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GRANT HART
 
Alte Schule
Grant Hart
Als Schlagzeuger, Sänger und Songschreiber von Hüsker Dü darf sich der inzwischen 49-jährige Grant Hart heute als Urvater von so ziemlich allem fühlen, was den Stempel "Alternative Rock" trägt. Die Pixies und Nirvana haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass das Trio aus Minneapolis eine wichtige Inspiration für sie war, später coverten Bands wie Therapy? oder Gravenhurst Harts Stücke, The Posies schrieben eine simpel "Grant Hart" betitelte Song-Hommage, bei Patti Smith und den Foo Fighters tauchte der kleine Amerikaner mit der großen Stimme als Gastmusiker auf. Doch obwohl Hart Anfang der 90er-Jahre - solo und mit seiner 1995 auseinandergebrochenen Band Nova Mob - Dauergast auf deutschen Bühnen war, stellten seine Konzerte im November und Dezember dieses Jahres seinen ersten Abstecher in unsere Breiten seit 15 Jahren dar. Im Gepäck hatte er dabei sein hierzulande ziemlich untergegangenes 2009er-Comebackalbum "Hot Wax" und die unlängst beim deutschen Hazelwood-Label erschienene Compilation "Oeuvrevue", die sämtliche Raritäten der Hart'schen Solokarriere nebst einigen ausgewählten Hits versammelt.
Bei unserem Treffen vor seinem phänomenalen Auftritt im Münsteraner Gleis 22 wirkt Hart zwar körperlich ausgebrannt - seine langjähriger Drogenkonsum hat deutliche Spuren hinterlassen -, präsentiert sich gleichzeitig aber als gut gelaunter, äußerst sympathischer Kauz, der Mobiltelefone und Computer ablehnt und auch ansonsten herrlich old-fashioned ist. Die Hüsker-Dü-Reunion, auf die immer noch viele alte Anhänger der Band hoffen, wird es zwar nicht geben, dafür verspricht Hart am Ende unseres Gesprächs allerdings, dass es nicht wieder 15 Jahre dauern wird, bis er das nächste Mal auf deutschen Bühnen stehen wird.
GL.de: Diese erste Frage muss erlaubt sein: Wo zur Hölle hast du gesteckt?

Grant Hart: Die generellen Schwierigkeiten im Musikbusiness haben dazu geführt, dass ich eine Weile praktisch für umsonst hätte arbeiten müssen. Deshalb entschied ich, unbezahlt lieber zu Hause zu arbeiten, anstatt mir auch noch die Kosten für die Herumreiserei aufzuhalsen. Ich habe die Zeit mit verschiedenen Studien verbracht und mich - mit der Hilfe zweier Menschen, die ein wichtiger Teil meines Lebens wurden - auf dem Feld der Collage betätigt und dort auch einen künstlerischen Durchbruch erlebt. Außerdem haben die Aufnahmen für "Hot Wax" viele, viele Monate verschlungen. Alles fing völlig problemlos an, aber als das Album halb fertig war, mussten wir jeden einzelnen Studiotag sechs Monate im Voraus buchen, weil das Studio plötzlich so populär geworden war. Dann zog das Studio um, und obwohl geplant war, dass es nur eine kurze Zeit geschlossen sein würde, zog sich das Ganze sehr viel länger hin. 2006 habe ich dann außerdem begonnen, John Miltons "Paradise Lost" ins Popmusik-Format zu übertragen. Zu dem Zeitpunkt war "Hot Wax" halb fertig, und letztlich stellte es sich für mich als Desaster heraus, an beiden Dingen parallel zu arbeiten, da ich all meine Leidenschaft in das nächste, anstatt in das noch unfertige letzte Projekt steckte. In gewisser Weise ist das natürlich immer der Fall, denn ich schreibe nicht im Studio. Wenn das Band läuft, solltest du mit deinen Experimenten fertig sein!

