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LAUREN HOFFMAN
 
Malen mit Tönen
Lauren Hoffman
Lauren Hoffman ist eine Songwriterin. Sie stammt ursprünglich aus Virginia, begann mit 17 ihre professionelle musikalische Karriere, ist eher klein von Statur, hat eine große Stimme, verfügt über eine erstaunliche stilistische Bandbreite, hatte mal einen Major Deal, aus dem sie sich freiwillig verabschiedete und legt jetzt mit "Choreography", auf dem u.a. Mitglieder von Cracker, Sparklehorse und Labradford mitspielen, ihr drittes Album vor. So weit, so gut. Allerdings liegt zwischen "Choreography" und ihrem zweiten Album "From The Blue House" aus dem Jahre 1999 eine Auszeit von immerhin sieben Jahren. Grund genug, sie einmal zu bitten, ihre musikalische Laufbahn etwas genauer zu beleuchten. Es begann alles zu dem Zeitpunkt, als sie von Shannon Worrell (die zeitweise auch zur Cracker-Familie gehörte) eingeladen wurde, in deren Projekt September '67 Bass zu spielen, nicht wahr?
"Nun, das war eigentlich noch vorher", erinnert sich Lauren, "bevor September '67 entstand, nannten wir uns Monsoon und ich spielte Bass. Das ist lange her. Shannon hat jetzt zwei Kinder und arbeitet nicht mehr als Musikerin. Für mich begann alles bereits in meiner Kindheit. Ich bin auf einer Farm aufgewachsen - fast in so einer Art Hippie-Situation. Wir hatten keinen Fernseher, sondern stattdessen einen Plattenspieler und wir hatten Instrumente. Mein Vater hat mich sehr früh an die Musik herangeführt. Er war diesbezüglich immer sehr leidenschaftlich und inspiriert und hat das auf mich übertragen. Ich war auch immer sehr am Tanz interessiert - hauptsächlich wegen dessen Bezug zur Musik. Die körperliche Haltung war mir immer sehr wichtig. Als ich 11 oder 12 war, begann ich Bass zu spielen und schloss mich der Schulband an. Eigentlich wollte ich ja Gitarre spielen, aber es gab da schon ein paar Jungs, die Gitarre spielten. Schließlich lernte ich aber doch Gitarre und begann im Alter von 13 / 14 Songs zu schreiben. Ich begann mit Demo-Aufnahmen. Für mich war es immer so, dass wenn ich Erwachsene traf, die mit dem Musikgeschäft zu tun hatten, diese daran interessiert waren, was ich tat und sie sahen da wohl ein gewisses Potential. Zu dieser Zeit traf mein Vater Dave Matthews. Er war in seiner Band und als ich 16 war, arbeitete ich als Praktikantin im Büro von Dave Matthews. Dort traf ich Shannon und sie hatte diese Eingebung, dass ich ihre Bassistin sein sollte. Sie sah uns schon als John und Paul - aber schließlich stellte sich heraus, dass sie doch ihre eigene Band haben wollte und ich verließ das Projekt. Ich traf dann John Morante und David Lowery von Cracker und so kam ich schließlich an meinen Deal mit Virgin."
