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NIELS FREVERT
 
Wo sich andere nicht hintrauen
Niels Frevert
Mit seinem großartigen letzten Album, "Du kannst mich an der Ecke rauslassen", hatte Niels Frevert den Indierock endgültig aus seiner Musik gestrichen, nun verbannt er auch noch die kryptischen Innenansichten aus seinen Texten. Auf "Zettel auf dem Boden", seiner vierten Platte als Solist, präsentiert sich der Hamburger Musiker als sensibler Geschichtenerzähler, der trotz eines gewissen melancholischen Grundtenors auch mit seinem Gespür für feinsinnigen Humor zu begeistern weiß. Das im Vergleich zum letzten Album weiter reduzierte Tempo trägt dieser Entwicklung auch musikalisch Rechnung, vor allem Klavier und Streicher sorgen für intensive Momente, denn hier ist nicht der Protagonist an Gesang und Gitarre, sondern das exzellente Ensemble der Star.
Doch woher kommt die Idee, den Musikern mehr Platz zu gewähren? "Das ist aus der Idee heraus entstanden, dass ich die Gitarre dieses Mal sparsamer einsetzen wollte. Zum einen, weil sie in der Vergangenheit eine so prominente Rolle gespielt hat, zum anderen, weil ich das Glück habe, mit Musikern zusammen zu spielen, die auf ihrem Gebiet richtig gut sind", erklärt Niels beim Treffen mit Gaesteliste.de im Kölner Café Central Ende September. Ein anderer Grund liegt auf der Hand: Nachdem ihm mit "Du kannst mich an der Ecke rauslassen" ein Meisterwerk gelungen war, galt es, den erfolgreich eingeschlagenen Pfad nicht gleich wieder zu verlassen, ohne sich aber ausschließlich nur zu wiederholen. "Ich wusste, ich kann nicht noch einmal eine Platte wie die 'Ecke' machen", bestätigt er. "Das hätte man versuchen können, aber ich hätte darauf gewettet, dass das schiefgeht. Das heißt, wir wollten weiter gehen, eine Stufe höher schalten. Das heißt, wir machen ein bisschen weiter auf, werden in der Instrumentierung vielleicht noch etwas vielfältiger, aber ohne durchzudrehen, ohne zu polieren, denn die Platte ist noch akustischer als beim letzten Mal, überall kommt das Klavier drin vor. Es ist alles etwas bewusster gemacht, denn bei der 'Ecke' war ja vieles Neuland für uns, das hat eine Unschuld, das kannst du gar nicht wiederholen. Letztes Mal fand ich mich zupfend an der Gitarre wieder und dachte mir: 'Oh Gott, wie geht das denn überhaupt?' Jetzt habe ich ein paar Tourneen mit zupfender Gitarre gespielt, und natürlich verändert das die Herangehensweise. Die Band hat sich gefreut, weil ich dieses Mal gleich mitspielen konnte, ohne dass sie auf mich warten musste: 'Ach, du kannst das jetzt ja, das ist ja angenehm!' Beim letzten Mal hatte ich noch ziemlich im Nebel gestochert und wir mussten ein paar Sachen öfter spielen."

Dass Niels vielleicht zum ersten Mal in seiner Solokarriere mit zwei Platten einen musikalisch ähnlichen Ansatz verfolgt, mag ein Grund dafür sein, dass dieses Mal nicht fünf oder sechs Jahre zwischen zwei Alben des Hamburgers verstrichen. Dass ihm die Erfahrung aus inzwischen mehr als zwei Jahrzehnten heute hilft, beim Songwriting schneller das gewünschte Ziel zu erreichen, glaubt er allerdings nur bedingt: "Ich denke, Erfahrung hilft mir, den Song umzusetzen, wenn er fertig geschrieben ist. Beim Schreiben selbst glaube ich aber nicht, dass Erfahrung hilft. Da geht es immer noch um den Moment, in dem einem diese eine Idee zugeflogen kommt, wenn man zweieinhalb Zeilen Text und vielleicht auch schon eine Melodie dazu hat - das ist der Moment, in dem ein Song geboren wird. Das kann man auch mit Erfahrung nicht steuern. Auch zwischen der letzten und der neuen Platte ist es mir wieder so gegangen, dass mir ein paar Wochen oder Monate nichts eingefallen ist und ich dachte, dass ich nie wieder ein Lied schreiben kann. Das kommt schrecklicherweise immer wieder um der um die Ecke."

