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NIC DALTON
 
The Wonderous World of Half A Cow Records & Sneeze
Nic Dalton
Natürlich gibt es viele kleine, sympathische Plattenfirmen, aber Half A Cow platziert sich in puncto liebenswerter Eigensinn trotzdem noch auf den vorderen Plätzen. Je nach Sichtweise seit zehn bzw. zwölf Jahren werkelt Nic Dalton im australischen Sydney an seinem kleinen, aber feinen Pop-Imperium, und auch wenn es nach einer kleinen semi-kommerziellen Zwischenoffensive Mitte der 90er inzwischen wieder etwas ruhiger geworden ist um Half A Cow, lohnt sich ein Blick auf das (Indie-)Pop-Label und seinen Macher dennoch jederzeit. Die Gästeliste traf Nic in Newtown, Sydney, um "Half A Cow - Past, Present & Future" zu diskutieren.
Nic Dalton
"Ich mache das Label wirklich nur aus Liebe zur Musik und weil ich die Leute mag, deren Platten wir veröffentlichen, und nicht, um damit Geld zu verdienen. Dafür hab ich Dave, unseren Labelmanager, der dafür sorgt, dass der Laden halbwegs ordentlich läuft", erklärt Nic die Philosophie des Labels.

Zu den interessantesten HAC-Veröffentlichungen der letzten Monate gehören das neue, in Memphis aufgenommene Album der Orange Humble Band (mit Ken Stringfellow von den Posies als Leadsänger), "Humblin Across America", die wiederveröffentlichten kompletten Studioschätze der Aussie-Kultband The Eastern Dark ("Where Are All the Single Girls"), die erstmals komplett erhältlichen Aufnahmen von Daltons alter Combo The Plunderers, "Banana Smoothie Honey", sowie die diesen Monat erscheinenden neuen Werke von Bernie Hayes, Whopping Big Naughty und Sneeze. Letztere sind das Projekt von Dalton und Tom Morgan, die beide bekanntlich maßgeblich am Erfolg der Lemonheads Mitte der 90er beteiligt gewesen sind - Morgan als Evan Dandos Co-Songschreiber vom Dienst, Dalton vor allem als Bassist der Band.

"Ich habe kein Problem damit, dass mich viele Leute immer noch in erster Linie als ehemaligen Bassisten der Lemonheads sehen, denn neben den offensichtlichen negativen Effekten hat mir die Zeit in der Band auch viele Türen für Half A Cow geöffnet. Wir haben Mitte der 90er sehr viele Half A Cow-Platten rund um den Globus veröffentlichen können, weil jede Menge Leute die Chancen gesehen haben, auf dem Rücken der Lemonheads ein paar Mark zu verdienen. Außerdem hat es mir die Chance eröffnet, die Godstar-Alben 'Sleeper' und 'Coastal' im Fort Apache Studio in Boston zu machen, und eine Single konnten wir in Glasgow aufnehmen. Ohne die Lemonheads hätte ich noch nicht mal eine CD veröffentlicht, sondern hätte weiter in Sydney rumgesessen und 7" oder 10" Vinylplatten für die Fans hier in der Gegend gemacht."

Denn genau das hatte Dalton seit Ende der 80er Jahre gemacht, und Half A Cow war kaum über die Grenzen von Sydney hinaus bekannt gewesen. Durch Distributions- bzw. Lizenzdeals mit Mercury in Australien, Domino in England und Taang! in den USA änderte sich das ab 1993/94 schlagartig. Vor allem Godstar und Smudge konnten so den Absprung aus der Obskurität des fünften Kontinents schaffen. Nicht immer zur Freude von Nic: "Ich bin 1994 bei den Lemonheads ausgestiegen, völlig kaputt nach Australien zurückgekehrt und habe sofort einen Majorlabel-Vertrag für all die anderen Bands abgeschlossen, in denen ich zu der Zeit noch spielte. Das war ein großer Fehler, denn ich war einfach nicht ganz bei mir."

