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UNBELIEVABLE TRUTH
 
Unglaublich
Unbelievable Truth
"The Unbelievable Truth" ist der Name eines neuen Trios aus Oxford. Bis jetzt waren sie eigentlich nur dafür bekannt, daß Sänger/Lyricist Andy Yorke der Bruder eines gewissen Radiohead-Sängers ist. Der Name der Band basiert auf dem ersten Film von Hal Hartley, einem amerikanischen Independent-Filmemacher. Das macht Sinn, denn - so wie U.T. in der Musik - Hal Hartley bringt sehr überraschende und ungewöhnliche Elemente hervor, die das Publikum unterhalten. Schlagzeuger Nigel, anscheinend das Sprachrohr der Band, macht das sehr lebhaft deutlich, als er sich selbst eine reinhaut! Wie also arbeitet eine Band, die es mag, musikalische Schläge in's Gesicht auszuteilen? Bassist Jason erzählt einige Dinge aus der Historie von U.T.:
Jason: Nun, Andy und Nigel haben sich in der Schule getroffen, und sie waren dort zusammen in einer Band. Ich habe durch die Musik und durch ein paar Freunde Nigel kennengelernt, und so haben wir, seitdem wir 16 Jahren, immer in einer Band gespielt. Es gibt zwei Kapitel in der Geschichte dieser Band - wir gründeten die Band ca. 1993, Andy hat damals russische Literatur studiert und ein Jahr in Rußland verbracht. Dort hat er viele Songs geschrieben, und er fragte mich, ob ich eine Band zusammenbringen könnte, um diese Songs zu spielen, wenn er wieder zurückkommt. Am Anfang ging es also fast nur um's Schreiben. Wir haben manchmal live gespielt, dann aber akustisch ohne Drummer.

Daher also auch der weitgehend akustische Sound auf dem ersten Album. Und wie arbeiten sie musikalisch?

Nigel: Wir sind alle Autodidakten. Jason hat mal ein wenig klassische Gitarre gelernt. Ich habe mit dem Spielen vor langer Zeit begonnen, als ich 12 Jahre alt war, hatte ich eine Band mit meinem großen Bruder. Seitdem ich 17 Jahre alt war, hat mich das alles unglaublich fasziniert - es gab eine Zeit, als ich 18 oder 19 war, wo ich in 6 Bands gleichzeitig gespielt habt...

Hat man sich da nicht ab und zu mit den Songs vertan?

N.: Ja, das ist manchmal passiert. Das hat es nur schwieriger gemacht, sich an den Song zu erinnern. Ich hatte immer gehofft, daß der erste Akord mir helfen würde, den ganzen Song spielen können...

Wie war's mit dem Unterricht? Ist das hilfreich?

J.: Es war insofern gut, als daß ich den vollen Umfang meines Basses kennengelernt habe. Aber man muß das alles wieder vergessen, was man dort im Unterricht gelernt habe - ehrlich gesagt, kann ich mich kaum noch daran erinnern.

Andy: Ich denke, man wird dadurch gewandter beim Spielen, und man entwickelt auch Ambitionen.

Wie sieht es aus mit den Arrangements? Auf der Platte gibt es einige sorgfältig ausgearbeitete Arrangements.

N.: Das ist meistens meine Sache - oft entstehen sie unter der Dusche. Ich schreibe sie aber nicht auf! Da wir ja alle keine ausgebildeten Musiker sind, müssen wir uns mit Phrasen wie "das Blur-Stück" oder so helfen.Wenn ich ein Talent habe, dann ist es die Tatsache, daß ich Sachen so hören kann, als wären sie fertige Platten in meinem Kopf. Wenn es dann um's Aufnehmen geht, habe ich eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wie das Endprodukt klingen soll. Wie man das, was ich höre, in die Realität umsetzt, das habe ich technisch gelernt.

Irgendwelche Gast-Musiker?

A.: Einige Streicher, den Rest haben wir gespielt. Nigel spielt die Keyboards und er singt auch diese hohen Stimmen.

Wie sieht der Song-Writing-Prozeß aus - gibt es dort Teamarbeit?

N.: Ja, und das ist auch die einzige Art, wie wir unsere Songs schreiben können.

A.: Meistens kommt die Musik zuerst - die Lyrics meistens zum Schluß. Wir starten meistens mit einem Riff, und ich bin fast nicht in der Lage, einen kompletten Song zu schreiben - ich kann schöne Melodien und andere Teile schreiben.

J.: Ich kann auch interessante Teile schreiben, aber ich kann sie nicht in einen fertigen Song umwandeln.

N.: Oft bin ich derjenige, der die einzelnen Teile nimmt und sie zusammenfügt. Ich mag es, Dinge zu machen, die man nicht unbedingt erwartet. Das passiert meistens (schlägt sich wieder in's Gesicht) in der Mitte des Songs. Das ist also das Interessante bei unserem Song-Schreiben. Das ist auch etwas, was wir verlieren würden, wenn jeder für sich schreiben würde.

Gerade wegen des weitgehend akustischen Sounds klingt U.T. nicht unbedingt so wie die typische (slap in the face) B**tpop-Kombo. Ist das eine eine Art Singer-/Songwriter-Methode?