GL.de: Was lernst du daraus für die Zukunft? In den 80ern bist du dem Problem aus dem Weg gegangen, indem du alle sechs Monate anstatt alle fünf bis zehn Jahre eine Platte veröffentlicht hast.

Grant Hart: Ich habe gelernt, bei meinen Projekten Prioritäten zu setzen und meine Zeit sinnvoller zu nutzen. Bei Hüsker Dü gab es zwei Songschreiber, also benötigten wir weniger Zeit, außerdem waren wir ambitionierter. Bob [Mould] und ich haben uns zwar nie im Wettbewerb gesehen, was aber nicht heißt, dass er nicht trotzdem vorhanden war.

GL.de: Wenn du auf deine letzten Europatourneen 1994 und 1995 zurückblickst und sie mit deiner aktuellen Gastspielreise vergleichst - worin besteht der größte Unterschied, mal abgesehen davon, dass die Veranstalter heute eine Mobilnummer als Kontakt verlangen?

Grant Hart: Die Dinge waren früher etwas entspannter. Wenn jemand sich ankündigte, um ein Konzert zu spielen, bedeutete dies, dass der Veranstalter dies als Signal verstand, dass der Künstler motiviert war, aufzulaufen und die Show zu spielen. Heutzutage kriegst du sofort einen Anruf, wenn du dich ein bisschen verspätest - vielleicht liegt es auch einfach daran, dass es heute die Möglichkeit gibt, diesen Anruf zu tätigen. Es scheint mir allerdings so, dass heute vielen Leuten die Maschinerie wichtiger geworden ist. Sie schenken der Maschinerie mehr Vertrauen als den Menschen. Auf dieser Tournee habe ich deshalb ein Mobiltelefon dabei, damit ich erreichbar bin. Ich selbst habe es aber nur zweimal benutzt, um jemanden zu erreichen. Einen Laptop habe ich nicht dabei. Zu Hause schaue ich vielleicht einmal die Woche in meine E-Mails. Die Leute, mit denen ich Geschäfte mache, wissen allerdings, dass dem so ist, und sie wissen auch, dass ich ein echtes Gespräch einer E-Mail vorziehe. Du weißt, was jemand denkt, wenn du seine Stimme hörst, und du hast auch nicht die Chance, etwas zu sagen und es dann wieder umzuformulieren, wie das bei einer E-Mail der Fall ist. Ein Gespräch ist deshalb viel ehrlicher. Trotzdem würde ich nicht sagen, dass ich gegen moderne Technik bin. Sie ist mir einfach gleichgültig. Gerade die jüngeren Leute sind heutzutage unglaublich abhängig von der Technik. Heute gibt es 16-Jährige, die Süßigkeiten oder andere Kleingeld-Artikel mit der Kreditkarte bezahlen. Das würde mir nicht im Traum einfallen! Aber irgendwo gibt es einen großen Hebel, den man nur umlegen muss, um all das lahmzulegen. Ich bin froh, dass ich noch funktionieren werde, wenn das passieren sollte.

GL.de: Bedeutet dies, dass du auch in puncto Aufnahmetechnik immer noch die althergebrachten Methoden bevorzugst?

Grant Hart: Zu Hause nehme ich meine Demos mit zwei herkömmlichen Tischkassettenrecordern auf. Wenn ich Overdubs machen will, lege ich die Aufnahme in ein wirklich gutes Tapedeck und spiele zur ersten Aufnahme. Diese Heimdemos helfen mir in erster Linie beim Komponieren, wenn ich mir Basslinien oder Gegenmelodien oder Ähnliches ausdenke. Außerdem hilft es mir auch, eine Aufnahme der Musik zu haben, wenn ich Texte schreibe. Im Studio benutze ich 2-Inch-24-Spur-Analog-Bänder. Der Rest sind gute Mikrofone und eine gute Platzierung der Instrumente im Raum. Es geht um die Kombination aus neuem Wissen, das du aus Experimenten ziehst, und der Anwendung dessen, was du bereits weißt. Mit den digitalen Innovationen ist es doch so: Die wenigsten davon helfen dir, ein besserer Musiker zu werden. Die helfen höchstens fürchterlichen Musikern dabei, besser zu klingen. Für mich bedeutet das keinen Fortschritt, das ist einfach falsch.