Auf einmal sah sich Nic also genötigt, CDs zu pressen, Plattencover am Computer zu entwerfen und irgendwie all die Dinge zu tun, die er eigentlich verabscheute. Denn mit dem Herzen ist er eigentlich doch eher Musiker als Chef einer Plattenfirma: "Wenn ich meine Musik mache, dann bin ich ganz der Musiker und denke nie nach, was aus der Veröffentlichung wird, auch wenn die Platte auf Half A Cow rauskommt. Manchmal würde ich das rückblickend als Fehler bezeichnen. Auf 'Coastal' zum Beispiel [das in Australien über Mercury vertrieben wurde], waren eine ganze Menge toller Popsongs, die im Radio gelaufen wären, hätten wir die Produktion darauf ausgerichtet. Ich habe Mercury extra die Aufnahmen nicht hören lassen, bis alles fertig war, aber im Nachhinein hätten sie uns vielleicht doch ein paar Tips geben können."

Obwohl es natürlich vielleicht auch einfach Nics Songs sind, die streckenweise einfach zu depressiv sind, um den Mainstreamgeschmack zu treffen. Denn hinter der Popfassade der Musik verbergen sich oft tieftraurige Texte. "Ich bin froh, dass zumindest einige Leute das zur Kenntnis nehmen. Die meisten meiner Texte sind in der Tat sehr traurig oder über Beziehungen, die den Bach runtergegangen sind, und nur weil ich einen schnellen Beat und einige 'Ba-ba-ba'-Harmonien drunterlege, halten viele Leute meine Musik für fröhlichen Pop. Das beste Beispiel dabei ist 'The Brightest Star'. Die Musik klingt nach dem perfekten Popsong, aber im Text geht es um einen Menschen, der sich das Leben nehmen will."

Dass er aber auch anders kann, hat er nicht zuletzt als Produzent von "Every Tuesday, Sometimes Sunday" bewiesen, dem großartigen Solo-Debut von Bernie Hayes, das in der australischen Presse als eine der besten Singer/Songwriter-Platten seit Jahren gefeiert wurde und Hayes als eine Art Elvis Costello des neuen Jahrtausends präsentierte. Die sorgsam ausgesuchten Songs (Hayes hatte sie über den Zeitraum eines Jahrzehnts gesammelt) und die ebenso aufwendige wie teure Produktion waren dabei wohlbedacht. Immerhin war die Platte der letzte Rettungsanker, um das fast bankrotte Label vor dem endgültigen Ruin zu retten. Mit Bernie Hayes ging auch die Singles-Ära bei Half A Cow dem Ende entgegen, denn nachdem in Sydney wie auch anderswo die Plattenläden nur noch Top-40-Material im Laden stehen haben wollen, wird es Singles auf HAC in Zukunft wohl nur noch als Bonus zu Albumveröffentlichungen oder in besonderen Mailorder-Serien geben.

Der Plan hat halbwegs funktioniert, denn auch wenn das Bernie Hayes Album seinen Autor und Nic Dalton nicht zu Multimillionären gemacht hat, läuft der Betrieb zumindest weiter, und mit dem dritten Sneeze-Album "Lost The Spirit To Rock N Roll" erscheint auch endlich mal wieder eine Platte des Chefs persönlich.

Nic Dalton
"Anfang 1998 war ich drauf und dran, das Label dichtzumachen. Außer der Kim Salmon-Platte haben wir nur die Smudge- und Godstar-Compilation veröffentlicht, weil das sehr billig zu machen war, und es waren keine neuen Bands in Sicht. Ich war kurz davor, nach New York oder Glasgow zu gehen und Maler zu werden", lacht Nic. "Dann ergab sich die Möglichkeit, die Missing Links-Platte und ein Album der Tendrils aus Melbourne (mit Charlie Owen von Beats Of Bourbon) zu machen und auch die Studioaufnahmen von The Eastern Dark neu aufzulegen, und deshalb haben wir uns einen neuen Vertriebsdeal gesucht und weitergemacht. Schön ist auch, dass wir jetzt auch einige Bands aus Melbourne auf dem Label haben, denn früher hat es immer geheißen, auf Half A Cow würden nur meine Freunde aus Sydney Platten machen dürfen."

