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THE SOFT BOYS
 
Too Old To Die Young
The Soft Boys
"Es macht jetzt mehr Spaß, in den Soft Boys zu sein, als 1980!" erklärt Soft-Boys-Frontman Robyn Hitchcock gut gelaunt im Gespräch mit Gaesteliste.de. "Jetzt sind wir einfach ein Haufen älterer Männer, die sich wieder zusammenfinden, um Musik zu machen, aber keiner von uns hat den Anspruch, daraus eine 'Karriere' zu machen. Unsere 'Karriere' haben wir alle vier abseits der Soft Boys gemacht. Ich als Solokünstler, Kim hatte mit seiner Popband seinen großen Hit ["Walking On Sunshine" von Katrina And The Waves], Matthew war als Sessionmusiker [u.a. für David Bowie] eine Zeit lang ziemlich erfolgreich und Morris hat ja mit mir auch bei Robyn Hitchcock And The Egyptians zusammengearbeitet. Der Erfolg kam für uns alle also erst nach den Soft Boys. Den Namen benutzen wir heute nur, weil wir ihn halt früher schon hatten, allerdings fühle ich mich jetzt nicht mehr unbedingt wie ein 'soft boy'. Aber fühlt sich Bruce Johnstone heute noch wie ein 'beach boy'? Fühlt sich Stiv Bators heute noch wie ein 'dead boy'?"
Letzterer wahrscheinlich schon, schließlich kam er 1990 bei einem Autounfall ums Leben. Ganz und gar nicht tot sind dagegen The Soft Boys. Denn sie sind wieder da und starten eines der gelungensten (Platten-) Comebacks des Jahres: Robyn Hitchcock, Kimberley Rew, Matthew Seligman und Morris Windsor haben mehr als zwanzig Jahre nach der Meilenstein-LP "Underwater Moonlight" jetzt mit "Nextdoorland" ein brandneues Album aufgenommen! Eine Platte, die alte musikalische Vorlieben mit gewachsenem musikalischem Können, und einem veränderten Bewusstsein der Musiker in großartiger Weise verbindet und damit die perfekte Ergänzung zum letztes Jahr wiederveröffentlichten "Underwater Moonlight"-Album ist, das nicht nur ganze Heerscharen von Musikern - von R.E.M. bis Grant Lee Phillips - beeinflusst hat, sondern auch der Auslöser für die Reunion war. Doch obwohl "Nextdoorland" (übrigens wiederum mit dem Produzenten Pat Collier entstanden) hörbar von der gleichen Band aufgenommen wurde, ist es keinesfalls so, dass die Band bei den Aufnahmen das Gefühl hatte, einfach da weitergemacht zu haben, wo sie vor zwei Jahrzehnten aufgehört hatte: "Ich habe in der Zwischenzeit 200 oder 300 Songs geschrieben, das ist ein bisschen so, als wenn man bei einem Buch vom ersten zum 19. Kapitel springt! In der Musik gibt es schon Verbindungen, allerdings hat sich die Aufnahmetechnik stark verändert. Beide Platten sind für sehr wenig Geld aufgenommen worden, aber 'Underwater Moonlight' entstand auf vier bzw. acht Spuren, und Bass und Schlagzeug waren nicht besonders hoch im Mix, es war eine sehr gitarrenlastige, echo-verhallte Platte wie die Pop-Platten der 60er, deshalb klang sie auch so gut im Transistor-Radio. Bei der neuen Platte sind die Gitarren nicht mehr so dominant, die Rhythmusgruppe hat an Gewicht gewonnen."

Eine weitere Auffälligkeit beim neuen Album ist, dass die Leadstimme Robyns nicht ganz so prägnant im Mittelpunkt des Mixes zu stehen scheint wie auf seinen Soloplatten. "Hmm, ich habe mich schon bemüht, die Stimme im Mix so hoch wie möglich zu ziehen, und Pat Collier hat in der Regel auch ein sehr gutes Gespür für die Architektur eines Mixes. Es ist aber durchaus möglich, dass ich unterbewusst gedacht habe: 'Das ist eine Soft-Boys-Platte, also sollte ich vielleicht ein wenig von meiner Persönlichkeit aus der Stimme nehmen." So manchen mag es überraschen, dass die neue Platte überhaupt zustande kam. Immerhin hatte Robyn im Gespräch mit Gaesteliste.de letztes Jahr die Frage nach neuem Material noch sehr zögernd beantwortet: " Wenn ich beim letzten Interview gesagt habe, dass es nicht sicher ist, ob wir eine neue Platte machen, dann nur, weil ich erst sichergehen wollte, dass wir das auch wirklich durchziehen, und außerdem sollte damals der Schwerpunkt auf 'Underwater Moonlight' liegen. Sobald wir uns wieder zusammengefunden hatten, haben wir an neuen Songs gearbeitet, weil das ganz einfach mehr Spaß macht, als nur die alten Stücke wieder zu lernen. Nicht zuletzt, weil ich viele von den alten Sachen ja über die Jahre auch solo gespielt habe. Was uns bei dieser Reunion zusammengehalten hat, war die Arbeit an den neuen Songs. Was wäre sonst - abgesehen davon, ein bisschen Geld abzustauben - der Grund, sich auf die Bühne zu stellen, wenn kein Saft mehr in der Batterie ist? Trotzdem machen wir uns nichts vor: Wenn wir auf der Bühne stehen, wollen die Leute vor allem die alten Sachen hören. Das ist der offizielle Grund für uns, dort zu sein, also spielen wir sie auch."

