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JOHNNY MARR
 
Kein Britpop-Fuzzi
Johnny Marr
Seit 30 Jahren ist Johnny Marr in erster Linie der Junge mit der Gitarre, der nicht nur bei seiner sagenumwobenen ersten Band, The Smiths, Dutzende Hits für die Ewigkeit schrieb, sondern in den letzten 25 Jahren auch immer wieder als kreativer Motor bei Bands wie The The, Electronic, Modest Mouse oder zuletzt The Cribs für Aufsehen sorgte. Mit "The Messenger" erscheint nun sein nominell erstes Soloalbum und das zweite nach dem Healers-Werk "Boomslang" von 2003, das den britischen Tausendsassa erstmals auch als Sänger und Frontmann präsentierte. Es ist eine feine Platte geworden, auf der Marr klanglich viele, ja fast alle wichtigen Stationen seiner Karriere streift und trotzdem nicht wie von gestern klingt. Gaesteliste.de sprach mit dem herrlich bodenständigen Gitarren-Hero, als er sich Anfang Februar der hiesigen Presse in Berlin stellte.
GL.de: Viele deiner Kollaborationen der letzten Jahre basierten letztlich auf Zufall. Modest Mouse, The Cribs, selbst deine Band The Healers - alle haben dich gewissermaßen gefunden, anstatt dass du Ausschau nach ihnen halten musstest. Wie aber konnte dich eine Soloplatte "finden"? Bist du eines Morgens aufgewacht und dachtest: "Oh, ein Soloalbum, das wär's!"?

Johnny Marr: Nein, das war ein längerer Prozess. Ich habe ja von Ende 2008 bis Ende 2010 bei The Cribs gespielt, und als sich 2010 unsere Tour-Verpflichtungen langsam dem Ende neigten, hatte ich das Bedürfnis, eine neue Platte in Angriff zu nehmen - ohne zu wissen, wie oder mit wem. Damals sah es so aus, als würden sich The Cribs ein volles Jahr freinehmen, und das war etwas, das ich überhaupt nicht wollte. Deshalb fing ich an, mir konkretere Gedanken zu der Platte zu machen, die ich in Angriff nehmen wollte. Schnell merkte ich, dass es eine Menge Dinge gab, die ich festhalten wollte. In den vorangegangenen Jahren hatte ich eine Menge Beobachtungen gemacht und Eindrücke gesammelt und hatte das Gefühl, dass daraus eine Menge guter Songs würden entstehen können. Als The Cribs sich dann gegen die einjährige Auszeit entschieden, war das ein guter Test für mich: Wie wichtig waren mir meine eigenen Songs und meine eigenen Ideen? Obwohl ich die Jungs wirklich sehr mag, hatte ich letztlich das Gefühl, dass da eine Platte in mir steckte, die ich einfach machen musste. Auch in diesem Fall hat mich also etwas gefunden, nur waren es dieses Mal keine Musiker, sondern die Ideen für die Songs. Anschließend habe ich dann das getan, was ich immer mache: Ich habe mein Leben so umgestellt, dass ich den Songs dorthin folgen konnte, wo sie mich hinführten. Wichtig war mir vor allem, dass alles sehr spontan vonstattenging und eine gewisse Dringlichkeit besitzt.

GL.de: Die hat sie auf jeden Fall, das hört man ja gleich dem ersten Song, "The Right Thing Right", an! So sehr sogar, dass man sich fast fragt: Wie schafft der Kerl das, nach 30 Jahren noch so motiviert und frisch zu klingen?

Johnny Marr: Ich kann mir ein Leben ohne die Musik einfach nicht vorstellen! Allerdings ist die Frage durchaus berechtigt. Natürlich muss es einem erst einmal gelingen, sich das Interesse am Leben und an der Arbeit zu erhalten. Glücklicherweise ist meine Arbeit eine Verlängerung meines Lebens. In dieser Hinsicht bin ich sehr von bildenden Künstlern beeinflusst, die oft bis zu ihrem Tod arbeiten, Ähnliches gilt für viele Schriftsteller. Es sind Menschen abseits der Musik, zu denen ich aufschaue, weil sie mit einem guten Beispiel vorangehen, dem ich nacheifern möchte: David Hockney zum Beispiel, Aldous Huxley oder sogar Friedrich Schiller. Nicht gerade Brian Jones, was? (lacht)

GL.de: In den 90ern hast du diesen Vorbildern ja auch nachgeeifert, indem du das typische Tourleben eines Rockmusikers komplett gegen die Arbeit im Studio eingetauscht hast. Allerdings hast du in einigen Interviews der letzten Zeit auch erwähnt, dass es die Gastspielreisen mit Modest Mouse und The Cribs und die daraus resultierende Fannähe waren, die die Entscheidung, eine Soloplatte zu machen, positiv beeinflusst haben.

