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OLIVIA PEDROLI
 
Emilys geistige Schwester
Olivia Pedroli
Die Schweizerin Olivia Pedroli ist in ihrer Heimat keine Unbekannte mehr: Bereits 2005 brachte sie - damals noch unter dem Künstlernamen Lole - ihr erstes Album, "The Smell Of Wait", heraus, das weiland von ihrem Entdecker, Simon Gerber, produziert wurde, der heute als Musiker in der Band von Sophie Hunger spielt. Es bleibt also quasi "alles in der Familie". Auch die zweite Lole-Scheibe, "Sugar And Dry", wurde von Gerber betreut. Damals spielte Olivia - die 13 Jahre an einem Musikkonservatorium studierte, bevor sie nach einer Studienreise über alle Kontinente begann, eigene Stücke zu komponieren - noch eher klassisch geprägte Folk-Musik. Das änderte sich erst, als sie den isländischen Produzenten Valgeir Sigurdsson traf, der durch seine Arbeiten für Coco Rosie, Bonnie Prince Billy, Camille, Ane Brun und besonders Björk bereits eine enorme Reputation besaß. Beflügelt von dessen Input, beschloss Olivia, ein neues Kapitel aufzuschlagen und zusammen mit Valgeir in Island neue musikalische Wege zu gehen. Das Ergebnis ist das Album "The Den" (was im Prinzip ein Tierbau - etwa die Höhle des Löwen - ist), das so radikal neu geriet, dass sie beschloss, es unter ihrem richtigen Namen zu veröffentlichen.
Auf diesem neuen Album gibt es Soundlandschaften zu hören - mit akustischer Gitarre, Stimmen, Streichern, Bläsern und Elektronik präpariert -, die es in dieser Kombination wahrlich noch nicht zu hören gab. War das der Grund, warum Olivia sich Valgeir Sigurdsson als kreativen Partner aussuchte? "Ja - ich kannte ihn natürlich schon, bevor ich ihn traf", bestätigt sie, "ich mag zum Beispiel seine Arbeiten für Ane Brun sehr. Er hat ein Label namens Bedroom Community, auf dem viele Künstler versammelt sind, die wie ich zu denken scheinen. Ich fragte einen Freund von Ane Brun nach seiner Adresse und kontaktierte ihn. Er war interessiert und wir trafen uns in Island und beschlossen, etwas zusammen zu machen. Er sollte der Produzent sein - ich wollte aber involviert bleiben." Das Ergebnis ist zweifelsohne sehr schön - es ist aber auch ziemlich komplex und vielschichtig. War das beim Schreiben der Songs vorab schon ein Thema? "Okay - was ich immer mache, ist die Musik zuerst zu schreiben", verrät Olivia, "ich spiele irgendetwas auf dem Klavier oder der Gitarre. Wenn ich dann weiß, dass ein Song mit Gitarre, Klavier und Stimme funktioniert, mache ich mir Gedanken über die Arrangements. Was ich aber dieses Mal wollte, war ein Sound für die ganze Scheibe, das ganze Projekt. Eine eigene Welt, ein eigenes Universum, das alle Songs einschloss. Ich hatte alle Songs schon fertig, als ich nach Island ging - aber ich kam drei Wochen vor den Aufnahmen an und beschäftigte mich dann mit den Songs, lotete sie aus und dachte mir Möglichkeiten für andere Instrumente aus. Diese Vorschläge nutzten wir dann im Studio. Ich wusste also ziemlich genau, was ich wollte - wusste aber nicht, wie ich es erreichen könnte. So kenne ich mich zum Beispiel mit Elektronik gar nicht aus - wusste aber, dass ich elektronische Elemente haben wollte. Das zu erreichen, war dann Valgeirs Arbeit. Wir haben zum Beispiel viele akustische Instrumente aufgenommen, die dann nachher präpariert und mit Effekten versehen wurden. Es war also ein Mix von verschiedenen Ideen, eine gute Vorbereitung und viele kompetente Leute, die wussten, was sie taten, die zusammen das Ergebnis ermöglichten."

Hat es dabei eine Rolle gespielt, in Island aufzunehmen? "Nun, in Island zu sein war natürlich ganz schön, weil ich dort immer schon mal hin wollte. Aber ich denke, dass eher die Leute, mit denen ich zusammenarbeitete, die Musik bestimmten und nicht der Umstand, an einem bestimmten Ort zu sein. Die meisten dieser Leute waren aber Isländer und insofern hat Island natürlich schon eine Auswirkung. Ich lasse mich gerne von meiner Umgebung beeinflussen - das muss aber nicht Island sein, sondern das kann genauso gut die Schweiz sein." Liegt dort auch die im Titel besungene Höhle? Oder ist das bloß eine Metapher? "Hahahaha", lacht Olivia, "ich denke, dass es sich dabei eher um eine innere Höhle handelt. Das ist der Ort, an den ich mich zurückziehen kann und das ist der Ort, von dem die Musik kommt. Es ist mir wirklich wichtig, dass ich die Leute, die meine Musik hören, irgendwohin einladen kann. Einen Ort, von dem aus sie ihre eigene Reise beginnen können. Bei meinen anderen beiden Alben wählte ich den Titel immer aus einer Zeile meiner Texte aus. Dieses Mal wollte ich etwas anderes - einen Titel, der das Album zusammenhielt. Ich weiß gar nicht, woher der Begriff 'The Den' stammte - es ist aber derjenige, der es am besten trifft: Ein Ort, an dem es nicht viel Platz für Bewegungen gibt, aber viel Platz für die Vorstellungskraft. Man kann von dort hingehen, wohin man gehen möchte."

