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NIKKI SUDDEN
 
Nikki Glitter strikes again!
Nikki Sudden
Während Nikki Sudden im Backstage-Raum der Kantine zu Köln noch schnell ein Blumenkohl-Zucchini Gratin schlürft, muß ich mich bemühen, nicht allzu auffällig auf seinen brokatenen (?) roten Morgenmantel zu starren. Hatte ich doch jüngst in den entsprechenden Rezensionen noch gescherzt, der Mann möge doch endlich mal eine seiner Platten konsequenterweise "Morgenmantel" nennen. Immerhin heißt seine neue Scheibe ja bereits "Red Brocade". Ich konnte ja nicht ahnen, wie unfreiwillig nahe ich da gelegen hatte.
"Also die Sache ist die", meint Nikki, während er irritierenderweise zum Mineralwasser greift, obwohl der Kühlschrank mit Alkoholika noch gut gefüllt ist, "da traf ich bei einem Konzert dieses Mädchen..." Nun. Zugegebenermaßen beginnen so eigentlich alle Nikki Sudden Stories. Doch diesmal ging's ja um den Mantel:

"Wir kamen uns irgendwie näher und eines führte zum anderen. Und dann fragte sie mich irgendwann, ob sie nicht diesen roten Brokatmantel haben könnte. Es ist der, der auf dem Cover abgebildet ist, nicht der, den ich jetzt trage. Ich meinte dann: 'Hey, wenn Du den Mantel haben willst, mußt Du mich auch nehmen'. Das endete dann zunächst damit, daß ich meinen Mantel behielt. Schließlich lernten wir uns dann aber ein bißchen besser kennen - inzwischen hatte sie einen anderen Typen - und schließlich schenkte ich ihr dann doch den Mantel. Ach ja, der Grund, warum auf dem Cover außer dem Mantel noch ein Betonklotz zu sehen ist, ist der, daß sie meinte, ich sei immer so spröde."

Faszinierend. Nicht nur die heitere Gelassenheit, mit der Nikki von seinen amourösen Verwicklungen seiner Kleidungsstücke zu berichten weiß, sondern auch die Tatsache, das zum Thema einer Platte zu machen. Musikalisch spielt sich alles auf dem gewohnten Terrain ab. (Die Jakobites sind nach wie vor nicht tot. Es geht vielmehr darum, die gemeinsamen Stammtisch-Termine von Dave Kusworth und Nikki Sudden zu koordinieren). Allerdings klingt's diesmal ein bißchen mehr als Glam-Rock wie sonst.

Nikki Sudden
"Findest Du?" zweifelt der Meister, "Meine Platten sollen doch sowieso immer klingen, als seien sie in den 70's aufgenommen... Du kannst Perfektion nicht überbieten. Ich bin in den 70's aufgewachsen. Das war so eine spannende Zeit. Da gab's jede Woche interessante neue Scheiben. In den 80ern wurde dann alles total steril und heutzutage - na ja. In England gibt's derzeit nur zwei gute Bands. Das sind Primal Scream und Oasis - wobei mit denen im Augenblick auch nichts weiter los ist. Wenn Du also den Sound der Platte auf diese Periode beziehst, dann klingt's meinetwegen nach Glam Rock. "

Mit der Frage, ob der Meister denn "Velvet Goldmine" gesehen habe, trete ich eine Art Lawine los.

"Ja habe ich. Ich fand ihn aber nicht besonders gut. Die versuchten doch, Dir die Idee zu verkaufen, daß alle Glam-Rocker schwul waren. Das war aber nicht der Fall. Die waren alle sehr stark heterosexuell und kokettierten nur mit diesem androgynen Image. Alleine die Idee, daß es David Bowie und Iggy Pop getrieben haben sollen ist lächerlich. Und dann diese Musikauswahl. Wie kann man in einem Film über Glam-Rock jemanden "Sebastian" von Cockney Rebel singen lassen? Das ist doch Blödsinn! Die haben die ganzen guten Sachen rausgelassen - T-Rex, Slade, Gary Glitter usw. Da hätten sie lieber mich den Soundtrack machen lassen sollen. Ich hätte mir eine Woche lang T-Rex angehört - das ist eh eine meiner Lieblingsbands - und dann hätte ich Songs im Stile von T-Rex geschrieben. So hätte ich es gemacht. Was macht es denn für einen Sinn, wenn Elastica und Teenage Fan Club die New York Dolls covern? Die Original-Aufnahmen waren soviel besser als die Cover. Ich denke, es hing damit zusammen, daß Michael Stipe da involviert war. Denn Michael Stipe hat nun wirklich keine Ahnung von Musik, das weiß ich ganz genau!"

