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YEASAYER
 
Auf der Reise ins Neue
Yeasayer
Im Jahre 2007 verblüffte eine Band aus Brooklyn mit ihrem Debütalbum "All Hour Cymbals" und im Folgenden auf ihren mitreißenden Live-Konzerten insbesondere all jene, die glaubten, alles schon gesehen bzw. gehört zu haben. Eigentlich ohne etwas ganz Neues zu erfinden schafften es Anand Wilder, Chris Keating und Ira Wolf Tuton durch das geschickte Vermengen von Stilelementen aus allen denkbaren Genres eine aufregende, eigenständige Musik zu machen, die auf mehreren Ebenen tadellos funktioniert. Alleine die Selbstdarstellung auf der MySpace-Seite der Band zeigt, dass es schwer sein dürfte, die Jungs in irgendeine Schublade zu stecken. "Visual Kei, Gospel, Showtunes" heißt es dort - nicht ganz ernst gemeint, aber auch nicht ganz falsch. Hinzu kommen noch Indie-Rock, Elektronik, Weltmusik, Funk / Disco und seit dem neuen Album "Odd Blood" auch eine Prise Soul (hauptsächlich wegen neu hinzugekommener Bläser). War das erste Album noch eine Blaupause in Sachen eingefangener Jam-Sessions, so ist das neue fast eine lupenreine Pop-Scheibe geworden. Nun - insofern als man einen musikalischen Gemischwarenhandel wie Yeasayer überhaupt als Pop-Musik akzeptieren möchte. Und das neue Album ist ziemlich kurz geraten.
"Moment mal, es ist doch gar nicht so kurz", korrigiert Gitarrist Anand Wilder sogleich, "es ist doch ca. 40 Minuten lang. Vielleicht kommt es dir nur kurz vor. Das war nämlich der Gedanke dabei. Wir haben mit einigen Songs herumgespielt und diese sitzen lassen, bevor wir sie einspielten - anders als beim ersten Album. Wir haben auch Sachen wieder rausgeschmissen. Und das Maßgebliche dabei war immer, dass uns der Song unterhalten sollte." Das macht Sinn. Was man von den Yeasayer-Live-Shows her kennt, ist ja der Umstand des umtriebigen Miteinanders, bei dem auch mal gerne traditionelle Songstrukturen und Erwartungshaltungen aufgebrochen werden. Das findet sich auch wieder auf dem neuen Album. "Wir haben das Material auch teilweise live getestet", erklärt Anand, "'Amblin Out' und 'Love Me Girl' haben wir zum Beispiel lange live gespielt, bevor wir sie aufgenommen haben. Das interessante dabei war, dass wir die Chance hatten, die Sachen vor verschiedenen Zuschauern zu testen - dem Bar-Publikum, dem Schul-Publikum, dem Festival-Publikum und Songs wie 'I Remember' und 'Rome' haben wir auch aufgrund dieser Live-Shows stark verändert. Die Energie der Live-Shows haben wir dann für die Aufnahmen genutzt." Was war denn die Hauptsache bei der neuen Scheibe? "Ich denke, wir wollten auf keinen Fall stagnieren - also etwas anderes machen, das aber dennoch auf unserer Linie lag. Ich denke auch, dass wir es geschafft haben, indem wir verschiedene neue Sounds und neue Stimmungslagen ausprobierten und Bläser hinzunahmen. Das neue Album ist rhythmischer als das erste Album - man kann besser dazu tanzen. Und wir wollten ein paar Pop-Songs und Liebeslieder aufnehmen. Für uns war es wichtig, uns weiterzuentwickeln und altes Material abzulehnen."
Wie ist denn der Songwriting-Prozess? Man kann ja Songs wie diese nicht im stillen Kämmerlein auf der Gitarre komponieren... "Es hängt von den Songs ab", führt Anand aus, "einige Songs sind entstanden, indem ich mich vor den Computer gesetzt habe und einige Dinge aufgebaut habe. Andere Ideen stammen von Ira, die er mir und Chris schickte und dann haben wir das Material bearbeitet und alle zusammen daran weitergebastelt. Schließlich haben wir uns überlegt, wie wir das ganze arrangieren könnten und haben an den Texten herumgefeilt. Während des ganzen Prozesses haben wir viel Computertechnik genutzt. Wir haben auch kleine Unfälle gerne verwendet und beim Editieren schließlich den letzten Schliff hinzugefügt." Was haben Yeasayer denn anders gemacht als auf dem letzten Album? "Nun wir sind erst seit anderthalb Jahren professionelle Musiker", räumt Anand ein, "aber wir haben doch eine Menge Künstler getroffen. Ira hat sich zum Beispiel mit einigen Musikern angefreundet, die Blasinstrumente spielen. Wir hatten zunächst versucht, das anders hinzubekommen, aber den Sound von bewegter Luft kannst du mit Synthesizern nicht realisieren. Das ist der Grund, warum wir echte Bläser verwendet haben. Sie haben auf vielen Stücken gespielt - auch solche, die es gar nicht auf die CD geschafft haben. Und dann haben wir Bläser-Sounds verlangsamt..." Was meint das denn? "Wir haben mit den Tempi experimentiert. Nicht nur, indem wir langsamer oder schneller spielten, sondern indem wir den ganzen Prozess entschleunigten. Der erste Song ist zum Beispiel komplett verlangsamt - das erklärt auch den eigenartigen Sound. Wir fanden das sehr spannend, weil du es dir als Zuhörer nicht so recht erklären kannst. Ich könnte mir vorstellen, dass die Fans den Song für sich entdecken müssen - er dann aber zu unseren Live-Favorites zählen könnte, denn es liegt eine schöne Melodie zugrunde."

