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LAMBCHOP / VIC CHESNUTT / CALEXICO
 
Love American Style
Lambchop / Vic Chesnutt / Calexico
"Love American Style", unter diesem Motto waren im Oktober mit Vic Chesnutt, Lambchop und Calexico drei Bands gemeinsam in Europa unterwegs, die viel mehr gemeinsam haben als nur ihre Namen auf einem Tourplakat. Sie verbindet ein unsichtbares Band, dessen sie sich aber manchmal selbst gar nicht bewusst sind. Sie deshalb in ein und die gleiche Schublade zu stecken, wäre dennoch ein Fehler. Sicher, alle drei passen im entferntesten Sinne in die Kategorie der Singer/Songwriter, und bei allen dreien spiegeln die Plattenverkäufe auch kaum das Potential der Musiker wider. In einer gerechten Welt nämlich müsste etwa Vic Chesnutt auf der ZDF-Couch sitzen, wenn Thomas Gottschalk einen tollen Songschreiber ankündigt und dann Phil Collins in die Halle geschlurft kommt. Immerhin werden Bands à la Lambchop und Calexico in Europa eher wahrgenommen als in ihrer Heimat. Vor allem deshalb, weil sie ihre Aktivitäten in Europa besser und stärker konzentrieren können. Gaesteliste.de hatte beim Auftakt der Deutschland-Tournee in der Hamburger Fabrik vor der furiosen dreistündigen musikalischen Reise quer durch Amerika die Gelegenheit, mit Vic Chesnutt, Lambchop-Mastermind Kurt Wagner (an seinem 40. Geburtstag!) und den beiden Calexicos, John Convertino und Joey Burns, über ihre Bands im Speziellen und die häufig in die Outsider-Rolle gedrängten amerikanischen Singer/Songwriter im Allgemeinen zu diskutieren.
Lambchop / Vic Chesnutt / Calexico
Gaesteliste.de: Es gibt einige undurchsichtige Schubladen, die im Zusammenhang mit Bands wie euch immer wieder aufgemacht werden. "Underground" oder "Outsider" zum Beispiel, oder in letzter Zeit vermehrt "Americana". Könnt ihr euch in diesen Begriffen wiederfinden?

Kurt: "Meinst du, ich habe eine Ahnung, was mit 'Americana' gemeint ist? Bands aus Amerika???"

Vic (zur Melodie von Kim Wildes 'Kids In America'): "We're the bands from America, uh-oh-oh."

Kurt: "All diese Bands, die in dieser Kategorie zusammengefasst werden, decken ein so breites Feld ab. Das Einzige, was sie vielleicht verbindet, ist, dass viele von ihnen Steel Guitars verwenden. Aber das ist weiß Gott kein neuer Trend."

Vic: "Es sind genau all die Bands, die weder Punkrock, noch Rap, noch Techno sind. Alles, was Post-Grunge, strummy, steely ist."

Gaesteliste.de: Die Bands also, die irgendwo, irgendwie Countryeinflüsse haben? Bei uns werdet ihr natürlich schon alleine deshalb gerne in einen Topf geworfen, weil sich viele Europäer nicht die Mühe machen, die regionalen Unterschiede in Amerika als (mit-) entscheidende Inspirationsquelle für die Musik zu sehen. Werdet ihr in Amerika nicht so schnell in die gleiche Schublade gesteckt?

Vic: "In Amerika vergleichen mich alle mit Giant Sand. Oder Victoria [Williams]. Und in letzter Zeit auch häufiger mit Lambchop und Calexico."

Gaesteliste.de: Findet ihr diese Vergleiche passend? Ist es nicht eher so, dass sich eure Platten heute recht unterschiedlich anhören, ihr aber früher alle die gleichen Platten gehört habt und so eine ähnliche Basis habt?

Vic: "Stimmt. Dazu fällt mir ein Interview mit Peter Buck aus den 80er ein. Er wurde gefragt, warum zum Beispiel die Replacements und R.E.M. so ähnlich klingen. Und Peter hat geantwortet: 'Wir haben eben sehr ähnliche Plattensammlungen'."

Kurt: "Ich finde, das ist nicht alles. Wahrscheinlich mögen wir doch auch die gleichen Maler oder Autoren..."

John: "Richtig! Als ich Vic zum ersten Mal getroffen habe, hat mich am meisten beeindruckt, dass er wußte, wer John Fontane war!"

Vic: "Ich fühle mich einfach sehr mit den Jungs hier verbunden. Ich denke oft an sie, wenn ich meine Platten aufnehme. Für mich sind sie so etwas wie Prüfsteine. Ich überlege immer, was sie wohl in dieser oder jener Situation machen würden. Dann höre ich mir einfach ihre Platten an. Das ist unheimlich inspirierend, und dann läuft alles wie von alleine und ich kann gute Songs machen. Ich klammere mich an diesen Bands fest wie ein kleines Äffchen an seiner Mutter."

Kurt: "Was mich wirklich fasziniert hat, ist die Tatsache, dass wir unheimlich viel gemeinsam haben. Das war auch schon so, bevor wir uns kennengelernt haben. Als ich die ersten Platten von Vic hörte, konnte ich es kaum glauben. Er erzählte da von Dingen, die mich genau in der Woche auch beschäftigten. Das war fast schon unheimlich. Etwas Ähnliches ist mit Giant Sand passiert. Die hatten genau den Sound, an dem wir mit Lambchop auch gerade arbeiteten. In gewisser Weise wollte ich die Jungs danach gar nicht mehr kennen lernen, weil ich befürchtete, dass diese Parallelen verschwinden würden. Inzwischen glaube ich, dass es sogar hilfreich ist, weil es uns die Möglichkeit gibt, uns weiterzuentwickeln, um uns voneinander abzuheben."