GL.de: Weil du gerade die Overdubs erwähnt hast: Hat sich deine Art des Songwritings verändert, seitdem du weißt, dass du die Songs später vermutlich nicht mit einer Band, sondern solo und somit ohne Basslinie oder Gegenmelodie bei deinen Konzerten spielen wirst?

Grant Hart: Oh, das ist eine tolle Frage! So unrealistisch das vielleicht auch klingt: Ich denke nicht, dass ich bei der Produktion der Songs an die spätere Aufführung denke - höchstens im Unterbewusstsein. Man muss immer offen für glückliche Zufälle sein. In diesen magischen Momenten merkst du, wie sich die Dinge zusammenfügen, wie dein Bewusstsein und dein Unterbewusstsein im Team arbeiten. Manchmal ist die erste Inspiration für einen Song nicht mehr als der Refrain oder der Titel oder gar nur das Konzept. Ein anderes Mal trifft dich eine Idee für einen Song und ist sofort zu 90% da.

GL.de: Bei dem "Hot Wax"-Song "You're The Reflection Of The Moon On The Water" drängt sich der Verdacht auf, dass der Titel der Ausgangspunkt war. Stimmt's?

Grant Hart: Ja. Der Titel geht auf ein Buch zurück, "The Search For The Panchen Lama". Der Panchen Lama ist das Pendant zum Dalai Lama. Die Aufgabe des Dalai Lama ist es zu überwachen, dass der nächste Panchen Lama dem traditionellen Verfahren gemäß ausgewählt wird, was durch Druck aus dem Ausland inzwischen ziemlich schwierig ist. Über einen chinesischen Panchen-Lama-Kandidaten sagte der Dalai Lama: "He's the reflection of the moon on the water, but he's not the moon". Mann, was für eine schöne Art und Weise, das zu sagen! Zwei Strophen des Songs hatte ich sofort zusammen, aber ich benötigte noch eine Verbindung zu Licht oder Feuer. Was hat mit Feuer zu tun, geht aber auch als Illusion durch? Wäre dieser Song zu Zeiten von "New Day Rising" [dem bahnbrechenden 1985er-Album von Hüsker Dü] entstanden, wäre ich viel zu sehr in Eile gewesen, um mir darüber ausgiebig Gedanken zu machen, aber so habe ich mir ein Jahr lang den Kopf darüber zerbrochen! Zunächst dachte ich an Rauch, bis ich auf das Offensichtliche stieß: Schatten! Das war einer dieser "Heureka!"-Momente und hat mich sehr glücklich gemacht!

GL.de: Du bist in Sachen Musik in den letzten ein, zwei Jahren so aktiv wie schon lange nicht mehr. Bedeutet dies, dass du deine nicht-musikalischen Ambitionen derzeit zurückstellst, ähnlich wie es lange Zeit mit der Musik der Fall war?

Grant Hart: Die beiden Menschen, die mir bei meiner Beschäftigung mit den Collagen am meisten geholfen haben, waren beide jenseits der 80. Sie haben sich vor allem deshalb mit dem Thema so intensiv beschäftigt, weil sie zu anstrengenderen körperlichen Aktivitäten nicht mehr in der Lage waren. Als mir das bewusst wurde, habe ich beschlossen, dass das für mich besser nur eine "wintertime activity" sein sollte!

Weitere Infos:
www.granthart.com
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Foto: -Pressefreigabe-
Grant Hart
Aktueller Tonträger:
Oeuvrevue
(Hazelwood Vinyl Plastics/Rough Trade)

 
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