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HOLLY MIRANDA
 
"Das einzige Ziel ist Ehrlichkeit"
Holly Miranda
Die angenehm raue Seite des Indierock, die unverschämte Eingängigkeit des Elektro-Pop, das leidenschaftlich Ehrliche des Soul - auf ihrem ausgezeichneten vierten Soloalbum, "Mutual Horse", das Ende Februar erscheint, verbindet Holly Miranda all das und mehr. Jenseits der Grenzen des Singer/Songwriter-Genres setzt die 35-jährige Amerikanerin gemeinsam mit einigen "famous friends" von TV On The Radio, Grandaddy oder Modest Mouse in ihren facettenreichen Liedern dabei stets auf einen betont zeitgemäßen Sound, der bei aller klangtüftlerischen Abenteuerlust und Detailverliebtheit nie an Klarheit verliert, mit ultrarelaxter Besonnenheit begeistert und in der perfekten Balance von Spontaneität und Raffinesse viel Raum für ihren seelenvollen Gesang lässt: Ein beeindruckendes Album, eine Entdeckungsreise für Kopf und Herz zugleich.

Rückblende: Holly Mirandas Reise beginnt Mitte der 90er. Mit 16 macht sie sich auf den Weg aus ihrer Heimat in Michigan nach New York und taucht dort in die Singer/Songwriter-Szene des East Village ein. Bei Auftritten in Coffeehouses und bei Open-Mic-Abenden bleibt es aber nicht lange. Schnell landet sie einen Vertrag beim Majorlabel BMG und nimmt ihr Debütalbum auf - die Aufnahmen werden aber nie veröffentlicht. Ihr erstes Album, das erscheint, ist 2001 "High Above The City", doch ihre Solokarriere ist (vorerst) nicht von Dauer. Zwei Jahre später gründet Holly gemeinsam mit Alex Lipsen The Jealous Girlfriends, mit denen sie das Spannungsfeld von britischem New Wave und amerikanischem Indierock auslotet. Die beiden Alben der Band sorgen für einiges Aufsehen, und dass ihre Songs in quotenstarken US-Fernsehserien laufen, trägt ebenfalls zur Popularität bei wie Tourneen mit Nada Surf und Delta Spirit. Als The Jealous Girlfriends vor und zehn Jahren eine unbefristete Pause einlegen, kehrt Holly zu ihren Soloveröffentlichungen zurück. Mit Dave Sitek von TV On The Radio nimmt sie bereits 2008 das eher Synth-Pop-lastige "The Magician's Private Library" auf, das zwei Jahre später auf dem Renommierlabel XL Recordings erscheint und den Weg ebent für Gastspielreisen mit Tegan And Sara, The xx oder Florence & The Machine. 2015 erscheint ihr zweites Solowerk, das schlicht ihren Namen trägt und mit einem erdigeren, spürbar Richtung Soul deutenden Sound aufwartet, ohne deshalb ihr Faible für Dream-Pop-Leichtigkeit zu verleugnen.

Nach der Veröffentlichung von "Mutual Horse" kommt Holly im April auf Deutschland-Tournee, zuvor stellte sie sich unseren Fragen.

GL.de: Holly, wo bist du gerade?

Holly Miranda: Ich sitze in Michigan vor dem Kamin, draußen schneit es. Im Hintergrund läuft die Übertragung der Olympischen Spiele und ich bewundere meine Muskeln, die ich vom vielen Schneeschaufeln diesen Winter bekommen habe.

GL.de: Deine erste, nie veröffentlichte Platte hast du bereits mit 17 aufgenommen. Was waren für dich die größten Veränderungen in den fast 20 Jahren seitdem?

Holly Miranda (lachend): Ich bin immer noch die Gleiche, nur auf jede erdenkliche Art anders! Das Wichtigste ist sicher, dass ich heute mehr Dankbarkeit verspüre und denke, dass jede Platte meine letzte ist.

GL.de: Wenn du zurückblickst - was fällt dir zum Stichwort "Karrierehighlights" zuerst ein?