Vic: "Ich war immer schon der größte Fan von John und Joeys anderer Band [Giant Sand]. Als ich sie zum ersten Mal hörte, war das wie eine Erlösung. Die Texte waren das reinste Hosanna für mich, genau das, was ich mir immer gewünscht hatte. Und dann die Musik... ROCK! Tolle Texte und ROCK!!! Da habe ich mir gesagt, mach das doch einfach nach! (lacht)"

John: "Das stimmt auch für uns. Joey und ich haben so viel von Howe [Gelb, Giant Sand-Mastermind] gelernt. Erst die Zusammenarbeit mit ihm hat uns die Möglichkeit gegeben, Calexico zu machen. Wir klingen zwar völlig anders, aber die wichtigsten Ideen und Impulsen haben wir aus seinen Songs herausdestilliert."

Gaesteliste.de: Bedeutet das also, dass es immer einfacher ist, mit Freunden in einer Band zu spielen, anstatt ein paar Profis zu mieten und das Ganze als Geschäftsbeziehung zu betrachten?

John: "Wir haben das gerade zum ersten Mal ausprobiert. Wir haben drei Musiker aus Deutschland [Martin Wenk und Volker Zander von Ira Lee And The Whitehazleboys sowie Michael Lembach von Bad Ellington] mit dabei, die wir vorher überhaupt nicht kannten! Joey ist ein paar Tage früher rüber geflogen, um mit ihnen die Songs zu proben. Als er mit der Idee ankam, war ich zuerst total dagegen. Ich habe nicht geglaubt, dass das funktionieren würde. Ich dachte: 'Sollten wir nicht zumindest vorher mal einen Kaffee mit denen trinken?' Aber jetzt stellt sich heraus, dass es trotzdem sehr gut läuft."

Gaesteliste.de: Eure Karrieren verlaufen in Europa geradliniger als in eurer Heimat... Liegt das nur daran, dass Underground-Musik in den Staaten vor allem über's Collegeradio verbreitet wird und nicht über Printmedien, während es in Europa viele Magazine gibt, die auch die Bands jenseits der Smashing Pumpkins und der R.E.M.s zu Wort kommen lassen?

John: "Das Problem beim Collegeradio ist, dass du noch lange nicht weißt, wie du an die Platte herankommen sollst, die dir gefallen hat. Häufig sagen sie noch nicht einmal, was sie spielen. Das ist keine große Hilfe."

Vic: "Die Hörer in Europa sind viel aufgeklärter."

Lambchop / Vic Chesnutt / Calexico
Gaesteliste.de: Hier war ja auch elektronische Musik schon viel früher ein Thema. Ich weiß, dass ihr alle auch sehr daran interessiert seid. Das scheint ja aber die Antithese zu euren handgemachten Platten zu sein...

Joey: "Wir würden gerne auch etwas in der Richtung machen, und Johns Frau Tasha, die selbst DJ ist, hat uns ein paar tolle Samples zu Gehör gebracht, aber wir konnten sie einfach nicht unterbringen."

Vic (ungläubig): "Ihr habt keine Samples benutzt auf eurer Platte? Willst du damit sagen, es gibt keine Samples auf der Platte?"

Joey: "Genau! Wir haben einige unserer eigenen Sachen gesampled und verfremdet. Wir haben die Samples eher als Inspiration genutzt, um uns dann zu Hause mit dem Vierspurgerät hinzusetzen und selber neue Sounds zu kreieren. Das ist ja auch billiger."

Gaesteliste.de: Ist das nicht sowieso ein großer Schritt, als Vollblutmusiker auf Samples anderer Künstler zurückzugreifen? Die Idee stammt ja wohl eher von DJs, die selbst keine Instrumente spielen konnten.

Joey: "Alle reden davon, dass Computer keine Seele haben, aber ich muss gestehen, ich mag besonders die ganz abgefahrenen Sachen wie Oval. Der Typ hat sein eigenes Computerprogramm geschrieben, mit dem er jetzt arbeitet. Das ist brillant. Das ist so, als würdest du dein eigenes Auto bauen. Nur auf der Bühne ist es langweilig."

John: "Sampling kann wirklich spannend sein, vor allem dann, wenn es zufällig passiert. Wir saßen im Bus, und im Radio lief Lucinda Williams. Und von einer anderen Station kamen immer die Beastie Boys dazwischen. Zuerst dachten wir, Lucinda benutzt Samples (allgemeines Gelächter)".

Kurt: "Aber das ist ja gerade das Schöne daran: Das Zufallselement ist immer da. Es ist in der Musik und im Leben allgegenwärtig."

Gaesteliste.de: Kam so auch die Idee der Tournee zustande? Die Gewissheit, nicht nur mit Freunden unterwegs zu sein und sich einem breiteren Publikum zu präsentieren, sondern auch auf der Bühne die Besetzungen durcheinander zu wirbeln, wie ihr das derzeit tut?

Kurt (lachend): "Wir haben uns eigentlich einfach an Vic drangehängt. (Imitiert Vic) Wie kleine Äffchen, die sich an ihrer Mutter festklammern. Genauso klammern wir uns an Vics Rollstuhl."

Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-



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