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ADAM FRANKLIN & BOLTS OF MELODY
 
Ein Leben für die Musik
Adam Franklin & Bolts Of Melody
"I Used To Live For Music" ist mehr als ein Titel auf "Black Horses", dem glänzenden neuen Album von Adam Franklin & Bolts Of Melody. Es ist ein Satz, den Adam Franklin in letzter Zeit immer häufiger von Gleichaltrigen hört, die mit Mitte 40 ihre Leidenschaft für die Musik längst gegen einen zeitraubenden regulären Job, eine Familie und eine Hypothek für ihr Eigenheim eingetauscht haben. Der britische Singer, Songwriter und Ausnahmegitarrist, der einst mit Swervedriver den Grundstein für ein beeindruckendes musikalisches Gesamtwerk legte, geht dagegen immer noch seinen eigenen Weg, unbeirrt und mit bemerkenswerter Stringenz. Denn auch wenn "Black Horses" mit seinen langen Instrumentalpassagen, einer Reihe vollkommen wortloser Stücke und einem behutsam ausstaffierten, filmtauglichen Breitwand-Sound unüberhörbar anders klingt, ist das vierte Franklin-Werk unter eigenem Namen dennoch unverkennbar ein Puzzleteil des großen Gesamtbildes, an dem der in Interviews stets so wunderbar gelassen wirkende Musiker inzwischen seit mehr als einem Vierteljahrhundert arbeitet.
Zunächst hatte Franklin allerdings das Gefühl, dass den Songs, Instrumentals und Melodie-Fetzen, die sich seit der Veröffentlichung seines letzten Albums "I Could Sleep For A Thousand Years" im Jahre 2010 angesammelt hatten, der Zusammenhang fehlte. "Ich hörte mir alles an und dachte zunächst: 'Das klingt überhaupt nicht so, als könnte daraus ein Album werden!'", bestätigt er im spätabendlichen Gaesteliste.de-Interview. "Ein Stück klang fast wie eine Nummer für Swervedriver, ein anderes wie eine Bolts Of Melody-Nummer, und manche klangen so, als wären sie am besten für etwas ganz anderes geeignet."

Dann allerdings setzte sich Franklin noch einmal etwas genauer mit seinem Ideen-Sammelsurium auseinander, feilte ein wenig an einigen Stücken und hatte am Ende "Black Horses", das etwas andere Bolts Of Melody-Album. Er selbst bezeichnet das ungemein stimmungsvolle Werk als eine "verrückte Platte", wohl auch, weil er seine Inspirationen dieses Mal offener als zuvor durchscheinen ließ. Seine Vorliebe für 60s-Soundtrack hat er schon vor Jahren preisgegeben, hörbar war das auf seinen vorangegangenen Platten aber oft nur in Nuancen. Dieses Mal fokussiert er diesen Aspekt dagegen deutlich. "Das stimmt. Zur Zeit von 'Spent Bullets' war ich zum Beispiel sehr stark von Scott Walker beeinflusst, aber um das zu hören, muss man sich schon sehr ausführlich mit ihm auseinandergesetzt haben. Wann immer ich früher Stücke hatte, die von allem Möglichen beeinflusst waren, habe ich mich drangesetzt und sie für das passend gemacht, was ich für gewöhnlich mache. Dieses Mal habe ich die Stücke so gelassen, wie sie ursprünglich waren. Wenn also zum Beispiel 'I Used To Live For Music' wie ein 60s-Soundtrack klang, dann blieb es dabei."

In besagtem Stück taucht eine kurze Melodie zum ersten Mal auf, die bei einer Reihe von weiteren Stücken auf "Black Horses" erneut aufgegriffen wird, was dem Album genau den Zusammenhang gibt, den Franklin ursprünglich vermisst hatte. Doch woher genau stammt die Inspiration für den atmosphärisch dichten, einfalls- und detailreich arrangierten Sound abseits ausgetrampelter Rock-Pfade, der immer wieder längst vergessene Momentaufnahmen aus alten Filmen vor das geistige Auge des Hörers zaubert? "2010 lebte ich in den Staaten, aber ich driftete gewissermaßen ein bisschen umher", erinnert sich Franklin. "Zuvor wohnte ich ja in Jersey City, doch dann sprang von hier nach dort. Ich war eine Weile in San Diego, in Georgia, in New York und dann ging ich irgendwann zurück nach England. Der einzige stetige Begleiter in dieser Zeit waren ein Haufen Mixtapes, die ich für mich selbst gemacht hatte, und einige, die Eric Lee zusammengestellt hatte." Lee, der auch für das Artwork von "Black Horses" verantwortlich zeichnet, stellt für seinen Blog "Cowboys From Sweden" regelmäßig gehaltvolle Compilations zusammen, auf die Franklin durch den Bolts Of Melody-Gitarristen Locksley Taylor aufmerksam wurde. "Ich hatte also all dieses Zeug auf meinem iPod und meinem Laptop und wusste ehrlich gesagt nicht immer, wer die Künstler waren, die ich da hörte", verrät er. "Die Titel-Informationen waren zwar vorhanden, aber ich ließ einfach die Musik auf mich wirken, ohne mich um etwas anderes zu kümmern. Die Musik schwappte wie eine Welle über mich."