Holly Miranda: Die Bekanntschaft von Dave Sitek von TV On The Radio gemacht zu haben. Seine Unterstützung und sein Glaube an mich haben mich durchhalten lassen, als ich schon früh das Handtuch werfen wollte. Er hat mich außerdem davon überzeugt, meine Akustikgitarre zu verkaufen und mir die elektrische zuzulegen, die er auch spielt. Ich benutze sie bis heute. Die Einladung von Lou Reed und Laurie Anderson zum Vivid Festival, bei dem ich eine Woche lang im Sydney Opera House aufgetreten bin. Die Chance, Gitarre für Karen O auf ihrer Solo-Tournee zu spielen. Lesley Gore in ihren letzten Lebensjahren als meine Mentorin gehabt zu haben. Das größte Highlight ist aber, dass ich immer noch hier bin und das liebe, was ich mache.

GL.de: Ein wenig klingt dein neues Album, "Mutual Horse", wie eine Platte, auf die du dein ganzes Leben hingearbeitet hast. Ist da etwas Wahres dran?

Holly Miranda: Das denke ich eigentlich bei jeder Platte, aber ich weiß, was du meinst. Im neuen Album sind Dinge aus all meinen früheren Platten verwoben, aber letztlich gehe ich immer mit dem Anspruch ins Studio, die Platte meines Lebens zu machen.

Holly Miranda
GL.de: Wo siehst du selbst denn die Abgrenzungen zu deinen früheren Platten? Ein Aspekt ist sicherlich, dass deine Stimme mehr im Zentrum steht.

Holly Miranda: Keine Frage, ich habe darauf geachtet, dass meine Stimme im Mix sehr präsent ist, nachdem ich mich in der Vergangenheit immer davor gescheut hatte. Die neue Platte ist zudem meiner Mutter Gina gewidmet, die vor drei Wochen verstorben ist. Auf dem Album gibt es eine Gesangsaufnahme von ihr aus dem Jahre 1981. In den letzten Jahren ihres Lebens hatte sie ihr Sprachvermögen verloren, und deshalb bedeutete es mir so viel, als ich die Aufnahme fand und sie wieder singen hörte. Ich wollte das verewigen und ihre wunderbare Stimme mit der Welt teilen.

GL.de: Auffällig ist, dass deine Lieder bei aller Abwechslung praktisch immer eine tiefenentspannte Gelassenheit ausstrahlen. Arbeitest du darauf hin oder passiert das eher zufällig?

Holly Miranda (lachend): Eigentlich kämpfe ich sogar dagegen an, denn ich versuche ja immer, neue Wege zu gehen. Ich wünschte, ich könnte mal einen richtigen Punkrock-Song schreiben, und "All I Want Is To Be Your Girl" (das ursprünglich "Fuck In The Sun" hieß) war mein Versuch, das zu tun. Aber sobald ich anfange zu singen, klingt es doch wieder anders.

GL.de: Als du mit 17 deine erste Platte aufgenommen hast, liefen die Dinge nicht so wie geplant. Gleichzeitig hat dir dieser Fehlschlag die Chance gegeben, zu wachsen und dich zu entwickeln. Bist du rückblickend glücklich, dass es damals mit der Majorkarriere nicht geklappt hat?

Holly Miranda: Das muss ich ja sein. Alles, was passiert oder nicht passiert ist, ist Teil dessen, wer ich bin, und ich mag, wer ich bin. Deshalb bin ich glücklich darüber, wie es gelaufen ist. Wer weiß, was für ein Vollpfosten ich heute wäre, wenn ich mit 17 Erfolg gehabt hätte. Vielleicht wäre ich auch total cool, aber das bezweifele ich!

GL.de: Bist du manchmal überrascht, dass du es in diesem so schnelllebigen Business so lange ausgehalten hast?

Holly Miranda: Jeden Tag!

GL.de: Jede deiner Platten hat eine ganz eigene klangliche Ausrichtung. Künstlerisch ist das großartig, kommerziell schießt du dir damit aber ein wenig selbst in den Fuß, oder? Zumindest ist es nicht der einfachste Weg zum Erfolg!

