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ANNA TERNHEIM
 
Der innere Affe
Anna Ternheim
Das zweite Album ist ja immer das Schwierigste - darüber sind sich eigentlich alle Musiker einig. Denn für das erste hat man sein ganzes Leben Zeit und beim dritten weiß man dann so langsam, wie es geht. Nun hatte Anna Ternheim das schwierige zweite Werk aber soeben höchst erfolgreich und mit Bravour gemeistert. Trotzdem ist "Leaving On A Mayday", das neue, dritte Album, bereits so etwas wie ein Neuanfang. Unterstützt von Produzent Björn Yttling (Peter, Björn & John) kreierte Anna ein für sie neues Sound-Ambiente, in der weniger die Instrumente, als ihre Stimme und der Gesang im Zentrum standen.
"Ein neues Album ist bei mir immer eine Reaktion auf das, was nach dem letzten passiert ist", erklärt Anna diesen Prozess, "und ich wollte das neue Material etwas reduzieren, mich mehr auf die Stimme und die Texte konzentrieren und die üppigen Arrangements des letzten Albums hinter mir lassen." Ist das auch der Grund, warum Anna auf dem neuen Album mit drei Harmonie-Sängerinnen (den Schwestern Bondersson) arbeitet? "Nein, diese Idee wurde während der Aufnahmen geboren", erklärt Anna, "es ist ja so, dass eine Menge guter Dinge bei der Arbeit entstehen. Ich finde es jedenfalls sehr schwer, exakt vorauszuplanen, wie etwas genau klingen soll. Es ist eher so, dass man einen Rahmen von Ideen schafft, an denen man sich während der Arbeiten zu orientieren versucht." Was war denn dabei am Wichtigsten? "Nun, die größte Herausforderung für mich war, einen neuen Produzenten auszusuchen. Björn kannte ich schon, da wir zusammen getourt sind. Er hat mit einer Menge Künstlern zusammengearbeitet und ich mochte immer, was er aus diesen herausgekitzelt hat. Wir haben uns zusammengesetzt und er fand es auch interessant, mit weniger Elementen zu arbeiten. Wir haben uns dann entschlossen, die Songs um die Drum- und Streicherarrangements herum aufzubauen." Drummer Frederik Rundquist ist ein Jazzer, nicht wahr? "Ja, genau, der hat seine ganz eigene Sensibilität", erzählt Anna, "Björn suchte ihn aus, weil er seinen Stil mochte - nicht wissend, was er beitragen könnte. Wir haben zusammen gejammt und als wir eine gemeinsame Linie gefunden hatten, konnten wir darauf aufbauen."

Nun spielt Anna selbst auf der neuen Scheibe ja kaum selbst Instrumente. Wie wird sich das denn für die nächsten Solo-Shows aufbereiten lassen? "Nun, es ging bei mir ja immer zunächst um die Songs, nicht die Arrangements. Die Songs sollten sich selber tragen und auf dieser Scheibe ist das auch die Art, in der wir aufgenommen haben. Wenn ich diese Sachen nun also solo vortragen werde, werde ich eben Mittel und Wege finden. Ich arbeite ja gelegentlich mit Backingtracks oder so etwas. Aber für mich ging es darum, dieses Prinzip auf der Scheibe bei den Aufnahmen in den Mittelpunkt zu stellen. Es geht ja beim Live-Spielen sowieso nicht darum, das Album Ton für Ton nachzuspielen." Dabei klingen Annas Songs sehr einfach und geradlinig. Ist das schwierig, Songs in dieser Art zu schreiben? "Ich bin froh, dass du die Songs einfach findest, weil es das ist, was ich wollte", berichtet Anna, "ich suchte nach einer einfachen Art, Dinge auszudrücken. Manchmal entstehen Songs fast wie von selbst und man weiß selbst nicht, woher sie kommen. Manchmal ist es aber auch sehr schwierig und man braucht sehr lange, um zu einem Ergebnis zu kommen. Es gibt auch viele Songs, die es nicht auf die Scheibe geschafft haben. In diesem Sinne ist es nicht schwierig, die Songs zu schreiben, es ist aber schwierig zu dem Punkt zu kommen, an dem das so passiert, dass es Sinn macht." Was ist dabei denn eine Herausforderung? "Ich bin mit einer gewissen Art von Melodien und Harmonien geboren worden und ich habe meine Beschränkungen. Ich bin ja eigentlich keine professionelle Sängerin. Ich arbeite mit dem, was ich habe und such mir Leute, die mir behilflich sein können und ich versuche, das neue Material immer ein wenig anders klingen zu lassen, als das ältere. Wenn man dann fertig ist, dann ist es einfach, das Material vorzutragen und damit zu leben. Obwohl das also alles recht einfach klingt, hätte ich dieses neue Album z.B. nicht vor fünf Jahren machen können."