Geholfen, längere Schreibblockaden zu vermeiden, hat sicherlich auch die neue Perspektive, die Niels bei den Texten von "Zettel auf dem Boden" einnimmt. "Da gab es einfach Geschichten, die erzählt werden sollten, irgendetwas schlummerte da in mir", verrät er. "Ich hab auch schon einige Menschen getroffen, die etwas skeptisch meinten: 'Die Bilder, die du so malst, sind ja auch immer sehr schön', aber man entwickelt sich ja auch weiter. Das ist jetzt wohl gerade meine Geschichtenphase, und diese Geschichten mussten erzählt werden, jede einzelne." Ganz abgesehen davon finden sich auch in den Geschichten, die Niels dieses Mal erzählt, jede Menge wunderbarer Zeilen, die so wohl sonst niemand in Deutschland schreibt. Er geht dorthin, wo sich die anderen nicht hintrauen. Das sieht auch der Autor selbst so: "Ich sehe weit und breit niemanden, der das Feld bestellt, auf dem wir uns bewegen, zumindest nicht auf eine alternative, auf eine ungewöhnliche Art und Weise." Da passt es, dass die einzige Coverversion des Albums von Herman Van Veen stammt. Oder war Niels etwa vor 25 Jahren schon ein heimlicher Bewunderer des holländischen Liedermachers? "Um Gottes willen, den hab ich damals verachtet! Als Heranwachsender und Vorstadt-Punk konnte ich damit gar nichts anfangen. Das war Musik für Lehrer! Es ist auch nicht so, dass ich den Mann heute vergöttere. Ich respektiere ihn, ich war auf Konzerten von ihm - da war ich auch alleine, keiner wollte mitkommen -, und ich habe dort jemanden gesehen, der wirklich Ausstrahlung hat und etwas Gutes verfolgt. Deshalb habe ich es als Herausforderung empfunden, mal ein Lied von ihm zu interpretieren. Ich wollte einfach wissen, wie ein Song von ihm ohne das rollende holländische R wohl klingt!"

Niels Frevert
Während nostalgische Gefühle bei der Wahl der Coverversion keine Rolle spielten, lässt die kommende Gastspielreise, vor allem an das abschließende Konzert in der Zeche Carl in Essen eine Woche vor Weihnachten, Niels dagegen sehr wohl an alte Zeiten denken. "Der Club ist für mich etwas Besonderes. Ich habe ihn in sehr guter Erinnerung, mit allem Drum und Dran", erzählt er. "Ich mag die Gegend ja eh, und deshalb passt es sehr gut, dass das Abschlusskonzert dort stattfindet. Wir werden dann total runtergerockt sein, weil wir am Abend vorher in Wien spielen. Die Tour ist ansonsten super, aber das wird ein Höllenritt. Wir haben uns ehrlich gesagt noch nicht genau überlegt, wie wir das hinkriegen wollen, aber da es ja das Ende der Tour ist, kann man sich noch einmal motivieren, sich zusammenzureißen und alles zu geben!"

Die im Dezember anstehenden Konzerte bestreitet Niels mit Band, in der Vergangenheit waren Folgetourneen aber zumeist solo. Das verspricht für 2012 spannende Auftritte, denn wirklich einfach dürften die neuen Songs alleine nicht zu spielen sein. "Ja, das stimmt!", bestätigt er und fügt lachend hinzu: "Das ist blöd, dass du das jetzt schon ansprichst, das passt mir gar nicht. Du hast natürlich recht. Auch das ist ein Gedanke, der in mir schlummert. Das heißt zunächst einmal: Niels, setz dich dieses Mal noch ein bisschen früher hin, wenn du für die Solotour probst, und lass dir was einfallen. Das kann aber auch bedeuten, dass es keine Solotourneen mehr geben wird, sondern nur noch eine Duo-Tour oder so etwas in der Art. Allerdings hab ich ja nun vier Platten, das heißt, ich muss nicht mehr jedes Lied von jedem Album spielen, aber ja, wenn ich die neuen Songs allein spielen wollte, müsste ich mir schon ein bisschen was einfallen lassen. Da kannst du dann mal kommen und gucken, wie ich auf die Schnauze fliege!"

Weitere Infos:
www.nielsfrevert.net
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Dennis Dirksen-
Niels Frevert
Aktueller Tonträger:
Zettel auf dem Boden
(Tapete Records/Indigo)
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