Holly Miranda: Ich bin schnell gelangweilt, und wenn ich die gleiche Platte wieder und wieder hätte machen müssen, würde ich heute vermutlich gar nichts mehr mit Musik zu tun haben. Ich weiß natürlich, was du meinst. Ich kenne eine Menge supererfolgreicher Leute, die genau nach dieser Methode vorgegangen sind und damit glücklich zu sein scheinen. Schön für sie, aber für mich wäre das nichts!

GL.de: Ganz allgemein, wonach suchst du, wenn du Songs schreibst?

Holly Miranda: Das einzige Ziel ist Ehrlichkeit. Die Texte dürfen nicht dahingeworfen sein (das habe ich von Ambrosia Parlsey gelernt) und die Lieder müssen einen Groove haben.

GL.de: Textlich ist "Mutual Horse" eng mit einem deigenen Leben verknüpft...

Holly Miranda: Ja, aber ich möchte die Texte lieber nicht zerpflücken. Es ist nicht meine Aufgabe zu verraten, worum es in den Liedern geht. Letztlich würde ich so nur der Hörerschaft die Chance nehmen, eine eigene Interpretation zu finden. Wenn du allerdings weißt, was ich in den letzten Jahren durchgemacht habe, ist es nicht schwer herauszufinden, worum es in einigen der Songs geht.

Holly Miranda
GL.de: Du hast die feministische Singer/Songwriterin Cris Williamson als Vorbild für das neue Album bezeichnet. In welcher Hinsicht hat sie dich inspiriert?

Holly Miranda: Ich habe Cris erst entdeckt, als das Lied "Midnight Oil" meine Aufmerksamkeit erregte. Das war ein Song für eine Kinder-Platte, die sie in den späten 70ern aufgenommen hatte. Ich glaube, sie sollte den Kids beibringen zu meditieren. Mein Freund Garrett Eaton und ich wollten uns für ein Wochenende in den Catskills einrichten, um ein paar Aufnahmen zu machen, und hielten an einem kleinen Laden namens The Mystery Spot an. Jeder von uns suchte sich eine Platte aus, die wir auflegen wollten, während wir unseren Kram aufbauten. Auf Cris' Album sind wir eigentlich vor allem deshalb gekommen, weil das Artwork so abgefahren war und wir eine kleine Dosis Mushrooms konsumieren wollten, aber sobald wir "Midnight Oil" hörten, lernten wir den Song sofort und nahmen ein Demo für die Version auf, die wir später veröffentlicht haben, mit dem Unterschied, dass auf der späteren Fassung ein 30-Personen-Chor aus aller Welt vertreten ist. Ich habe Cris dann ein, zwei Jahre später in Oakland, Kalifornien, getroffen, wo sie gemeinsam mit Julie Wolfe eine neue Platte aufnahm. Über den Nachmittag verteilt haben wir bestimmt sechs Stunden geredet, und dabei wurde mir klar, was für eine Inspiration sie für mich gewesen war, ohne dass ich sie kannte, und es erschein mir sträflich, dass sie nie mehr Anerkennung für ihr Tun erhalten hat. Sie gehörte zu den ersten Frauen, die ein Tonstudio und Label, Olivia Records, geführt haben, hinter dem 1973 zehn lesbische Feministinnen steckten. Dass Frauen allein ein Studio und Label leiteten, war damals (und heute) eine radikale Idee. Sie waren zudem Teil des Kollektivs, das das Michigan Womyn's Music Festival ins Leben gerufen hat. Ich bin sehr dankbar für ihre Arbeit, die gleichzeitig ein Ansporn für mich ist. Ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr mit ihr kollaborieren kann.

Weitere Infos:
www.hollymiranda.com
www.facebook.com/hollymirandamusic
dangerbirdrecords.com/artists/holly-miranda/
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Holly Miranda
Aktueller Tonträger:
Mutual Horse
(Dangerbird/The Orchard)
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