Dalton hat es also nicht geschafft loszulassen, immerhin stecken ja auch jede Menge Erinnerungen in dem Familienbetrieb. Und an dem Zittern vor einer Veröffentlichung hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn Nic inzwischen in 28 (!) verschiedenen Bands gespielt hat. Für ihn ist das ein Hobby wie Briefmarkensammeln. Die Kriterien sind denkbar einfach: Jede der Bands muss entweder eine angekündigte Show vor Publikum spielen - oder eine Platte veröffentlichen. "Ich bin jedes Mal aufs Neue aufgeregt, wenn eine neue Platte von uns erscheint. Ich liebe es einfach, Alben rauszubringen oder mir neue Bandnamen auszudenken. Die 'Four Sneezons' von Sneeze zum Beispiel, das war super aufregend, mit der Band eine Platte zu machen. Weil sie nur auf Vinyl erschienen ist, haben wir wahrscheinlich nur in Australien 50 oder so verkauft, aber das war schon in Ordnung. Wir haben auch nur 300 pressen lassen, viel mehr können wir von einer Vinylplatte weltweit eh nicht verkaufen", lacht Nic.

Kleine Auflagen erlauben es auch, sich Mühe mit den Covern zu geben. Ein besonders schönes Beispiel dafür ist das Album "September" von Nics alter Band The Godstar Reminder. Die Cover sind nicht nur vom Meister handgefertigt, sondern haben auf der Innenseite auch noch individuell gestaltete Collagen. Jede Platte ein Einzelstück. "Oh, erinnere mich nicht daran", grinst Nic. "Ich habe eine halbe Ewigkeit damit verbracht, die Dinger zusammenzukleben! Das war eine MENGE Mühe. Ich hoffe einfach, dass die Leute so etwas zu schätzen wissen und sehen: Aha, Handarbeit! Ich habe auch wirklich alle alleine gemacht, denn ich wusste genau, wenn ich andere Leute dransetze, schmieren sie nur mit dem dem Klebstoff rum! Wir haben etwa dreihundert davon verkauft und ich hab jedes einzelne Cover persönlich handgefertigt."

"September" war auch gleichzeitig der Auftakt für die inzwischen traditionellen HAC-Pappcover, nicht unähnlich einem Digipak, aber ohne das zerbrechliche PVC-Tray. "Ich habe ganz einfach eine Abneigung gegen Plastikverpackungen. Die Papp-Verpackungen sind so nah dran an einem LP-Klappcover, wie es für eine CD nur möglich ist. Seitdem unser Plattenladen dichtgemacht hat, habe ich ja auch die Zeit, mich hinzusetzen und mich mit der Coverproduktion zu beschäftigen. Mit den Pappcovern ist der weltweite Versand auch viel einfacher. Du kannst viel mehr viel billiger verschicken. Das bedeutet allerdings auch, dass, wenn wir einen Lizenzdeal im Ausland bekommen, die Verpackung auf jeden Fall so bleiben muss. Was anderes kommt uns nicht in die Tüte."

Apropos Lizenzdeal. Während HAC in Australien inzwischen von MGM vertrieben wird, sind Veröffentlichungen außerhalb Australiens leider selten geworden. Nic nimmt allerdings jederzeit Vorschläge und Angebote zu dem Thema entgegen (haclabel@mpx.com.au). Aber auch wenn HAC vor allem Pop in jeder denkbaren Spielart veröffentlicht, lässt das keine Rückschlüsse auf Nic selbst zu. "Die Leute halten mich für einen ausgemachten Popfan, aber das bin ich nicht. Ich höre zu Hause Country und Jazz, und wenn du dir die Plunderers anschaust, das war in erster Linie eine Punkband. Okay, eine melodische Punkband wie Hüsker Dü oder die Hoodoo Gurus, aber trotzdem."

Fest steht dennoch, dass Nic von der Pop-Ausrichtung des Labels (vor allem Gitarre, aber auch ansonsten alles, was gefällt) nicht abweichen wird. "Ich sage immer, der Markt für schräge Sachen ist größer als der für Pop. Wenn Half A Cow ein Death-Metal-Label sein würde, wären wir wahrscheinlich steinreich. Denn total abgedrehter Death Metal ist in einer bestimmten Nische des Marktes unglaublich angesagt. Für jegliche Unterabteilungen von Popmusik ist es viel schwerer. Popmusik ist nicht wirklich populär! David Bowie hat von seinen ersten Platten nichts verkauft, Elvis Costello genauso wenig. Lemonheads oder Redd Kross fallen in die gleiche Kategorie. Die Geschichte zeigt, dass, abgesehen von den Beatles, Popmusik eigentlich nicht für die breite Masse derjenigen ist, die Musik hören. Auf dem Schulhof ist es doch das uncoolste überhaupt, sich als Popmusik-Fan zu outen. Da musst du schon Pearl Jam hören."

