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JULIANA HATFIELD
 
Allein, aber frei
Juliana Hatfield
"Die Arbeit an 'Beautiful Creature' und den Some Girls- und Blake Babies-Alben war ziemlich frustrierend, weil so wenig Geld zur Verfügung stand und die Platten sehr schnell eingespielt werden mussten. 'Beautiful Creature' zum Beispiel besteht aus Demos, die ich aufgenommen hatte, wann und wo immer ich ein wenig billige Studiozeit herausschlagen konnte", erzählte uns Juliana Hatfield beim Interview in Hamburg vor zwei Jahren und war glücklich, endlich einmal wieder mehr Zeit und Geld für ihr damals aktuelles Werk "In Exile Deo", eine sehr ausgefeilte und ungewohnt erwachsene Platte, zur Verfügung zu haben.
"Bei 'In Exile Deo' sehnte ich mich wirklich danach, einen vernünftigen Zeitrahmen abzustecken, einfach Zeit im Studio zu verbringen, Songs richtig zu arrangieren, mehr am Gesang zu arbeiten und die Musiker zusammenzutrommeln, die ich haben wollte, anstatt mit denen zu arbeiten, die ich mir leisten konnte. Das war purer Luxus. Man kann den Prozess mit den Platten vergleichen, die ich in den 90ern für Atlantic gemacht habe, 'Only Everything' und 'Become What You Are'. Damals hatte ich auch genug Zeit im Studio, die Visionen in meinem Kopf wirklich zum Leben zu erwecken."

Kaum zwei Jahre später geht die Grande Dame des Bostoner Indierocks der 90er, die wir vor ihrem Konzert in Münster erneut zum Gespräch trafen, mit ihrem aktuellen Album "Made In China" nun musikalisch den komplett entgegengesetzten Weg. Mit neuem Elan will Juliana Hatfield Europa in Zukunft nicht mehr so vernachlässigen wie in den letzten zehn Jahren. Ihr neues, ausgesprochen rockiges Werk hat dabei durchaus Potential, alte wie neue Fans (wieder) auf sie aufmerksam zu machen. "Neuanfang" nennt man so etwas für gewöhnlich, dabei hatten wir doch eigentlich schon bei "In Exile Deo" von einem Neuanfang gesprochen, der sich nun rückblickend nur wie eine Fortsetzung ihrer vorangegangenen Alben ausmacht. "Es war beides. Einerseits war die Platte eine Fortsetzung dessen, was ich schon in den 80ern begonnen hatte, denn musikalisch gab es ja keine radikalen Änderungen. Ich schrieb immer noch Popsongs mit Gitarre, Bass und Schlagzeug. Allerdings fühlte es sich wirklich an wie ein Neuanfang. Die 'Gold Stars'-Compilation war ein Endpunkt für etwas Bestimmtes. Damit wollte ich ein Zeichen setzen und sagen: Das ist das, was gewesen ist, mit 'In Exile Deo' habe ich versucht, eine neue Phase einzuläuten. Allerdings bin ich nicht gut mit Konzepten, und ich schaue für gewöhnlich auch nicht sehr weit voraus. Deshalb bin ich mir nie sicher, was passieren wird."

Passiert ist also "Made In China", ein Album, das geradezu jugendlich und auf charmante Weise ungehobelt und unperfekt daherkommt. Anders als auf früheren Alben schrieb Juliana dieses Mal nicht nur introspektive Songs mit selbsttherapeutischer Wirkung, sondern auch einige mit nach außen gerichteten Botschaften. "Diese Stücke entsprechen den Gesprächen und Diskussionen, die ich gerne führen würde", erläutert die erklärte Einzelgängerin. "Das tatsächliche Schreiben der Songs ist dagegen eher so etwas wie eine Therapie, um meinen Kopf wieder frei zu kriegen."

Juliana Hatfield
Frei auch von Trends und Hypes - ihre kurze Zeit im Rampenlicht, als sie 1993 durch feine Popsongs wie "My Sister" und "Spin The Bottle" und eine Liaison mit den Lemonheads plötzlich zum Darling der Indie-Musikpresse wurde, hat sie nie wirklich genossen. Kein Wunder also, dass sie bei ihren Konzerten zwar gerne aktuelle Songs wie "Because Of You" von Kelly Clarkson oder vor einigen Jahren "Goddess On A Highway" von Mercury Rev covert, letzten Endes aber doch zu ihren alten musikalischen Helden zurückkehrt. Neuere Sachen inspirieren sie also nicht wirklich? "Oh, nein! Deshalb war es zum Beispiel so seltsam, dass 'Tomorrow Never Comes' [von Dot Allison] es auf meine letzte Platte geschafft hat. Das war ein Vorschlag der Plattenfirma - zugegeben, ein sehr guter, so etwas erwartet man von einem Label ja für gewöhnlich nicht - ich selbst wäre nie darauf gekommen, die Nummer aufzunehmen. Normalerweise spiele ich eine Coverversion ein Jahr lang, dann lasse ich sie fallen und spiele sie nie wieder, weil ich sie einfach leid bin. Den Mercury Rev-Song zum Beispiel werde ich sicher nie wieder spielen! Allgemeiner gesagt: Die alten Sachen bleiben, die neuen kommen und gehen, sie hinterlassen einfach nicht den gleichen bleibenden Eindruck bei mir. Vielleicht hat das mit dem Alter zu tun oder mit der Kultur, dass Bands kommen, ihren Hit haben und dann wieder verschwinden? Vielleicht ist alte Musik auch einfach besser? Es ist wirklich schwer zu beschreiben! Warum drehe ich jedes Mal aufs Neue durch, wenn ich 'Barstool Blues' von Neil Young höre, und warum würde ich absolut nichts fühlen, wenn du mir hier und jetzt 'Goddess On A Highway' vorspielen würdest?"

Viele Fragen, wenig Antworten, aber das passt zu Juliana. "Ich weiß, es ist dumm, aber ich denke nicht viel über Musik nach. Ich versuche, das Ganze nicht als intellektuelle Sache zu sehen. Die Theorie ist mir egal. Soweit es die Musik angeht, bin ich ein richtiger Idiot. Ich mag einfach Musik, die bestimmte Gefühle in mir auslöst", sagt sie fast trotzig. Dennoch wagt sie sich nun erstmals seit dem ebenfalls in Eigenregie veröffentlichten Erstling der Blake Babies vor fast zwanzig Jahren daran, eine Platte ohne die Rückendeckung einer etablierten Plattenfirma zu veröffentlichen. "Made In China" erscheint auf ihrem eigenen Label Ye Olde Records und somit auf eigene Rechnung, was zur Folge gehabt haben dürfte, dass sie es wieder mit den eingangs erwähnten frustrierend knappen Ressourcen zu tun hatte. "Der Unterschied ist, dass ich selbst es bin, der die Höhe des Budgets bestimmen kann", erklärt sie. "Ich kann so viel oder so wenig von meinem eigenen Geld ausgeben, wie ich es für nötig halte. Zumindest in den 90ern war es so, dass die Major-Plattenfirmen gar nicht daran interessiert waren, dass Platten billig produziert wurden. Sie haben dich dazu gedrängt, einen Großteil deiner zukünftigen Tantiemen bereits für die Aufnahmen auszugeben. Deshalb fühle ich mich nun, auf mich allein gestellt, schon sehr frei!"

Weitere Infos:
www.julianahatfield.com
www.myspace.com/julianahatfield
Interview: -Carsten Wohlfeld-
Fotos: -Pressefreigaben-
Juliana Hatfield
Aktueller Tonträger:
Made In China
(Ye Olde/Cargo)
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