der Klassik dran als am Rock - und von beidem gleich weit entfernt wie der Folk, der es dem ersten Eindruck nach sein könnte. Die Texte sind metaphernreich und lyrisch - aber nicht eben selbsterklärend - auch wenn eine unwirkliche, ja märchenhafte Stimmung über dem Ganzen zu liegen scheint. Fragen wir doch einmal Margie Wienk - neben ihrem Partner Michael Corcoran eine Hälfte des Duos, das seine Scheibe "Sieben Jahre abgetrennte Glieder" nennt - was es mit den ganzen Bilderwelten auf sich hat, die Fern Knight auszulösen scheinen.
"Fern Knight ist einfach der Name einer älteren Frau, die in Maine lebt und die eine Verwandte von Freunden von mir ist. Ich dachte, ihr Name passt zu meiner Musik in einer Art Seelenverwandschaft. Was den Titel des Albums betrifft: Es werden hier drei Jahre Songwriting festgehalten - da dachte ich, dass das ein geeigneter und provokativer Titel wäre. Und was das Artwork betrifft: Das ist eine Auftragsarbeit an eine Freundin, bei der ich darum bat, dass sie eine Figur im Wald zu drei verschiedenen Jahreszeiten malen möchte. Sie hat da wohl an Hans Christian Andersen gedacht. Wenn unsere Musik an Märchen erinnert, dann ist das okay. Es ist zwar nicht exakt das, woran ich dachte, aber es liegt auf der gleichen Wellenlänge." Die in Margies Texten (und ihrer eMail-Adresse) immer wieder auftauchenden Wölfe stammen ja doch irgendwie aus dem Märchen, oder? "Ich schrieb vor anderthalb Jahren einen ganzen Packen von Songs über Wölfe", erinnert sich Margie, "zu einer Zeit, als ich mich gegen seltsame Kräfte in meinem Leben behaupten musste. Ich mochte dieses Bild vom Wolf als Schutz-Zeichen. Die Songs sind quasi meine Amulette. Meine Texte handeln von Wölfen - aber auch von den Jahreszeiten, Träumen, Geistern, verlorener Liebe - es sind im Prinzip Variationen uralter Themen." Die auch immer irgendeinen Bezug zur Natur haben, nicht wahr? "Die Natur ist für mich persönlich sehr wichtig", stimmt Margie zu, "ich denke auch, dass sich das in meiner Musik niederschlägt. Es geht übrigens um die Natur als solche, wie auch die menschliche Natur. Viele Songs haben mit beiden gleichermaßen zu tun - es geht um Beziehungen zwischen Leuten und unsere Beziehung zur Natur." Ein gutes Beispiel für dieses Konzept ist der Song "Chelyabinsk". "Ja, das schrieb ich, als ich einen Dokumentarfilm über eine Stadt dieses Namens in Rußland sah", erzählt Margie, "tief im Herzen von Rußland ging es dabei um die Vertuschung eines nuklearen Super-Gaus - tatsächlich ein multiples Desaster, 20-30 Mal so groß wie Tschernobyl. Es hörte bloß niemand davon, weil es Europa nicht betraf. Ich singe über die Kinder, die dort mit Defekten geboren wurden und an Leukämie sterben. Und darüber, dass ihre Eltern nichts tun konnten, weil sie nichts über die Gefahren wussten, nach dem Unfall weiter dort wohnen zu bleiben - bis es dann zu spät war."
Fern Knights Art, diese Gedankenwelten in Töne umzusetzen ist eine sehr subtile. Oft heißt es ja, weniger sei mehr. Ist das in diesem Fall auch so gedacht? "Meine Musik war früher sehr viel lauter", räumt Margie ein, "sie ist über die Jahre schrittweise ruhiger und intimer geworden. Das Album entstand ja über einen Zeitraum von drei Jahren. In dieser Zeit fing ich einige gute und auch schlechte Veränderungen in meinem Leben mit Hilfe dieser Songs ein. Die Atmosphäre sollte zwar veränderlich sein, aber einen roten Faden haben. Das musikalische Thema war hierbei die durchgehende Marimba-Figur des Instrumentals 'Theme'. Unser Gedanke war der, die Songs so aufzunehmen, wie wir sie live vortrügen. Und live spiele ich Cello oder Gitarre und singe. Später entschlossen wir uns, einige Songs doch auszuschmücken, indem wir Bass, Piano und Geige hinzufügten. Wir wollten, daß der Hörer sich fühle, als sei er mit uns zusammen in einem Raum - deswegen ist der Klang sehr trocken." Was ist denn bei dieser Vorgehensweise das Wichtigste für Fern Knight? "Das Wichtigste ist für mich die Stimmung eines Songs mit jedwedem Mittel zu erzeugen, das notwendig erscheint. Manchmal ist das ein puristischer Ansatz, manchmal ist eben eine reichhaltige Orchestrierung effektiv. Ich persönlich spiele und höre z.B. alle Arten von Musik: Osteuropäische Lieder, skandinavische Volksmusik, Psychedelia, ProgRock, Altes und Neues - des weiteren bin ich klassisch ausgebildet. Ich spiele in einigen verschiedenen Bands, von denen ich mich wieder inspirieren lasse - z.B. The Eyesores oder The Espers. Auf meinem Plattenspieler liegt eine Hurdy Gurdy-Scheibe, in meinem Auto ist ein Tape der Famous Hug Band und die letzte CD, die ich mir gekauft habe ist das Blonde Redheads-Album vom letzten Jahr." (Was ja nicht wirklich weiter hilft.) In einigen Songs gibt es Passagen, bei denen der Hörer "hängen bleibt" - kleine, Unruhe stiftende Schlenker in der Melodieführung, seltsame Harmonien etc. Was hat es damit für eine Bewandnis? "Ich denke, wenn die Melodien oder Harmonien manchmal ein wenig verstörend wirken, dann ist das lediglich ein Mittel um eine Spannung/Entspannungs-Situation in einem Song zu erzeugen. Die Akkordfolgen für die meisten Stücke sind ja eher einfach - deswegen müssen die Harmonien und Stimmarrangements komplexer sein. Darin liegt auch die Balance."
Fern Knight sind jedenfalls keine dieser Bands, die unüberlegt drauflos jammen und etwas machen, nur weil es "gut klingt". Und sind wir doch mal ehrlich: Brauchen wir denn nicht in Zeiten, wo Dieter Bohlen bestimmt, wo es lang geht, auch Musiker, die sich noch Gedanken über ihre Musik und deren Konsequenzen machen? Nun, Margie Wienk ist jedenfalls so eine...
Weitere Infos:
www.fernknight.com
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigabe-

Aktueller Tonträger:
Seven Years Of Severed Limbs
(Normal/Indigo)

 
 

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