Sound spielt bei Yeasayer ja sowieso eine große Rolle. Wie sieht das Anand, als Gitarrist in einer Band, die alles andere als eine Gitarrenband ist? "Ich habe mich nie als Rock-Gitarristen gesehen", meint Anand, "ganz im Gegenteil: Ich meine, dass Gitarren manchmal regelrecht einschränkend sind. Für mich ist der Gedanke, die Gitarre nicht so oft einsetzen zu müssen, geradezu befreiend. Ich arbeite auch gerne mit Samplern. Das soll aber nicht heißen, dass wir keine Gitarre verwendet haben - man erkennt sie nur nicht immer als solche. Wir haben die Gitarrensounds in speziellen Treatments versteckt. Bei Live-Shows kann man das eh nicht reproduzieren - und da spielt man die Akkorde dann halt so, wie sie sind - auf der Gitarre oder auf dem Piano. Aber wir werden auch immer besser darin, Sampler und Programme in den Live-Shows zu verwenden, ohne dass es deswegen steril und roboterhaft klingt." Geht es denn darum, neue Sounds zu erschaffen? "Ich denke schon", meint Anand, "das war auch unser Manifest beim ersten Album. Wenn ich mir das heute anhöre, dann weiß ich selbst nicht mehr, wie wir diese Sounds erzeugt haben. Das ist unsere Mission. Es geht nicht darum, spezifische Instrumente zu spielen, sondern Sounds zu erzeugen. Und da wir uns nicht wiederholen wollen, klingt dieses Mal alles anders. Natürlich gibt es auch normale akustische Instrumente, aber man kann sie nicht als solche erkennen." Wie passen denn die Texte dieses Mal da rein? Denn die Texte haben irgendwo auch ein Pop-Format. "Das ist wohl richtig", räumt Anand ein, "beim ersten Album hatten wir grandiosere, universellere Themen - die Welt, das Wetter, die Umwelt, griechische Mythologie usw. Ich denke es ging auch bei den Texten darum, dieses Mal etwas anders zu machen und wir haben uns zum Ziel gesetzt, ganz normale Liebeslieder zu schreiben. Wir wollten die Dinge auch bewusst simpel und sparsam halten. Ich weiß nicht, ob uns das gelungen ist, aber es geht eben hauptsächlich darum, uns selbst herauszufordern."

Yeasayer
Was ist denn - so gesehen - die größte Herausforderung? "Für mich ist das, mich selbst zu motivieren und etwas zu erschaffen. Wenn ich mich mal dazu durchringen kann, fällt es mir komischerweise leicht, ich habe aber immer Angst davor, damit zu beginnen. Auf Tour zu gehen und zu spielen ist einfach - aber der kreative Prozess ist schwierig." Und was ist dann umgekehrt das Befriedigendste? "Ich würde sagen, es ist wenn meine Musik von Musiker-Kollegen oder Menschen, deren Meinung ich achte, geschätzt wird. Dabei geht es mir um spezifische, konstruktive, fachliche Kritik, die Laien oder Journalisten nicht leisten könnten." Was macht - angesichts der vielen verschiedenen Bestandteile, aus denen ein Yeasayer-Stück besteht - einen guten Song aus? "Einen guten Song sollte man - meiner Meinung nach - auf die Melodie und den Inhalt runterbrechen können. Ein Stück kann ein großartiges Treatment und einen tollen Sound haben - aber wenn mit der Melodie etwas nicht stimmt, dann mag ich es nicht mehr anhören. Das, was einen guten Song, eine gute Melodie also ausmacht, ist dieses - wie soll man sagen - nicht fassbare Element, von dem man nicht so genau sagen kann, was es eigentlich ausmacht, das dich und deinen Geist aber mit auf eine Reise nimmt." In dieser Beziehung sind also auch Yeasayer nicht anders als andere Musikliebhaber. Nun - dafür schlagen sie ja diesbezüglich auf anderen Gebieten ordentlich zu. "Wir mögen es, unser Publikum herauszufordern", fügt Anand noch hinzu. Auch wenn das neue Album in gewisser Weise sogar zugänglicher ist, als das erste: Mit Yeasayer haben wir eine Band, die sich eben nicht mit der erstbesten Idee zufrieden gibt und eine, die etwas wagt und probiert. Und das ist das Ausschlaggebende!
Weitere Infos:
www.myspace.com/yeasayer
www.yeasayer.net
de.wikipedia.org/wiki/Yeasayer
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Yeasayer
Aktueller Tonträger:
Odd Blood
(Mute)
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