Äh ja - was war denn sonst noch anders bei der neuen Scheibe (Nikki's neuer Scheibe, meine ich)?

"Was für mich der Unterschied war, ist, daß wir diese Scheibe total anders aufgenommen haben als sonst", holt Nikki aus, "zunächst mal waren die Texte verschwunden. Ich hatte diese von England nach USA geschickt, wo wir die Platte aufnahmen. Dort kamen sie aber nie an. Da mußte ich schnell neue Texte schreiben, woraus dann z.T. auch ganz neue Stücke wurden. Das war aber kein so großes Problem. Dann waren wir in diesem billigen kleinen Studio in Hoboken, New Jersey, wo sich die Nachbarn immer gleich beschwerten, wenn wir Schlagzeug spielten. Da mußte alles sehr schnell gehen. Wir haben die Tracks zunächst mal mit mir und akustischer Gitarre aufgenommen. Dann wurde die akustische Gitarre gelöscht und durch den Rest ersetzt. So habe ich vorher noch nie gearbeitet und ich wundere mich, daß es funktioniert hat. Jetzt finde ich, daß die Sache sehr gut klingt, aber das nur, weil wir die Songs in England remixed haben."

Was hat denn Jeff Tweedy von Wilco auf der Scheibe zu suchen?

"Oh, ich habe Jeff auf einem Solo-Konzert gesehen und da hat er ganz ausgezeichnet Mundharmonika gespielt. Da habe ich ihn gefragt, ob er vielleicht auf meiner Scheibe spielen wolle. Der Produzent meinte dann, es sei doch vielleicht eine gute Idee, ein Duett daraus zu machen. Ich habe dann ein paar Lyrics umgeschrieben und wir haben es einfach gemacht. Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Das einzige Problem ist, daß ich keine einzige Platte von Wilco kenne. Jedes Mal wenn ich Jeff treffe, verspricht er mir, mir eine zu geben und vergißt es dann gleich wieder."

Nikki Sudden
Die Idee mit dem Duett könnte Wege für die Zukunft aufzeigen. Nikki's derzeitige Support Band heißen The Chamber Strings und kommen aus den USA. Sie könnten aber auch The Nikki Sudden Support Band heißen und aus England kommen. Jedenfalls klingen sie so dermaßen wie der Meister selbst, daß selbst ausgebuffte Spezialisten sich fragten, ob der Mann im Brokat nun bereits auf der Bühne stand oder nicht. Von dort sind also musikalische Impulse nicht zu erwarten. Wie soll es denn weitergehen?

"Oh, ich werde erstmal mit der Platte touren. Auch in den USA, denn da erscheint sie auch demnächst. Dann gibt's wieder mal die üblichen Solo-Gigs. Dann werde ich wohl mal nach Japan gehen, denn da sind die Swell Maps (die Band, die Nikki mit seinem inzwischen verstorbenen Bruder Epic Soundtracks in den 70's begründete) z.Z. ganz hip. Und dann habe ich auch schon wieder Stücke für eine neue Platte fertig. Weißt Du, ich spiele mit dem Gedanken, sie "Glam Rock" zu nennen - einfach deswegen, weil es noch keine Scheibe dieses Namens gegeben hat..."

Das kann ja heiter werden. Nun, Nikki hat die Begeisterung für sein Tun nach wie vor nicht verloren (gleichwohl er auffallend viel Mineralwasser trank). Auch die Bestrebungen, Mick Jagger oder Keith Richards sein zu wollen sind noch nicht vergessen (aber vorher möchte er sie erst mal treffen - wenn die Stones in Köln spielen, ist er dabei) ebenso ist Nikki nach wie vor ein großer Bob Dylan Fan. Darüberhinaus hat Mr. Sudden eine einfache Erklärung für den nach wie vor ungebrochenen Schaffensdrang. "Ich denke", sinniert er, "daß ich mit zunehmendem Alter einfach immer besser werde." Das lassen wir mal unkommentiert stehen.

Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Nikki Sudden
Aktueller Tonträger:
Red Brocade
(Glitterhouse)

 
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