Die meisten dieser Stücke waren Instrumentals und gaben die Richtung für "Black Horses" vor. "Warum sich zwingen, zehn Songs plus zehn Texte zu schreiben, wenn man sich auch einfach überraschen lassen kann, wohin die Reise geht?", fragte sich Franklin damals. "Ich bin ein großer Fan von Serendipität", sagt er heute. Ob er das neue Album als Reaktion auf den betont songorientierten, klanglich deutlich in Richtung Rock deutenden Vorgänger bezeichnen soll, weiß er dennoch nicht genau. "Ich tue mich ein bisschen schwer damit, mich in die Denkweise zurückzuversetzen, mit der ich frühere Platten angegangen bin", gesteht er. "Trotzdem kann es durchaus sein, dass meine diesmalige Herangehensweise eine Reaktion darauf war, dass ich mich in der Vergangenheit zu stark darauf konzentriert hatte, Songs zu schreiben, und deshalb dieses Mal verstärkt auf zufällige Elemente zurückgreifen wollte."

Adam Franklin & Bolts Of Melody
Obwohl Franklin unlängst via Bandcamp ein komplettes Album mit gesangslosen Mixen von Songs seiner ersten drei Werke unter eigenem Namen veröffentlich hat, war ihm von Anfang an wichtig, dass aus "Black Horses" kein reines Instrumental-Album würde. Schließlich hat er schon immer besonderen Wert auf seine Texte gelegt. Dass Swervedriver trotz wiederholter Versuche der britischen Musikpresse, die Band in die Shoegazer-Schublade zu zwängen, mit Leichtigkeit aus der Masse herausstachen, lag schließlich nicht zuletzt daran, dass Franklin schon damals bei seinen Texten auf echtes Storytelling Wert legte, anstatt sich vollkommen auf die Musik zu konzentrieren, wie das praktisch alle anderen ähnlich inspirierten Künstler damals taten.

Apropos Swervedriver. Für Franklins vor einigen Jahren reaktivierte alte Band steht im Herbst nicht nur eine Tournee in Australien an, auch eine neue Platte des Quartetts ist inzwischen nicht mehr ausgeschlossen. "Wir schreiben gerade an neuen Songs - und sie klingen großartig", verrät Franklin. "Das hat mich fast ein wenig überrascht, denn zunächst waren wir nicht ganz sicher, wie eine Band, die 15 Jahre nichts veröffentlicht hat, neue Stücke angeht. Versuchst du, so zu tun, als würdest du die Arbeit lediglich ein Jahr nach deiner letzten Platte wieder aufnehmen, oder lässt du bewusst all das mit einfließen, was in den dazwischenliegenden Jahren passiert ist? Sobald du mit der Arbeit anfängst, stellst du aber schnell fest, dass Ersteres nicht so recht funktioniert. Natürlich willst du deinen Fans nicht vollkommen vor den Kopf stoßen, aber die Spielzeit eines ganzen Albums gibt dir in der Regel genug Freiraum, auch mal etwas Schräges zu machen."

Das gilt natürlich auch für "Black Horses". "Nimm zum Beispiel mal das Instrumental 'I Used To Live For A Thousand Years'. Für sich genommen ergibt das Stück keinen Sinn. Erschiene es als Single, würden die Leute nur ungläubig mit dem Kopf schütteln. Als Teil eines Albums aber funktioniert es bestens", ist Franklin sicher. "Wir haben auch einige Stücke vom Album geworfen, die als Songs an sich sicherlich eingängiger waren. Letztlich war unser Blick auf die komplette Sammlung der zehn Songs gerichtet."

"I Used To Live For A Thousand Years" führt außerdem die feine Tradition fort, LP-Titelsongs gewissermaßen ein Album zu spät zu veröffentlichen. Auf "Spent Bullets" gab es ein Stück, das hieß wie Franklins 2007er-Solo-Debüt "Bolts Of Melody", "I Could Sleep For A Thousand Years" beinhaltete einen Song namens "Spent Bullets", und nun schlägt also auch ein Titel auf "Black Horses" augenzwinkernd eine Brücke zurück zum Vorgänger. Inspiriert wurde Franklin dazu ausgerechnet von Status Quo, die auf den Rückcovern ihrer Alben der 70er unter der Überschrift "From the makers of..." stets ihre vorangegangenen Platten aufführten. Dass Franklin der Gedanke gefällt, seine Platten auf diese Art zu verknüpfen und eine Kontinuität herzustellen, überrascht natürlich nicht. Es unterstreicht lediglich, dass ihm kaum etwas wichtiger ist als das, was in der heutigen Musiklandschaft mehr und mehr verloren geht: künstlerische Langlebigkeit.

Weitere Infos:
www.adamfranklin.com
www.facebook.com/adamfranklinboltsofmelody‎
adamfranklin.bandcamp.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Adam Franklin & Bolts Of Melody
Aktueller Tonträger:
Black Horses
(Goodnight Records)
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