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TIM NEUHAUS
 
Die Musik, die du bist
Tim Neuhaus
Als Tim Neuhaus im Jahre 2013 gemeinsam mit Ken Stringfellow und The Late Call auf "Sit down and sing"-Tour ging, stellte ihn der Zeremonienmeister allabendlich als den Daniel Düsentrieb der hiesigen Singer/Songwriter-Szene vor. Auch mit seinem just erschienenen neuen Album, "Pose I+II", unterstreicht der in Hagen aufgewachsene, aber seit Langem in Berlin heimische Tausendsassa seine Sonderstellung in der deutschen Indie-Landschaft erneut und beweist sein durch viele inspirierende Kollaborationen geschärftes Gespür für englischsprachige Popmusik abseits des Mainstream. Das neue Album ist voll von Songs mit Köpfchen und Bauchgefühl, die oft gut ins Ohr gehen, ohne es stumpf darauf anzulegen. Den Dezember verbringt das sympathische Allround-Talent nun mit seiner neu formierten Band auf Tour kreuz und quer durch Deutschland. Zuvor stand er Gaesteliste.de bereits am Rande des Haldern Pop Festivals Rede und Antwort.
Tim Neuhaus mit ein paar Worten treffend zu beschreiben, ist gar nicht so einfach. Da ist einmal der Drummer mit Pop-Appeal, der für die Blue Man Group genauso trommelt wie für Clueso oder Marcus Wiebusch (seinen Chef bei Grand Hotel Van Cleef), dann gibt es da den studierten Musiker und Frickler, der an Instrumentals und Soundtracks schraubt oder als Produzent arbeitet, und natürlich den Solokünstler, der auf Indie-Terrain musikalisch irgendwo dazwischen unterwegs ist. Die Frage, wer Tim Neuhaus eigentlich ist und wofür er steht, ist auch für ihn selbst gar nicht so klar zu beantworten. "Wenn der Tim Neuhaus jetzt 17 wäre, dann hätte er bestimmt eine fixe, flotte Antwort. Nun ist der Tim Neuhaus aber keine 17 mehr, sondern 20 Jahre älter, und er hat nur eine sehr unsichere Haltung zu dieser Frage", sagt er über seine musikalische Identität. "Mit Mitte 20 dachte ich, den Stein der Weisen gefunden zu haben, mit Mitte 30 dagegen habe ich das Gefühl, dass ich wieder von vorn anfangen muss."

Die Selbstzweifel waren natürlich nicht ganz unbegründet. Als englisch singender Singer/Songwriter hatte man hierzulande immer schon einen schweren Stand, und plötzlich musste Tim mit ansehen, wie Künstler, die zuvor bestenfalls das Vorprogramm für ihn bestritten hatten, auf der Überholspur an ihm vorbeirauschten, nur weil sie sich auf deutsche Texte eingeschossen hatten. Allerdings gab es auch Gegenbeispiele. Letztes Jahr bestritt Tim zusammen mit seinem Kumpel Ian Fisher eine kleine USA-Tournee und konnte dort mit seiner Musik und seinen Texten eine Verbindung zum Publikum herstellen, von der deutschsprachige Acts bestenfalls träumen können. "Da habe ich gemerkt, dass ich mich durch eigene Unsicherheiten nicht ausbremsen lassen sollte", sagt er rückblickend.

"Pose I+II" erscheint vier Jahre nach seinem letzten Album unter eigenem Namen und das, obwohl schon 2013 erste Ideen für neue Songs existierten. Doch dann kam ihm einfach das Leben dazwischen, außerdem halfen ihm seine Talente abseits der Solopfade, sein Auskommen zu sichern. "Ich hatte so viele Anfragen, dass ich schnell gemerkt habe, dass meine eigene Platte gar keinen Platz findet", erinnert er sich. "Gleichzeitig habe ich auch festgestellt, dass ich anders Musik machen wollte. Ich wollte nicht mehr im kommerziellen Rahmen agieren, sondern Musik wieder so machen, wie ich das früher getan habe." Statt sich zeitlich und finanziell unter Druck zu setzen, verließ sich Tim deshalb auf sein Gespür und verbrachte viel Zeit damit, über die musikalische Ausrichtung und Ausstrahlung seiner neuen Lieder zu sinnieren. Zwei Jahre, immer wieder unterbrochen durch andere Projekte, dauerte dieser Prozess letztlich, doch Tim ist überzeugt, dass die Zeit gut investiert war. Letztlich gelang es ihm dabei, viele alte Ansichten hinter sich zu lassen, Teenagerträume zu Grabe zu tragen und festzustellen, dass ihm eine bestimmte Art des Musizierens mit Ende 30 vielleicht nicht mehr so steht. "Einen letzten Gruß an den 17-, 18-jährigen Tim Neuhaus", nennt er die neue Platte deshalb.

