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MIDLAKE
 
Zurück zur Natur
Midlake
All zu oft finden sich in der heutigen Musiklandschaft ja Bands, die zwar jede Menge Enthusiasmus mitbringen, aber nicht so recht zu wissen zu scheinen, was sie tun sollen. Einerseits hat es ja alles schonmal gegeben, andererseits existiert eben deswegen eine Unmenge von Klischees, derer man sich bedienen kann. Da ist die Gefahr natürlich groß, sich an diesen Umständen aufzureiben und entweder aufzugeben oder aber belanglose Musik zu machen. Schön, dass es dann auch ab und an Projekte wie Midlake gibt. Die fünf Texaner um den Frontmann mit dem lautmalerischen Namen Tim Smith sind studierte Musikanten, die das Handwerk von der Pike auf gelernt haben. Sie sind sich durchaus dessen bewusst, dass das, was sie machen, nicht neu ist (im Falle ihrer zweiten CD, "The Trials Of Van Occupanther" ist dies die Ästhetik des 70er Jahre Westcoast Folk-Rock), nutzen aber dieses Wissen, um Wege zu finden, aus den vorhandenen Versatzstücken eine eigene, in dieser Form noch nicht da gewesene Melange anzurühren und sich eben nicht dem Naheliegenden zu widmen - etwa Americana zu machen oder im Retro-Sound ihr Heil zu suchen.
Aber lassen wir Tim doch mal selber zu Wort kommen: "Nun, ich bin ein Absolvent von der Universität von Nord Texas. Die anderen Jungs haben auch studiert - aber keinen Abschluss. Wir haben 1998 beschlossen, zusammen Musik zu machen. Wir waren zusammen in einem Jazz-Programm und ich habe damals Saxophon gespielt. Das war eine Umgebung mit viel Wettbewerb. Wir haben also eine Band gegründet und dieses Jazz-Funk-Ding durchgezogen. Das war der Anfang. Wir haben damals viel Stevie Wonder gehört - dann sind wir allerdings an Radiohead und Björk geraten. Das waren dann unsere größten Einflüsse. Irgendwann haben wir dann unsere eigene Musik in Frage gestellt und aufgehört, 30 Minuten lange Jazz-Funk-Fusion Jams zu spielen. Wir haben uns überlegt, wie wir mit drei oder vier Minuten auskommen könnten. Wir haben dann nach einem Sänger gesucht. Ich schrieb einen Song, den ich als Vorlage für Auditions für andere schrieb - doch die anderen schlugen vor, dass ich doch gleich singen sollte. Es hat eine ganze Weile gebraucht, das wir diesen Punkt erreichen." Schön und gut - damit sind wir aber doch noch nicht dort angelangt, wo sich Midlake heute tummeln, oder? "Nein, wir mussten erst mal den Jazz aus unserem System bekommen", meint Tim. Warum denn das? "Nun, das war gar nicht unsere große Liebe", meint Tim beinahe verächtlich, "es ist nämlich so, dass du dir als Jazz-Musiker nur noch Jazz-Musik anhörst, um besser spielen zu können und davon zu lernen. Ich fühlte irgendwann mehr, als ich mir Radiohead anhörte - im Gegensatz z.B. zu John Coltrane. Ich meine, ich respektiere diese Musik nach wie vor, aber 'OK Computer' schien mir mehr Gefühl zu haben. Das ging dann so lange, bis ich den Westcoast Sound der 70er für mich entdeckte. Dort fand ich etwas, das mich berührte, so dass das langsam zu unserer Welt wurde."
Was ist denn das wichtigste an einem Stück Musik für Tim? "Ich denke es geht darum, wie viele Emotionen ein Song in einem Zuhörer hervorrufen kann", meint Tim, "bei mir ist es so, dass, je älter ich werde, ich am liebsten nur noch Musik hören möchte, die mich zum Weinen bringt. Meine Lieblingssongs sind immer etwas langsamer und sehr emotional. Ich glaube zwar nicht, dass dich unser Album zum Weinen bringt, hoffe aber, dass ich auf dem Nächsten so etwas zustande bringe." Das heißt aber doch, dass Midlake ihre Musik sehr, sehr ernst nehmen, oder? "Da hast du vermutlich recht", lacht Tim, "wir sind zwar privat nicht die ernsthaftesten Typen, unsere Musik nehmen wir aber sehr ernst. Ich mag es, wenn man Musik bewusst zuhören muss. Ich mag es hingegen nicht, wenn man Musik als Background-Berieselung bei Parties verwendet. So etwas möchte ich auch gar nicht machen." Dazu passen auch die Texte Tims, in denen er - mit ruhiger Stimme, aber sehr wortreich und blumig - von eigenartigen Charakteren wie eben Van Occupanther erzählt. In Tims Texten gibt es auch relativ viele Bezüge zur Natur. "Das stimmt wohl", bestätigt er, "ich mag zum Beispiel klassische Musik und die Bilder, die diese in meinem Kopf erzeugt - Bilder von einer einfacheren, friedlicheren Welt. Das beinhaltet auch ein ländlicheres Leben mit pastoralen Szenen. Das sind Dinge, die mich interessieren. Ich mag die MTV-Generation mit ihrem Gangsta Rap, Hip Hop und all der Gewalt nicht. Ich wünschte, es wäre eine sanftmütigere Zeit, in der wir lebten, eine Welt, in der die Menschen freundlicher und demütiger sind. Was mir fehlt, ist der Respekt der Leute untereinander. Ständig diese Gewalt und dieses Drohen mit Gewalt - das ist nicht eigentlich die Welt, in der ich leben möchte. Darüber schreibe ich auch nicht." Nun sind es aber doch meistens eher die Frauen, die über den Bezug zur Natur schreiben. "Das ist ja auch irgendwie gut, nicht?", fragt Tim. "ich selber bin gar kein großer Naturbursche. Ich lebe zwar mit meiner Frau zusammen auf dem Lande, etwa 30 Minuten außerhalb von Denton in Texas, aber ich denke auch, dass es wichtig ist, die Stadt in erreichbarer Nähe zu haben. Trotzdem ist es ziemlich einsam dort, wo wir wohnen. Ich glaube sogar, dass wir in ein paar Monaten wieder nach Denton ziehen werden."
