GL: Ohne Zweifel fällt bei der neuen Platte auf, daß gerade die - witzig ernsten - Texte mehr im Vordergrund stehen als bei den Konzerten und so das Zauberwort Botschaft streckenweise dem - gerade bei den Frühwerken der drei so wichtigen - Spaßfaktor ein bißchen den Rang abläuft. Ist das vielleicht eine neue Art von Verantwortungsgefühl, gerade den jüngeren Semestern im Publikum gegenüber?
Peter: "So ein Gefühl ist auf jeden Fall da, denn wir merken immer stärker, daß wir mehr in der Öffentlichkeit stehen, und dann sollte man das auch in irgendeiner Art und Weise nutzen, eine bestimmte Aussage rüberzubringen. Allerdings soll das keine Erziehungshilfe für junge Leute sein. Wir wollen als Band auch keine politischen Parolen schmettern, aber wenn uns etwas wichtig ist, dann wollen wir das natürlich auch sagen."
GL: Sind deshalb die Texte auch etwas direkter? Bestimmte Inhalte, die auf der ersten Platte eher zwischen den Zeilen vermittelt wurden, scheinen mir jetzt offener angesprochen zu sein, zum Beispiel bei "International", das ähnliche Gedanken aufzugreifen scheint wie das des Öfteren missverstandene (weil wesentlich kryptischere) "Heimatlied" vor zwei Jahren.
Peter: "Stimmt! Auf der ersten Platte war vieles offener, dieses Mal war es schon ein Ziel, die Dinge besser auf den Punkt zu bringen. Bei einigen Liedern wie 'Komm schon' war es uns aber auch wichtig, die alte Linie beizubehalten. Ein bestimmtes Gefühl kannst du ja auch gar nicht klar umschreiben, das kannst du nur mit bestimmten Aussagen einrahmen."
GL: Inwieweit hat sich der Druck bemerkbar gemacht, daß ihr jetzt innerhalb von einem klar umrissenen Zeitraum die Stücke für das zweite Album fertig haben mußtet. Auf der ersten Platte finden sich ja teilweise Stücke, die noch ganz aus der Anfangszeit der Band stammen, weil ihr ja einfach mehr Zeit hattet, Songs zu sammeln.
Rüde: "Vor Spanien haben wir uns fünf Monate lang hingesetzt und hatten deshalb die Songs größtenteils schon vor den Aufnahmen zusammen und konnten so mit einem relativ freien Kopf nach Spanien fahren. In Spanien sind dann unerwarteterweise noch einige Lieder dazugekommen. 'Auf der guten Seite' ist zum Beispiel spontan entstanden, weil dort einfach eine gute Stimmung für's Liederschreiben herrschte."
Peter: "Was ich dieses Mal ein bißchen problematisch fand, war, daß wir insgesamt 20 Lieder aufgenommen haben, wobei ich bei fünfen davon jetzt sagen würde: Ja mei, die hätten wir nicht unbedingt aufnehmen müssen! Klar, die kann man als B-Seiten oder so verwenden, aber das passiert, wenn du innerhalb eines so kurzen Zeitraumes eine Platte schreibst. Früher hätte sich schon vorher gezeigt, daß diese Stücke rausfallen würden, und wir hätten sie gar nicht erst aufgenommen."
Rüde: "Es hat sich auch bei einigen Liedern wie 'Happy End' gezeigt, daß man eigentlich nicht von vorne herein sagen sollte, das Lied ist Scheiße, weil im Studio noch so viele Dinge passieren können, die ein Lied dann wieder rausreißen."
Peter: "Oder eben auch anders herum, daß im Studio Sachen passieren, die dann einem Song wie 'Telemark' keine Chance mehr geben, hahaha."
GL: Ihr habt dieses Mal die andauernd während der Produktion auftretenden Freiräume auch sehr geschickt genutzt...
Peter: "Das war wirklich eine Supererfahrung. Ich hatte meinen Computer dabei, und wir haben uns in einem kleinen Häuschen ein weiteres kleines Studio eingerichtet, in dem Rüde und ich zum Beispiel an Sachen gearbeitet haben, während Flo das Schlagzeug aufgenommen hat. Da hängst du in den Pausen nicht so durch, sondern kannst kreativ sein. Jetzt verstehe ich auch so langsam, ganz langsam, weil wir noch weit davon entfernt sind, daß andere Leute erst im Studio eine Platte schreiben. Aber dann braucht man natürlich das Studio für ein Jahr, und die Platte kostet 18 Millionen!"
Rüde: "Ich glaube, das würde mich krank machen, einfach ins Studio zu gehen und nicht zu wissen, was kommt. Ich finde es extrem wichtig, einen roten Faden zu haben, der einem auch Sicherheit gibt. Damit man weiß, wir haben die und die Lieder und wir würden es gerne noch besser machen, aber zumindest ist schon etwas da, auf das du aufbauen kannst. Wir sind ja keine Band, die Lieder konstruieren kann. Wir können uns Zeit dafür nehmen und die Rahmenbedingungen möglichst gut gestalten, aber wir können uns nicht einfach hinsetzen und Lieder schreiben."
Rüde: "Die Ideen für die neuen Songs, die wir jetzt schreiben, entstehen auch eher alleine in Heimarbeit, und erst später arbeiten wir die Sachen zusammen im Proberaum aus. Das ist schon eine tolle Erfahrung, zu Hause unter Studiobedingungen herumexperimentieren zu können. Bei einem großen Studio denke ich da immer nur an die Kosten, die man dort täglich hat!"
GL: Trotz des teuren (und renommierten) Studios klingt die Platte manchmal ein bißchen gleichförmig und beliebig und läßt doch ziemlich den Druck von euren Konzerten vermissen.
Flo: "Ich kenne keine Band, die es schafft, hundertprozentig den Druck ihrer Konzerte auch auf Platte umzusetzen. Das ist einfach nicht möglich."