Nic Dalton
Nic Dalton - Ein Blick zurück auf die Lemonheads

Zum ersten Mal überhaupt äußerte sich Nic im Gespräch mit der Gästeliste ausführlich zu seiner Zeit mit den Lemonheads.

Nic: "Tom und ich haben Evan 1991 kennen gelernt, als wir Songs für die Hippy Dribble, Hummingsbirds, Godstar, Smudge oder Sneeze geschrieben haben. Wir schrieben all diese Songs und haben an alles gedacht, nur nicht daran, große Stars zu werden. Plötzlich war Evan da und wir waren mittendrin. Wir hatten Spaß am Musikmachen und mit ihm zusammen war es ein noch größeres Vergnügen. 'It's A Shame About Ray' ist vor allem von Sneeze [also von Nic & Tom] beeinflusst gewesen."

GL: Was viele Leute gerade in Deutschland nicht wissen: Die Lemonheads haben deinen Song "Kitchen" gecovert, bevor du zur Band gestoßen bist.

Nic: "Ja! Die Hummingbirds haben den Song mit Evan am Schlagzeug aufgenommen, dann aber nie veröffentlicht, weil ihn die Lemonheads in der Zwischenzeit rausgebracht hatten. Evan hatte ihn wohl nur noch im Kopf, weil er es mit den Hummingbirds gespielt hatte. Ich muss ihnen dafür sehr dankbar sein, denn das Stück hat mir natürlich eine Menge Geld eingebracht."

GL: Dabei ist "Kitchen" eigentlich gar kein typischer Nic Dalton-Song, oder?

Nic: "Der Song ist eine Art Tagebuch, das ich geführt habe. 'Thrilled to be in the same postcode as you...' etc. Es gibt keine Zeilen, die sich reimen würden, aber zusammen mit der Musik ergibt sich trotzdem ein Fluss. Und es ist ein wirklich guter Song, weil unglaublich viele Nomen und Adjektive drin vorkommen. Ich rede davon, wie ich Kuchen esse, und es ist die Rede von Postleitzahlen und Straßen. Das völlige Gegenteil von 'She left me and I feel bad, she walked away and I'm really sad'. Letztendlich war das aber Glück, denn eigentlich habe ich ja nur eine wahre Geschichte aufgeschrieben. Ich kann an dieser Stelle übrigens noch ein Missverständnis klarstellen: Evan behauptet immer, er hätte das "It's A Shame..."-Album hier in Australien geschrieben. Das ist einfach nicht wahr. Er hat hier nur drei der Songs geschrieben, und für den Rest ist er zurück nach Boston geflogen."

GL: Wie kam es dann eigentlich dazu, dass du zwar nicht auf dem Album, aber sofort anschließend auf der folgenden Tournee in der Band warst?

Nic: "Evan wollte, dass ich auf 'It's A Shame...' Bass spiele, was auch Sinn gemacht hätte, weil ich schon für die anschließende Tour zugesagt hatte, aber ich hatte damals noch den Plattenladen und war damit beschäftigt, Godstar bekannt zu machen, und ich hatte einfach nicht die Zeit. Die Tour, zu der Evan mich dann doch noch überredet hat, sollte fünf Monate dauern, aber dann haben wir bekanntlich 'Mrs. Robinson' aufgenommen, übrigens in Deutschland. Das wurde ein Riesenhit und aus den fünf Monaten wurden zweieinhalb Jahre. Wir waren zweieinhalb Jahre ohne Pause auf Tour, und es gibt kaum eine andere Band, die das je gemacht hat."

GL: Die Shows der Lemonheads waren für ihre Unberechenbarkeit bekannt. Erinnerst du dich an ein besonderes Schmankerl?

Nic: "Unser Konzert 1993 in Hamburg, das war der absolute Tiefpunkt. Evan war am Abend zuvor komplett durchgedreht und hatte seine Stimme verloren. Also habe ich die meisten Songs gesungen. Unser Tourmanager kam auf die Bühne und hat ebenfalls ein Stück gesungen, außerdem noch ein Freund von uns. Leider hatte ich die Texte nicht drauf, ich war zwar in der Band, aber ich war ja nur der Bassist! Also habe ich mir einfach spontan was ausgedacht. Wir sind alle komplett durchgeknallt an dem Abend!"

Weitere Infos:
www.halfacow.com.au
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-



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