Lauren Hoffman
Wie entwickelte sich denn Laurens musikalischer Stil? Diesen heutzutage in eine bestimmte Ecke stecken zu wollen, würde nämlich kaum noch funktionieren. Sie schreibt gleichermaßen akustische Folksongs wie energischen Schrammelrock, arbeitet mit Keyboards, ein wenig Elektronik, klassischen Elementen, Streichern, hat eine poppige Ader und eine melancholische Grundtendenz und schreibt intelligente, persönlich gefärbte, genau beobachtete Texte, die gleichermaßen zugänglich wie inspirierend wirken. Wie hat sich das herausgebildet? "Nun, die neue Scheibe liegt musikalisch irgendwie zwischen den beiden Vorgänger-Alben", definiert sie, "ich denke die erste Scheibe, 'Megiddo', war weniger persönlich und intim. Die Musik war eher elektrisch-elektronisch, düster und mehr typisch rockorientiert. Die zweite CD war zwar auch noch düster, aber eher akustisch und sparsamer arrangiert. Das neue Album ist also die Weiterentwicklung dieser Scheiben. Hoffentlich bin ich dabei auch gewachsen, denn ich war ja ziemlich jung, als ich die ersten beiden Werke aufnahm. Heutzutage habe ich ja mehr Lebenserfahrung und einen besseren Einblick in mein Seelenleben." Was löste die Notwendigkeit aus, schließlich diese neue Scheibe aufzunehmen - nachdem Lauren eine längere Auszeit genommen hatte? "Ich war zwei Jahre an der Uni und habe Tanz und Choreographie studiert", erzählt Lauren, "als ich mich eines Tages umschaute, fiel mir auf, wie leidenschaftlich die anderen Studenten das Thema Tanz begriffen. Sie kamen während ihrer Freizeit ins Studio und arbeiteten an ihrer Technik und an Projekten. So fühlte ich mich nicht beim Tanzen, sondern so fühlte ich mich beim Musizieren. Das war die Eingebung, die mir zeigte, wo ich hingehörte. Bevor ich diese Scheibe dann aufnahm, habe ich noch verschiedene Sachen ausprobiert. Ich machte akustische Demos mit Musikern in Indien, ich ging nach Paris, ich lebte in London und ich kehrte nach Virginia zurück und startete dort eine Indie-Rock-Band. Ich hatte da bereits viele der Songs, die jetzt auf der Scheibe sind - aber im Rock-Kontext funktionierten sie nicht richtig. Ich ging dann für eine Zeit nach New York, wo ich Stücke schrieb und am Ende kehrte ich dann doch wieder zum Sound Of Music Studio von David Lowery zurück und nahm dort meine Scheibe auf." Wie bereits angedeutet: All diese Erfahrungen hört man Laurens Werk auch an. Die Auszeit war also sicherlich musikalisch gesehen ein richtiger Schritt. Was löst denn einen typischen Lauren Hoffman-Song aus? "Normalerweise sind das Melodien oder Phrasen, die mir im Kopf herumschwirren und die ich dann dazu verwende, Geschichten oder Themen, die in meinem Inneren brodeln, umzusetzen. Irgendetwas, das mir wichtig ist. Die Herausforderung dabei ist, diesen Zustand zu erreichen, in dem du offen für Inspirationen bist und dich wohl fühlst, so dass der Prozess schmerzlos abläuft." Das kann man aber doch nicht kontrollieren, oder? "Nein, das ist ja das Schwierige dabei", stimmt Lauren zu, "ich hatte Phasen von einem halben Jahr ganz ohne Songs und ohne Inspirationen. Ich wäre sicher eine schlechte Auftrags-Schreiberin."

Was ist denn das Thema der Scheibe? Was hat die Choreographie konkret mit den Songs zu tun und was bedeutet die 30er-Jahre Anmutung der Fotos auf dem Cover? "Nun es ging mir dabei um die 30er, sondern es ging darum, klassisch zu wirken, melancholisch, ein wenig düster, aber auch schön. Das Album versucht ja nicht, einen bestimmten Stil zu repräsentieren. Und das Verbindende von Choreographie - oder Tanz - und Musik ist der Rhythmus. Und der ist gleichzeitig auch das bestimmende Element in meinem Leben." Wodurch lässt sich Lauren denn musikalisch inspirieren? "Wie meinst du das?", fragt sie eher erstaunt zurück, "muss man denn inspiriert sein? Muss man eine Idee für einen Song haben? Da ist die Prämisse, die für mich nämlich eigentlich gar nicht gilt. Ich denke nicht, dass ich eine Idee haben muss. Schon gar nicht über Akkordfolgen oder Melodien oder Texte oder so etwas. Wenn du mich fragst, woher meine Songs kommen, könntest du mich auch fragen, was Gott denn ist. Wenn mich etwas inspiriert, dann ist es der Wunsch, die Intensität eines bestimmten Gefühles zu kommunizieren, das ich in mir verspüre. Die Melodie und so etwas kommen durch Beobachtung und das Wissen, wie etwas zusammenpasst, dazu. Wenn ich das mal so vergleichen darf, dann ist es etwa wie die Farbwahl, die ein Maler treffen muss. Ich würde ja als Maler nicht mit der Auswahl von Farben beginnen, sondern stattdessen Farben wählen, um auszudrücken, was ich fühle. Songs beginnen für mich nicht mit Musik." Und wonach sucht Lauren dann in einem Song? "Songs anderer Leute, die ich selber mag, sind meistens eher simpel, aber sie lösen Leidenschaften oder Gefühle aus und vermitteln diese auch. Manchmal kann das sogar eine Melodie sein, das will ich ja zugeben. Bei meinen eigenen Songs geht es mir darum, dass sie ehrlich sind und sich mit der Zeit auch immer noch ehrlich anfühlen - auch wenn es eine spezifische Erfahrung war, die ich da verarbeite. Ein Song muss also universell sein. Und - wie soll ich es formulieren - es ist mir wichtig, bestimmte Dinge NICHT auszudrücken. Selbstmitleid ist zum Beispiel so etwas. So etwas brauchen die Leute nicht. Und wenn mich nicht ein paar Tage selber beschäftigt, dann verfolge ich es nicht weiter."