Johnny Marr: Das Reisen macht mir nichts aus. In gewisser Weise genieße ich es heutzutage sogar richtiggehend, denn das Reisen zwingt dich bisweilen, auch mal auf Internet, eMails und Textnachrichten zu verzichten. Oft hast du keine andere Möglichkeit, als dir ein Buch zu schnappen oder Musik zu hören. Trotzdem bereue ich es nicht, dass ich mich vom Tourleben so lange ferngehalten habe. Schließlich habe ich während dieser Zeit zwei Kinder großgezogen, die jetzt junge Erwachsene sind, und das war ein wichtiger Teil meines Lebens. Doch auch wenn ich, wie gesagt, nichts bereue, ist es sicherlich keine tolle Idee gewesen, jemandem wie mir genug Geld für sein eigenes Tonstudio zu geben. Ich bin dort praktisch eingezogen - und die gesamten 90er-Jahre dort geblieben! (lacht) Allerdings war diese Zeit auch sehr lehrreich für mich. Heute weiß ich, dass ich nie mehr zehn Tage an einem einzigen Song herumwerkeln möchte, so quetschst du das ganze Leben aus ihm raus. Heute weiß ich, wie ich schneller zu guten Ergebnissen komme. Natürlich wollte ich, dass die neue Platte so perfekt wie möglich ist, aber ein Teil dieser Perfektion war Energie und Spontaneität.

GL.de: Deshalb freuen wir uns auch schon auf die Konzerte zur Platte, die ja deutlich anders ausfallen werden als die vor zehn Jahren. Damals hast du ausschließlich die Songs des ersten Healers-Albums gespielt, inzwischen finden sich eine Reihe The Smiths-Songs im Programm. Bist du mit den Jahren einfach etwas gleichmütiger geworden, was das angeht?

Johnny Marr: Ich weiß nicht, ob das Gleichmut ist, aber ich habe viele Dinge einfach inzwischen hinter mir gelassen. Außerdem fühle ich mich in der Rolle als Frontmann inzwischen wohler als damals. Ganz abgesehen davon: Wenn ich eine Band sehe, die ich mag, möchte ich ja auch, dass sie alte Songs spielt - und gut dabei klingt. Das Gleiche möchte ich für mein Publikum tun.

GL.de: Welche Band hast du denn gesehen, die dich zu dieser Überzeugung hat kommen lassen?

Johnny Marr: Ja, das waren Television. Ich wollte gar nicht, dass sie so tun, als seien sie die Arctic Monkeys: jung und hip und bedeutungsvoll. Die Arctic Monkeys sind prima, aber das ist nicht das, was ich wollte. Ich wollte, dass Television einfach Television sind und nicht Devo oder die Talking Heads (die ich auch mag).

GL.de: Du hast, bevor du die Platte in Angriff genommen hast, deiner Wahlheimat Portland, Oregon, den Rücken gekehrt und bist zurück nach Manchester gezogen. Ein Teil der Aufnahmen zu "The Messenger" entstand aber auch in Berlin. Wie wichtig ist die Umgebung für die Kreativität?

Johnny Marr: Oh, sehr wichtig! Ich bin ja nach Manchester zurückgekehrt, weil ich immer das tue, was am besten für meine Musik ist. Deshalb bin ich ja einige Jahre zuvor überhaupt erst nach Portland gezogen und auch der Umzug der Smiths von London zurück nach Manchester 1985, um die zweite und dritte Platte aufzunehmen, hatte kreative Gründe. Ich wohne nicht wieder in Manchester, weil ich zurück zu den Wurzeln will oder nostalgisch bin. Das hat einfach praktische Gründe. Manchester ist einfach der coolste Ort für mich, um in Großbritannien Musik zu machen. Trotzdem war es wichtig für mich, während der Aufnahmen einen Abstecher nach Berlin zu machen, denn in England schmoren wir bisweilen etwas zu sehr im eigenen Saft. Mir ist es sehr wichtig, nicht als irgendein Britpop-Fuzzi wahrgenommen zu werden, deshalb gibt es auch einen Song namens "European Me" auf dem neuen Album. Ich wollte klarstellen, dass ich nicht nach England zurückgegangen bin, weil ich das Land so mag. Ich hatte lediglich das Gefühl, dass mich Amerika zu sehr verweichlicht oder mein Sound zu amerikanisch wird. Deshalb bin ich zurück nach England und hab so getan, als wäre ich wieder so verklemmt wie früher! (lacht)

GL.de: Hat der Abstecher nach Berlin deine Erwartungen erfüllt?

Johnny Marr: Ja. Es war einfach die beste und nächstgelegene Alternative zu Großbritannien, außerdem hat die Stadt eine ähnliche Atmosphäre
wie Portland.

GL.de: Du meinst die Massen an Hipstern?

Johnny Marr: Genau, es sind beides Orte, an denen sich junge Menschen zur Ruhe setzen! (lacht) Meine Güte, du weißt schon, dass das ein Scherz war, ja?

Weitere Infos:
www.johnnymarr.com
www.facebook.com/officialjohnnymarr
twitter.com/Johnny_Marr
de.wikipedia.org/wiki/Johnny_Marr
en.wikipedia.org/wiki/Johnny_Marr
www.last.fm/music/Johnny+Marr
Interview: -Simon Mahler-
Foto: -Pressefreigabe-
Johnny Marr
Aktueller Tonträger:
The Messenger
(Warner Music)
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