Anna Ternheim
Was macht einen guten Song denn dabei aus? "Also was mich betrifft, so möchte ich nicht, dass mir mein Material selbst auf den Keks geht. Ich möchte die Songs für lange Zeit spielen können. Wenn ich Musik höre, dann suche ich immer nach Dingen, die sehr direkt sind. Ich habe nämlich nicht viel Geduld, was Musik betrifft, weil ich diesbezüglich sehr emotionell bin. Musik muss mich immer irgendwie gefangen nehmen." Was war die musikalische Inspiration beim neuen Album? "Ich muss mal kurz nachdenken", zögert Anna, "ich denke aber, dass ich auf den neuen Album einfach neue Sachen ausprobiert habe und das in diesem Sinne eine Inspiration war. Es ist jedenfalls nicht zu sentimental. Das zweite Album war insofern schwieriger für mich, als das es dem ersten zu nah war. Man hat ja immer sein ganzes Leben für das erste Album. Ich war insofern von dem zweiten Album insofern enttäuscht. Deswegen habe ich bei dem dritten bei Null begonnen und mich an eine Idee gehalten. Mag sein, dass das neue Album nicht so viel beinhaltet wie das erste - das braucht es aber auch nicht. Einfach weil ich glücklich mit dem neuen bin, da es für mich kreative Freiheit bedeutet hat." Das letzte Stück der neuen Scheibe, "Black Sunday Afternoon", zu dem Björn Yttling die Musik schrieb, hat gewisse Anklänge skandinavischer Folklore. "Das stimmt", bestätigt Anna, "manchmal schreibe ich einfach Texte, für die ich zunächst keine Verwendung habe. In diesem Text ging es um verschiedene schlimme Sachen, die im Frühjahr passiert waren. Es ist ein Song über das Böse, der viele kleine Geschichten beinhaltet. Björn hatte hingegen dieses Stück Musik, das er eigentlich für ein Instrumental-Album von Peter Björn & John verwenden wollte. Das haben wir dann zusammengefügt und das hat dann ganz gut geklappt. Kollaborationen machen eigentlich immer Spaß, weil man da Kompromisse eingehen muss, auf die man alleine nicht käme. Wie du sagst, hat das Stück gewisse Anklänge an schwedische Folklore. Und das ist etwas, das ich in Zukunft gerne auch mehr verfolgen möchte, obwohl es bei dieser Scheibe noch keine große Rolle spielte. Es ist die Düsternis und die Melancholie, die mich hierbei reizt."
Anna Ternheim
Was ist eigentlich Annas persönliche Theorie darüber, warum skandinavische Musik oft zur Melancholie tendiert? "Das ist eine gute Frage", überlegt sie, "da sind zunächst mal die Klischees: Der Winter, das Wetter, die Temperatur - was alles seinen Grund hat. Bei schwedischer Pop-Musik gibt es aber auch immer viel Melodie. Ich frage mich selbst woher das alles kommt. Vielleicht hat es zu tun mit unserer Geschichte. Vor hundert Jahren war das Leben in Schweden härter. Alte Folk-Musik drückt das auch irgendwie aus. Vielleicht hat es gar auch mit der Kirche zu tun, mit der Schande, die wir alle auf unseren Schultern tragen? Ich weiß es wirklich nicht." Auf dem neuen Album spielen Matt Sweeny (Chavez, Will Oldham) und Pete Shelley (Sonic Youth) mit. Wie kam das denn zustande? "Eigentlich nur deshalb, weil wir alle in New York leben", erzählt Anna, "es ist im Studio entstanden und da Björn schon mal mit Steve zusammen gearbeitet hat, war das schnell ausgemacht." Wie ihre skandinavischen Kollegen auch, bevorzugt Anna in ihren Texten auch eher melancholische Themen. Ist das alles persönlich oder ist das eine Technik? "Nun, es geht immer darum, Dinge aus einer bestimmten Perspektive zu sehen. Das müssen nicht unbedingt eigene Erlebnisse sein, sondern es kann auch etwas sein, was du beobachtest. Es geht immer eher um die großen und kleinen Dinge, die man verwenden kann - so lange sie nur bestimmte starke Emotionen enthalten. Es ist dies aber weniger eine Technik als einfach die Bereitschaft für alles offen zu sein und Dinge passieren zu lassen. Man muss einfach etwas daraus machen. Ich bin dabei niemand, der Sachen einfach erfindet." Auf dem Cover ist Anna mit einem kleinen Affen im Tweed-Anzug zu sehen, der auch im Booklet portraitiert wird. Wer ist denn das? "Das ist jemand, den ich unterwegs gefunden habe und um den man sich kümmern musste", schmunzelt Anna, "oder ist es einfach ein Bild meiner selbst als ich jünger war. Wir haben ja alle ziemlich viel Affe in uns, nicht? Die Künstlerin, Helena Blumquist, die das Artwork gemacht hat, finde ich ganz toll. Ich habe sie angerufen und wir haben uns über Kinder, Tiere, Filme und alles Mögliche unterhalten. Sie hat mir Vorschläge gemacht, nachdem ich ihr über mein Album erzählt hatte. Ich denke, das ist sehr gut gelungen. Dieser Affe taucht in Ihrer Kunst auch immer wieder auf." Im Booklet gibt es auch wieder Bilder von Anna, auf denen sie nicht in die Kamera schaut - wie bislang auch. Gibt es dafür einen bestimmten Grund? "Ich denke, ich bin in dieser Art von Artwork nicht so wichtig und mehr ein Teil der Szenerie. Ich nehme immer die Bilder, die mir gefallen und das sind eben die, auf denen ich nicht in die Kamera starre." Gibt es für Anna Ternheim eine musikalische Vision? "Ja, eine ganze Menge Dinge. Aber es würde die Magie nehmen, wenn ich darüber spräche. Das ist auch beim kreativen Prozess so - jedenfalls so lange man daran arbeitet. Wenn es erst mal veröffentlicht ist, ist das nicht mehr so wichtig - dann können wir darüber sprechen. Es ist ein wenig so, wie der Maler, der sein Bild nicht zeigen will, bevor es fertig ist. Deswegen sucht man sich die Leute, mit denen man zusammenarbeitet auch besonders gut aus. Man muss ja beim Musizieren immer Kompromisse machen, und da möchte man dann keine machen, die nicht unbedingt sein müssen."
Weitere Infos:
www.annaternheim.com
www.myspace.com/annaternheim
www.last.fm/music/Anna+Ternheim
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Pressefreigaben-
Anna Ternheim
Aktueller Tonträger:
Leaving On A Mayday
(Universal)
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