Als echten Neuanfang möchte er "Pose I+II" zwar nicht verstanden wissen, trotzdem war es ihm durchaus wichtig, sich mit diesem Album ein Stück weit neu zu positionieren und sich musikalisch mehr den Extremen zuzuwenden. Kluge, zeitgemäße Popmusik mit Liebe zum Detail gibt es hier genauso wie verrückte Experimente mit vertrackten Drumbeats und verschobenen Arrangements. "Das Album ist zweigeteilt", erklärt er. "Da gibt es den einen Teil in mir, der sich integrieren will, der dazugehören will, aber dann gibt es da auch den Revoluzzer, der bewusst sagt: 'Nee, das muss nicht allen gefallen, solange es mir gefällt.' Ich glaube aber, dass genau das am Ende wieder das Richtige ist, um sich zu integrieren: da zu graben, wo es für einen selbst interessant ist, denn da wird es dann ja auch für andere interessant."

Eingespielt hat Tim das Album größtenteils allein, allerdings ist ihm der Abschied vom Bandgefüge schwerer gefallen, als es sich von außen bisweilen dargestellt hat. Schließlich hatte er in den letzten Jahren auch immer wieder ganz allein auf der Bühne gestanden. Sich auch im Studio ganz auf sich zu verlassen, war für ihn zunächst nicht immer einfach. "Der Motor läuft schneller, wenn man eine Band dabeihat", ist er überzeugt. "Die Flügel des Flugzeugs sind breiter, die Anfahrt ist schneller und man kommt besser mit dem Wind hoch. Es ist auch einfach ein schönes Gefühl, in einer Community zu arbeiten, wenn man etwas teilt, interagiert und durch die Songs mit anderen Musikern in einen Dialog tritt. Diese Dynamik ist schon etwas ganz Tolles, und tief im Innern habe ich mir vielleicht auch immer eine Band gewünscht, die so funktioniert. In Phasen aber, in denen ich schreiben und etwas Neues erfinden musste, war ich allein radikaler und dadurch inspirierter."

Doch Tims Experimentierfreude beschränkte sich zuletzt nicht allein auf "Pose I+II". Für die Christian-Ulmen-Serie "Jerks" steuerte er den Soundtrack bei - und brauchte dazu oft nicht mehr als sein Schlagzeug. "Da wurden mir die Szenen gezeigt und gesagt: 'Wir brauchen eine Verfolgungsjagd' - und dann habe ich einfach nur improvisiert, ganz befreit von mir selbst, von den eigenen Gesangsmelodien, den eigenen Lyrics. Die Musik, die dann aus mir rausfließt, kommt viel schneller, und auch das Ergebnis ist anders - flexibler und experimentierfreudiger. Das ist eine ganz andere Art des Musikmachens."
Was praktisch aber all seine musikalischen Projekte eint, ist die unbändige Energie, mit der Tim stets zu Werke geht. Ein Paradebeispiel dafür ist gleich der erste Track des neuen Albums, der wohl nicht ganz zufällig "The Music That You Are" heißt. "Das ist eine Reflexion über meine eigenen Stärken", glaubt er. "Meine Freunde sagten mir: 'Du bist Schlagzeuger, lass das Tier in dir ruhig raus! Warum bleibt das bei deiner Musik so oft im Hintergrund, das ist doch dumm!' Ich wollte es einfach anders hinkriegen, weil ich bei anderen ja auch nicht auf das Schlagzeug höre. Jetzt aber sage ich mir: Wenn ich eine gute Zeit mit einem Publikum haben will, das sich mir widmet, warum sollte ich den Menschen nicht etwas geben, das mit Leichtigkeit aus mir rauskommt? Da habe ich ein wenig meine Taktik geändert und bin nicht mehr so dickköpfig wie vor fünf Jahren. Jetzt mache ich Songs mit rhythmischer Hingabe und so einer Art Tim-Neuhaus-Groove, und es ist mir nicht unangenehm, den ständig zu zeigen. Ich fange gerade an, daran eine neue Freude zu entwickeln."

Deshalb wird man Tim Neuhaus auf seiner großen Tournee im Dezember auch nicht nur an der Gitarre erleben, sondern zum ersten Mal seit 15 Jahren auch wieder als singenden Schlagzeuger. "Das hat eine noch eigenere Note, als das alles auf der Gitarre machen zu müssen", ist er sicher. "Das ist die Freude an der Suche, wie man ein Tim-Neuhaus-Konzert gestalten kann, das zwei Stunden dauert und bei dem die Leute am Ende sagen: 'Hey, das war kurzweilig!' Das ist im Endeffekt das Ziel!"
Weitere Infos:
www.tim-neuhaus.de
facebook.com/timneuhausofficial
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Tim Neuhaus
Aktueller Tonträger:
Pose I+II
(Grand Hotel van Cleef/Indigo)
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