Lauren Hoffman
Das Interessante an Laurens Texten ist, dass sie - obwohl es meist um Beziehungskisten geht - sich tatsächlich nicht beklagt und dass sie auch nicht anklagt (was ja sehr oft einer der Hauptgründe für Songs dieser Art zu sein scheint), sondern dass sie sich als Erzählerin ziemlich neutral verhält. "Ja, das stimmt wohl", überlegt sie, "es wäre vielleicht falsch es 'neutral' zu nennen, aber ich versuche - auch in meinem eigenen Leben -, die Phase des Klagens und Anklagens auszublenden, weil man nichts dadurch erreicht. Meine Songs müssen ja auch nicht unbedingt eine Auflösung haben. Ich arbeite eher mit der 'Slice Of Life'-Technik. 'As The Stars' ist ein Beispiel dafür. Es ging mir darum, den Verlauf einer Nacht zu beschreiben. Das ist aber auch schon der am bewusstesten konstruierte Song auf der Scheibe." Eine Zeile in der Bio heißt: "Lauren Hoffman ist dann am überzeugendsten, wenn sie ihre Palette erweitert." Stimmt das? "Also ich weiß nicht - wenn es darum geht überzeugend zu sein, dann ist das so: Ich sehe mich ziemlich als Außenseiterin. Ich bin keiner, der sich anpasst oder der es darauf anlegt oder versteht, anderen Leuten zu gefallen oder gar jemanden von irgendetwas zu überzeugen. Ich fühle mich immer noch komisch, wenn ich eine Bühne betrete oder meine Alben anbiete. Der Gedanke, jemanden überzeugen zu wollen, behagt mir also gar nicht." Okay, worin sieht Lauren denn die Funktion ihrer Musik für sich selbst? "Wenn ich im Studio bin und singe, dann hält mein Verstand für einen Moment an und ich fühle mich absolut lebendig. Das ist der Grund, warum ich Musiziere. Wenn ich diesen Zustand erreichen kann, dann stimmt einfach alles - auch beim Live-Spielen, woran ich noch immer arbeiten muss." Was macht am meisten Spaß und was ist am Schwierigsten? "Da gibt es zwei Ebenen, diese Frage zu beantworten", überlegt Lauren, "am meisten Spaß macht die Intensität des Erlebnisses, welches ich gerade schilderte. Aber es macht auch Spaß in Europa zu reisen. Es macht sogar mehr Spaß als in den USA. Das ist nämlich irgendwie unangenehm. Wirklich am Schwierigsten ist für mich aber die Idee, dass ich mich ja irgendwie verkaufen und mich sogar irgendwie verpacken muss, damit das gelingt. Deswegen bin ich mit dem Label Fargo, auf dem ich jetzt bin, auch sehr glücklich, weil sie mir viel von dem abnehmen, was mir unangenehm ist." Lauren Hoffman ist eine Songwriterin, die über einen sehr unüblichen Prozess herausgefunden hat, was für sie der rechte Weg ist. Das Ergebnis, "Choreography", in diesem Sinne ein Album wie ein gut gelagerter Wein, gibt ihr sicherlich recht. Auch wenn es nicht jedem aufstrebenden Liedermacher empfohlen werden kann, eine sechsjährige Pause zur Selbstfindung zu machen - in diesem Fall war das genau das Richtige...
Weitere Infos:
www.forlauren.com
www.myspace.com/laurenhoffman
Interview: -Ullrich Maurer-
Fotos: -Ullrich Maurer-
Lauren Hoffman
Aktueller Tonträger:
Choreography
(Fargo/Rough Trade)
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