N.: Ich denke, daß stimmt, und es scheint von dem übertriebenen Respekt zu kommen, den wir vor einem Song haben. Das gilt besonders deswegen, weil die Songs immer erst im Demo-Raum geschrieben werden, und später erst live präsentiert werden.

Nun, da wird es doch sicher auch noch andere Bands geben, die diesen Weg gehen - obwohl sie nicht wie U.T. klingen. Irgendeine Theorie?

N.: Ich habe eine Theorie. Ich denke, es ist weil Andy eine Zeit lang weg von der Band war, und wir so eine Art Pause hatten. So sind wir in das Pop-Spiel etwas älter als andere Bands gekommen, und das hat uns sicherer gemacht. Sicherer in der Weise, wie wir klingen. Ich denke, es ist einfach, unsicher darüber zu werden, was Du machst, wenn Du einmal am großen Spiel teilnimmst, mit viel Geld etc. Und meistens ist diese Krach-Methode ein Anzeichen für Unsicherheit: "Ich habe einen Song auf der Akustik-Gitarre geschrieben, und jetzt traue ich mich nicht, ihn so zu spielen. Ich brauche ein wenig Krach drumherum, falls die Leute ihn nicht mögen!". In Gegensatz dazu haben wir den Mut gefunden, den Song so nah wie möglich am Original zu spielen, ohne sich verstecken zu müssen.

Hat sich Andy's Rußland-Aufenthalt auf das Song-Schreiben ausgewirkt?

A.: Nicht direkt. Die Zeit in Rußland war in persönlicher Hinsicht sehr einflußreich, und das hat dann sicher auch Einfluß auf meine Arbeit in der Band genommen.

Was hast Du eigentlich in Rußland gemacht?

A.: Nun, ich war sehr oft in Rußland. Das erste mal war ich ein Jahr dort, als Teil meines Studiums. In letzter Zeit war ich dort, um mich als freier Dolmetscher anzubieten - mit einigem Erfolg! So habe ich also ein zweites Standbein, wenn dieser Job in der Band mal enden sollte - entweder wenn wir rausgeschmissen werden oder 40 Jahre alt werden - was auch immer zuerst kommt...

Können wir also keinen 60-Jahre-Bluesman-Sound von U.T. erwarten?

N.: (improvisierend) "When I woke up this morning - hm hm hm hm - my Russian politics was dead..."

A.: Ich will unbedingt beide Sachen machen bevor ich sterbe.

Und wie sieht es bei den anderen aus?

J.: Ich habe keinen anderen Job.

N.: Mein Ziel - falls mein Plan zustandekommt - ist es, weiterhin Musik zu machen. Ich bin so darin gefangen, und so kann ich mich selbst befriedigen und hoffentlich ein paar Mark damit verdienen. Wenn wir also die magische Grenze von 40 Jahren erreicht haben, brauche ich nicht mehr zu arbeiten, denn die andere Sache ist, daß ich der beste Vater sein will, wie ich kann.

A. J.: Ooooooohhhhh.

Interessante Frage: Wenn Nigel doch so besessen von der Musik ist, wieso hat er sich dann für das Schlagzeug entschieden - mal abgesehen davon, daß es einen in der Band geben mußte?!?

N.: Nun, mein Bruder war ein Gitarrist und er brauchte einen Drummer, also hat er unsere Mutter gebeten, mir doch ein Drum-Kit zu kaufen. Aber seitdem habe ich noch andere Instrumente gelernt und ich habe das Album produziert. Das Drumming ist eine natürliche Sache für mich, und live ist man wie in Trance.

Unbelievable Truth
A.: Die Sache mit dem Drum-Kit hast Du schon in anderen Interviews erzählt, aber mal ehrlich: Wenn Du live spielst, fühlst Du Dich nicht so, als ob Du in einem Kontroll-Raum bist?

N.: Ja, stimmt! Ich fühle mich so, als ob ich das Flugzeug steuern würde!

Warte mal: Wie fliegt man denn ein Flugzeug von der Rückbank aus?

N.: Hm, dieser Vergleich hinkt dann wohl ein wenig. Trotzdem: Live zu spielen ist das beste.

Habt Ihr zusätzliche Musiker auf der Bühne, um den Live-Sound aufzumotzen?

J.: Wir haben noch jemanden, der Keyboards und Gitarre spielt. Das ist manchmal wirklich seltsam - es ist, als würden wir in einer anderen Band spielen.

Gäbe es irgendeinen Grund zur Erweiterung der Band?

J.: Nein, ich denke, wir werden so weiter machen. Wir fühlen uns als Trio recht wohl.

Mitte des Jahres ist eine Tour geplant - aber bis jetzt steht noch nichts fest. Dennoch: Wenn Ihr eine wirklich nette, englische Band treffen wollt, die nicht ständig behauptet, die beste Band der Welt zu sein, dann schaut Euch mal The Unbelievable Truth an. In diesem Fall spricht der Name schon für sich...

[Erstveröffentlichung in Gästeliste #1, August 1998]

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-

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