Das thematisiert Olivia zum Beispiel in ihrem Song "Stay", in dem sie davon singt, dass die Protagonistin sich in ihrem eigenen Kopf verliert. Olivias Texte sind im allgemeinen interne Dialoge, in denen sie ihre Gedanken sortiert, nicht wahr? "Ja, das stimmt - das ist interessant, dass du das sagst, denn das ist noch gar nicht vielen aufgefallen. Es ist aber wahr: Ich versuche für gewöhnlich einen Dialog aufzubauen. Entweder einen internen oder einen, der an jemanden gerichtet ist. Das, was ich daran mag, ist dass das nicht besonders eindeutig, sondern eher ein wenig ambivalent ist und Deutungen zulässt. Jedes Mal, wenn ich also den Song singen kann, kann ich diesen an einem anderen Ort an jemand anderen richten. Die Worte müssen dabei so eindeutig sein, dass man sie verstehen, aber so offen, dass man sie auch interpretieren kann. So kann man verschiedene Emotionen ansprechen. Es braucht jeweils eine sehr lange Zeit, bis ich mit meinen Texten zufrieden bin. Denn sie müssen ja auch klanglich zur Musik passen." Wie schreibt man denn solche Texte? "Ich beginne immer mit einem bestimmten Gefühl, einem Kerngedanken, einem Wort", führt Olivia aus, "und suche nach einem Klang, den ich auch gerne singen möchte, denn die Stimme ist für mich ein eigenes Instrument. Ich bemühe mich dann meine Stimme dazu zu nutzen, zu versuchen, auszudrücken, was ich sagen möchte - zum Beispiel, indem ich ein Vibrato einsetze oder nicht, in der Art wie ich Klänge betone oder Worte dehne. Es geht also um die Verbindung von Klang und Inhalt." Das hört sich ja an, als versuche Olivia mit ihrer Stimme zu malen? "Das ist lustig, dass du das sagst, denn als ich vor drei Wochen in New York Urlaub machte, besuchte ich ein Marathon-Konzert für Minimalmusik. Ich saß dort fünf Stunden und hörte mir die Musik an, bei der sich ein Act mit dem anderen vermischte und ineinander überging. Die meiste Zeit saß ich mit geschlossenen Augen da und ließ mich treiben. Da sah ich tatsächlich Bilder vor meinem geistigen Auge und stellte mir vor, dass die Musiker versuchten, mit ihrer Musik zu malen. Das wurde mir damals bewusst und das ist das, was ich auch machen wollte. Es gibt also zu meiner Musik für gewöhnlich ein Bild in meinem Kopf, das ich mit meiner Musik zu beschreiben versuche."
Olivia Pedroli
Was bedeutet Emily Dickinson für Olivia Pedroli? Der längste Song des Albums heißt "Silent Emily" und enthält die Zeile eines Gedichtes von Emily Dickinson. "Emily Dickinson ist eine großartige Dichterin, deren Werk ich sehr liebe", führt Olivia aus, "ich weiß nicht, ob du ihre Geschichte kennst, aber sie verließ praktisch nie ihr Haus, weil sie Probleme mit den Augen hatte. Sie hat also all diese Gedichte für sich selbst geschrieben und außer vielleicht ein paar Vertrauten niemandem gezeigt. Die Gedichte entstanden im 19. Jahrhundert - aber wenn man sie heute liest, passen sie gut zu dem, was heute passiert. Ich will ihr Leben nicht mit meinem vergleichen, aber der Gedanke, etwas für sich, alleine zu erschaffen, eine eigene Welt zu erschaffen, diese wachsen zu lassen, ist schon faszinierend. Als ich den Song 'Silent Emily' schrieb, wusste ich also, dass ich da etwas hatte, auf dem ich aufbauen konnte." Kann sich Olivia Pedroli vorstellen, wohin sie musikalisch in Zukunft gehen möchte? "Ich versuche immer es so zu nehmen, wie es kommt. Aber wenn ich mit etwas fertig bin, versuche ich auch immer, einen Schritt zurückzutreten und meine Musik aus der Distanz zu sehen. Dieses Mal dachte ich mir z.B., dass diese Art von Musik mit Bildern gut funktionieren könnte. Das ist sowieso etwas, was ich gerne machen wollte - also Musik für Filme zu schreiben. Tatsächlich erhielt ich kurz darauf Anrufe von verschiedenen Leuten, die mich baten, Projektmusik zu schreiben. Das ist das, was ich momentan mache. Es sind Auftragsarbeiten für das Theater, ein Dokumentarfilm über Sumo-Ringer und eine Arbeit für das Radio. Was ich aber zukünftig gerne machen würde, ist, einen Schritt weiterzugehen und einen Weg zu finden, Instrumentalmusik mit der Sensibilität von Stimmen zu schreiben. Also wie für eine Stimme zu schreiben, aber mit Instrumenten. Ich weiß nicht, ob mir das gelingt, aber das wäre etwas, was mich reizte. Etwas in der Art habe ich mit 'Silent Emily' ansatzweise bereits probiert. Das ist der Grund, warum das Ende mit dem Cello rein instrumental ist. Mal sehen, wie sich das entwickelt." Angesichts dessen, was Olivia bereits mit "The Den" erreicht hat, wäre dieser Schritt sicherlich gar nicht so unwahrscheinlich. Bis dahin hat der Zuhörer erst mal die Möglichkeit, die besagte Höhle zu ergründen.
Weitere Infos:
www.oliviapedroli.com
www.myspace.com/olivia-pedroli
vimeo.com/oliviapedroli
www.facebook.com/oliviapedroli
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Olivia Pedroli
Aktueller Tonträger:
The Den
(Global/Rough Trade)
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