Wie entstehen denn die Songs? Werden diese quasi konstruiert? "In gewisser Weise ja", räumt Tim ein, "ich setze mich zunächst alleine am Klavier hin und fange mit irgend einer Zeile an. Dazu suche ich eine Melodie und führe das dann zusammen. Am Ende kommt der Text dazu. Daraus mache ich ein Demo und führe es den Jungs vor, die für gewöhnlich nichts auszusetzen haben. Dann nehmen wir es gleich auf - meist ohne zu Proben - und versuchen den Song während dessen auch gleich zu arrangieren. Viele unserer Stücke nehmen wir drei oder vier Mal auf, bevor sie sitzen. Wenn wir dann live auftreten, dann fängt für uns das Proben erst an. Wir müssen dann unsere eigenen Songs lernen." Das ist ja ziemlich von hinten aufgerollt, oder? "Also wenn ich sage, dass wir die Songs mehrfach aufnehmen, dann ist das so, dass die Aufnahmen sehr unterschiedlich sind", führt Tim aus, "nehmen wir z.B. 'Roscoe'. Die erste Version war zu langsam. Die zweite war zwar vom Tempo her richtig, hatte aber zu wenig Emotionen. Also haben wir es zum dritten Mal aufgenommen. So funktioniert es für uns eben am Besten. Was ich allerdings gerne ein Mal machen möchte, ist, die Songs zunächst perfekt einzustudieren, und dann in einem Rutsch in 45 Minuten aufzunehmen. Das Problem dabei ist nur, dass wir momentan einfach nicht die Räume und das Material dazu haben. Der Zuhörer könnte das vielleicht gar nicht heraushören, aber alleine das Bewusstsein, dass wir es fertig gebracht hätten, wäre ganz toll für uns." Nun ist auf "Van Occupanther" ja schon eine ganze Menge an Stilen zu hören - von den erwähnten Folk-Rock und Klassik-Einflüssen über Psychedelia, 12-Ton-Musik bis hin zum Schrammelrock: Was gibt's denn da überhaupt noch in der Zukunft zu tun? "Das weiß ich gar nicht. Vielleicht mehr in der Art. Ich bin momentan so sehr in diese Musik verliebt, dass ich gar nicht sehen kann, was wir sonst versuchen sollten. Ich hoffe, dass uns etwas einfällt, aber ich mache mir da momentan keine großen Sorgen. Wir werden uns bestimmt nicht hinsetzen und etwa ein Elektronik-Album machen. Es soll ein natürlicher Prozess sein." Was ist denn an diesem Prozess das, was am meisten Spaß macht? "Also das, was am meisten Spaß macht, ist das fertige Produkt zu hören - das, was du geschaffen hast", erläutert Tim, "während du an den Songs arbeitest, kann das nämlich ganz schön frustrierend sein. Man ist im Zeitdruck und kriegt das, was man möchte nicht richtig hin usw. Das Songschreiben ist schwierig. Ich werde zuweilen ganz schön nervös, aus Angst, dass nichts kommt und mir die Ideen und Themen ausgehen könnte. Es ist nicht immer bloß spaßig, Songs zu schreiben. Und es ist auch so, dass mir das Touren nicht so viel Spaß macht. Aber es gibt nichts größeres, als das fertige Stück anzuhören." Wollen wir also hoffen, dass Tim noch viele Stücke in der Art einfallen, wie es sie auf "Van Occupanther" zu hören gibt.
Weitere Infos:
www.midlake.net
www.myspace.com/midlake
midlake.net/v2/
Interview: -Ullrich Maurer-
Foto: -Pressefreigaben-
Midlake
Aktueller Tonträger:
The Trials Of Van Occupanther
(Cooperative Music/Rough Trade)
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