Jedenfalls scheint Robyn wirklich froh zu sein, die Chance bekommen zu haben, eine weitere Soft-Boys-Platte in einer Zeit zu machen, in der er sich nicht ständig wegen seiner Musik rechtfertigen muss, und vielleicht hat er auch deshalb überhaupt kein Problem damit, bei den Konzerten Songs wie "Insanely Jealous"; "Kingdom Of Love" oder "I Wanna Destroy You" zu spielen, wohl wissend, dass sein Publikum genau diese Stücke hören will. "Wir feiern damit die Tatsache, dass diese Songs nicht in Vergessenheit geraten sind, wie uns das damals prophezeit wurde. Es ist natürlich auch so: Die Leuten mögen dich immer mehr, wenn du schon ein paar Runden um den Block gedreht hast - es sei denn, du bist ein Massenmörder. Aber sogar Richard Nixon wurde letztendlich rehabilitiert. Die Leute mögen Sachen, die ihnen bekannt vorkommen. 'Underwater Moonlight' ist vor 22 Jahren erschienen und bedeutet einigen Menschen sehr viel. Zugegeben, eine Menge davon dürften Musiker, Journalisten und Sammler sein, also nicht gerade, was man die breite Masse nennen würde, aber das ist egal. Es ist ja auch ein Mythos, dass uns damals überhaupt niemand gemocht hat. Es gab schon eine kleine Gruppe von Leuten, die uns gut fanden, und im Gegensatz zu heute waren das damals keine Journalisten, hahaha! Das musikalische Klima hat sich aber auch stark gewandelt. 1980 mussten die Dinge nach einem bestimmten Schema laufen. Wir hatten gerade die Punk-Diktatur hinter uns, und die New Psychedelics wie Teardrop Explodes oder Psychedelic Furs tauchten auf, aber wir saßen ziemlich zwischen den Stühlen, weil wir im Gegensatz zu allen anderen überhaupt nichts mit Punk zu tun hatten. Matthew vielleicht noch am ehesten, aber Kimberly, Morris und mich hatte der ganze Punk-Rummel überhaupt nicht berührt. Heute sind die Dinge einfacher, und die Kluft zwischen, sagen wir mal, Paul Weller und Paul McCartney ist nicht mehr besonders groß. Sie zählen inzwischen einfach zur Gruppe derer, die auf ihren Hinterbeinen stehen und auf Englisch singen. Die Musik, die die Soft Boys machen, egal ob damals 'Underwater Moonlight' oder jetzt 'Nextdoorland', fällt ebenfalls in diese Kategorie. Das ist fast schon ein bisschen enttäuschend! Heute nennt man uns respektvoll eine Roots-Band, damals haben wir die gleiche Musik gespielt und man nannte uns 'auf unangenehme Weise altmodisch'."

Und zum Schluss hätten wir noch gerne gewusst, ob es noch etwas gibt, das für die Soft Boys und ihre neue Platte besonders wichtig ist, das unbedingt noch gesagt werden sollte? "Muss es unbedingt etwas mit der Platte zu tun haben?" fragt Robyn. "Ich würde nämlich gerne sagen, dass ich finde, dass die derzeitige US-Regierung auf politischer wie sozialer Ebene die schlimmsten Machthaber sind, die seit Adolf Hitler und seiner Nazibande auf uns losgelassen wurden. Natürlich hat es so etwas wie den Weltfrieden nie gegeben, aber derzeit ist die US-Regierung das größte Hindernis, dem näher zu kommen. Abgesehen davon sollten die alle eingesperrt und wegen Umwelt-Terrorismus verurteilt werden!"
Weitere Infos:
www.thesoftboys.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -George Wright-
The Soft Boys

(Matador Europe/Beggars Group/Connected)
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